Wahr oder nicht? Fettpolster gezielt wegtrainieren? Fitnessmythen auf dem Prüfstand 

Von Sulamith Ehrensperger

6.1.2020

In der Fitnessbranche kursiert manches Halbwissen. Gerade für Anfänger kann dies Ernüchterung, mangelnde Trainingsresultate oder gar gesundheitliche Risiken zur Folge haben. 
In der Fitnessbranche kursiert manches Halbwissen. Gerade für Anfänger kann dies Ernüchterung, mangelnde Trainingsresultate oder gar gesundheitliche Risiken zur Folge haben. 
Bild: Getty Images

Um Sport und Training ranken sich hartnäckige Mythen. Walter O. Frey,
Co-Chefarzt für Prävention und Sportmedizin an der Uniklinik Balgrist, nimmt sechs davon ins Check-up.

1. Stundenlanges Schwitzen im Fitnessstudio, ausgedehnte Joggingrunden und eisernes Hantelstemmen – doch die Waage zeigt nicht weniger an. Zu viel Training macht dick.

Mit Sport verbrennen Sie Kalorien, so viel steht fest. Der tatsächliche Kalorienverbrauch wird aber meistens überschätzt. Wer als durchschnittlicher Freizeitsportler eine Stunde aktiv ist, Velo fährt oder joggt, verbrennt gerade einmal die kleine Butter, die es im Restaurant jeweils zum Brot dazugibt.

Die meisten Kalorien braucht der Körper für den Grundumsatz, also das, was wir brauchen, um zu leben: das Atmen, den Herzschlag, das Denken und überhaupt die Bewegung im Alltag. Der Kalorienverbrauch kann individuell stark variieren, er ist abhängig von Faktoren wie Alter, Gewicht, Geschlecht, Trainingszustand und gesundheitlicher Verfassung.

Essen wir also mehr, als der Körper für Grundumsatz und Sport benötigt, nehmen wir zu. Sporttreiben ist somit kein Freipass dafür, einfach draufloszuschlemmen.



2. Viele Frauen fürchten sich vor «Muskelbergen». Frauen müssen also anders trainieren als Männer.

Eine Frau kann nur schon aufgrund der hormonellen Grundkonstitution – praktisch fehlendes Testosteron –, nie die gleichen Muskelmassen aufbauen wie der Mann. Aber natürlich kann sich auch eine Frau Muskeln antrainieren, vor allem wenn sie genetisch veranlagt den schnellkräftigen Muskeltyp einer 100-Meter-Sprinterin besitzt.

Wer im Kraftraum mit zwei bis drei Serien à zwölf bis 18 Wiederholungen arbeitet, wird nie Riesenmuskeln bekommen. Trotzdem haben Sie einen Kraftzuwachs und ein Bodytuning.

Walter O. Frey ist ärztlicher Leiter am universitären Institut für Sportmedizin «move>med» in Zürich und Chefarzt von Swiss Ski.
Walter O. Frey ist ärztlicher Leiter am universitären Institut für Sportmedizin «move>med» in Zürich und Chefarzt von Swiss Ski.
Bild: zvg

3. Sit-ups machen Sixpack: Mit Bauchmuskeltraining kann man Fettpolster am Bauch wegtrainieren.

Fettpolster lassen sich keineswegs gezielt wegtrainieren. Der Körper mobilisiert die Energiereserven dort, wo es ihm gerade passt – die sogenannten Problemzonen bleiben also.

Was aber stimmt: Wer ein Hängebäuchlein hat – wenn der Bauchinhalt quasi nach aussen drückt –, kann mit den richtigen Rumpfübungen seine Bauchdecke straffen. Sie können damit was fürs Aussehen tun, sozusagen den Hängeapparat ein bisschen reinfahren, aber aussen bleiben die Fettpolster.

4. Kein Training ohne Shake: Je mehr Protein ich einnehme, desto mehr Muskeln kann ich aufbauen.

Die Ernährung gehört zu einem optimalen Training mit dazu. Sie kommt aber erst nach dem Sport, denn Muskeln bauen Sie primär über das Training auf. Wer es nur mit Shakes versucht, dem wächst höchstens der Bauch.

In Kombination mit effizientem Training sind etwa 1,5 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht täglich empfohlen. Eine Menge, die die wenigsten mit normaler Ernährung schaffen. Also müssten wir rund 20 Gramm zusätzlich Eiweiss zu uns nehmen, beispielsweise in Form von Molke-Eiweiss.

Es muss aber nicht immer ein Shake sein: Milch alleine, eventuell für den Geschmack mit Ovi, kommt recht nahe an das heran, was sich die Leute meist zu einem hohen Preis anrühren.

Protein-Shakes sind in aller Munde. Doch ob und wie viel Protein es wirklich braucht, ist abhängig von Trainingsziel und Aktivitätsniveau.
Protein-Shakes sind in aller Munde. Doch ob und wie viel Protein es wirklich braucht, ist abhängig von Trainingsziel und Aktivitätsniveau.
Bild: Getty Images

5. Sport ist ein «Fatburner». Die Fettverbrennung setzt nach 20 bis 30 Minuten Training ein.

Der Körper hat die Möglichkeit, unter anderem Fette, Kohlenhydrate und Eiweisse zur Energiegewinnung beim Sporttreiben zu verbrennen. Von allem Anfang an wird, einfach in unterschiedlicher Menge, auch Fett mitverbrannt.

Je intensiver und je länger wir Sport treiben, desto mehr Kalorien werden benötigt und verbrannt. Das gilt übrigens auch für das Fett. Einen Freipass,  um danach beliebig zu schlemmen, haben wir aber damit noch lange nicht.

6. Einfach mal wegdehnen: Durch Stretching kann Muskelkater verhindert werden.

Wer Muskelkater hat, hat eigentlich etwas falsch gemacht. Er oder sie hat die Muskeln mit heftigem Training quasi zerschlissen. Das macht dem Körper aber zum Glück nicht viel aus, er kann die kaputten kleinen Muskelfasern heilen, ohne dass wir das Nachsehen haben. Dafür braucht er aber Zeit und nicht gleich das nächste intensive Workout.



Die Muskelfasern heilen am schnellsten, wenn sie gut durchblutet sind. Es ist sinnvoll, dies mit einer anderen Bewegungsform zu tun, um den Körper nicht wieder am gleichen Ort zu stressen. Wer den Kater vom Joggen oder Skifahren hat, könnte beispielsweise locker Schwimmen oder Velofahren gehen. Dehnen ist nicht die erste Methode, sondern eine spätere Option, den Muskel auf feine Art zu bewegen.

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