Ständig online Gamen ohne Ende – machen Computerspiele wirklich süchtig? 

Ines Klose, dpa

14.2.2020

Bei einer Therapie gegen Computersucht geht es unter anderem um die Vermittlung von Medienkompetenz.
Bei einer Therapie gegen Computersucht geht es unter anderem um die Vermittlung von Medienkompetenz.
Source: Getty Images

Schnell vergisst man die Zeit in den virtuellen Welten. Wann wird exzessives Spielverhalten zum Problem? 

Zwei junge Männer sind süchtig nach Online-Rollenspielen und brechen deshalb unabhängig voneinander ihre Ausbildung ab. «Das Spiel hat immer mehr Raum eingenommen», erzählt ein Suchtberater, an den sich die beiden Azubis wandten.

Der ältere der beiden habe keine Miete mehr gezahlt oder sich um andere Dinge gekümmert habe. Dadurch habe er seine Wohnung verloren – ein Weckruf. «Das war der Anlass für ihn, die Beratung aufzusuchen.»

Der andere Azubi habe schon vor seinem Beratungsgespräch selbst versucht, stationäre Hilfe zu bekommen. In beiden Fällen habe die Beratungsstelle die Männer schliesslich in eine Therapie vermittelt.



Medienkonsum einschränken

Die Schwierigkeit im Vergleich zu anderen Suchterkrankungen wie Alkoholismus ist dem Berater zufolge der Stellenwert von Medien. «Ich kann zum Beispiel ein alkoholabstinentes Leben führen. Aber ich kann mich nicht dazu entscheiden, ein medienabstinentes Leben zu führen. Das ist in unserer Gesellschaft vollkommen illusorisch.» Daher gehe es bei einer Therapie unter anderem darum, Medienkompetenz zu vermitteln.

Neben Betroffenen wenden sich auch immer wieder besorgte Eltern an die Beratungsstelle. Dann versuche er zunächst herauszufinden, ob ihr Kind tatsächlich bedenklich viel Zeit mit dem Computer oder dem Smartphone verbringe. «Wichtig ist, dass die Kontakte im echten Leben noch vorhanden sind.»

Um den Medienkonsum zu kontrollieren, könne es bereits schon helfen, wenn Eltern mit ihren Kindern feste Nutzungsregeln vereinbarten. Diese müssten dann für beide Seiten gelten, damit Eltern mit gutem Beispiel voran gehen könnten.



Jeder kann betroffen sein

Eine besonders gefährdete Personengruppe gibt es laut dem Arzt Klaus Wölfling nicht. «Es kann jeden treffen», sagt der psychologische Leiter der Ambulanz für Spielsucht der Unimedizin Mainz. Jeder erlebe mal eine verletzbare Phase wie eine Krise im Job oder eine unglückliche Partnerschaft.

Dann könne sich eine Sucht als vermeintlicher Ausweg entwickeln. Eine vorherige psychische Störung müsse dafür nicht vorliegen. «Wir haben mindestens genauso viele oder mehr, die vor der Entwicklung der Sucht gar keine Störung hatten.»

Bei einer Computer- oder Internetsucht gibt es Wölfling zufolge einige Parallelen zu anderen Abhängigkeiten – etwa nach Alkohol oder Tabak. Betroffene zeigten ein bestimmtes Verhalten auf einen Reiz, der für andere Menschen neutral sei.



Flucht in die virtuelle Welt

Das könne beispielsweise ein bestimmtes Geräusch aus einem Spiel oder das Geräusch des Computerlüfters sein. «Dann bekommt der ein unwiderstehliches Verlangen, dem er sich nicht widersetzen kann.»

Ab wann ist häufiges Computerspielen bedenklich? Ein Anzeichen für eine mögliche Abhängigkeit sei vor allem der Kontrollverlust, sagt Wölfling. «Sie nehmen sich vor, weniger Zeit damit zu verbringen und schaffen es nicht.» Die Menschen könnten beispielsweise ihre Freizeit gar nicht mehr ohne PC gestalten. «Das Umfeld merkt es eher durch Rückzug, Apathie.»

Laut Bundesamt für Gesundheit BAG ist etwa ein Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren von einer problematischen Internetnutzung betroffen. Dies entspricht rund 70‘000 Personen. Die meisten von ihnen sind zwischen 15 und 34 Jahren alt.



Stationäre Therapien

Es gibt stationäre Therapien gegen Computer- und Internetsucht. Der Oberarzt Holger Feindel spricht bei der Frage nach der Entstehung einer solchen Abhängigkeit von einem fehlgeleiteten Versuch, mit Problemen umzugehen, und von einer «Flucht in die virtuelle Welt, wo alles schöner, besser ist».

Bei der Therapie müsse daher unter anderem die eigentliche Ursache für die Abhängigkeit erkannt und aufgearbeitet werden. Daneben werde dem Patienten Medienkompetenz vermittelt, damit er das, was für ihn schädlich sei, nicht mehr nutze.

Ein drittes Standbein seien alternative Hobbys zum Computerspielen oder zur Internetnutzung. «Da wird unglaublich viel Zeit frei.» Ganz ohne PC nach einer Suchttherapie leben – das muss ein Patient laut Feindel übrigens nicht. «Es gibt zum Beispiel nicht die Regel, dass wir ihm jegliches Computerspielen verbieten würden.» 

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