Ernährungsmythen im Expertencheck Machen Kohlenhydrate wirklich dick?

Vanessa Büchel

3.2.2025

Nudeln sind besonders kohlenhydrathaltig und darum beim Abnehmen in den Augen vieler ein absolutes No-Go. 
Nudeln sind besonders kohlenhydrathaltig und darum beim Abnehmen in den Augen vieler ein absolutes No-Go. 
Bild: Unsplash/enginakyurt

Mit der Ernährung ist es so eine Sache: Während die einen auf etwas schwören, verteufeln es die anderen. blue News schickt zehn gängige Ernährungsmythen zum Check beim Experten.  

Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Wenn es um Ernährung geht, dann scheiden sich in vielen Dingen die Meinungen.
  • So hat es sich beispielsweise mit Kohlenhydraten, die die einen verteufeln, während andere überzeugt sind, dass sie gar nicht so übel sind. 
  • Was sagt ein Ernährungswissenschaftler dazu? blue News hat für dich nachgefragt und zehn gängige Mythen zum Check geschickt. 

Sind fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag genug? Solltest du nun am Abend wie ein Bettler essen oder darfst du doch zuschlagen, wenn du so richtig Hunger hast? Machen Kohlenhydrate wirklich dick? Wenn es um die Ernährung geht, eröffnen sich Fragen um Fragen. Doch mit den Antworten ist es gar nicht so einfach, denn bei vielen Themen gehen die Meinungen gehörig auseinander. 

Jürg Hösli, Ernährungswissenschaftler und Gründer des erpse Institut für Ernährungsdiagnostik, ist sich sicher: «All das sorgt immer wieder für wunderbar kontroversen Gesprächsstoff.» Der Experte ordnet für blue News zehn Ernährungsmythen ein, die immer wieder für Aufsehen sorgen. 

5 Portionen Obst und Gemüse
am Tag halten gesund
👍🏼

Wer tagsüber mehr Früchte als Snacks und mehr Gemüse zu den Hauptmahlzeiten integriert, fühlt sich abends oft weniger müde, isst am Abend weniger und schläft besser. «Diese Aussage ist grundsätzlich zutreffend, sollte jedoch ergänzt werden: Gruppen wie Sportler, Schwangere oder Menschen in der Genesungsphase haben einen erhöhten Bedarf», klärt Hösli auf.

 Smoothies sind genauso gesund
wie Obst und Gemüse als Ganzes
👎🏼

«Smoothies sind nicht so gesund wie Obst und Gemüse in ihrer unverarbeiteten Form. Bei der Zubereitung eines Smoothies aus mehreren Früchten wird die Verdauungsarbeit des Magen-Darm-Trakts weitgehend umgangen, wodurch der Zucker schneller ins Blut gelangt», klärt der Experte auf.

Dies führe häufig zu einem raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem schnellen Abfall. Die Folgen können ein Überangebot an Blutzucker sein, das in den Fettzellen gespeichert wird, sowie eine Unterzuckerung, die Heisshunger auslösen kann.

Daher sind laut Hösli reine Fruchtsmoothies keine optimale Wahl für eine ausgewogene Ernährung. «Eine deutlich bessere Alternative ist eine Mischung mit einem hohen Gemüseanteil und nur einer Frucht, um den Zuckeranteil zu reduzieren und die Nährstoffdichte zu erhöhen.»

In der Schale finden sich
die meisten Vitamine
🤏🏼

Diese Aussage ist laut Hösli «grundsätzlich korrekt»: «Die Schale eines Lebensmittels dient als Schutzschicht gegen die Aussenwelt und enthält daher häufig eine erhöhte Konzentration an schützenden Stoffen.» 

Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass Schalen je nach Anbauweise auch Pestizidrückstände enthalten können. Wer Bio-Produkte konsumiert, habe hier klare Vorteile, da der Einsatz von Pestiziden in der ökologischen Landwirtschaft stark eingeschränkt ist. «Andernfalls empfiehlt es sich, die Schale gründlich zu reinigen oder im Zweifelsfall lieber zu entfernen, um mögliche Rückstände zu vermeiden», so der Ernährungswissenschaftler.

Schweres und viel Essen
am Abend macht dick
👍🏼

«Diese Aussage ist absolut korrekt», bringt es Hösli auf den Punkt. Studien hätten gezeigt, dass Personen, die ihre grösste Mahlzeit am Abend zu sich nehmen, tendenziell einen höheren Anteil an Viszeralfett aufweisen.

Allerdings sei es keine Lösung, einfach abends weniger zu essen, da dies die Schlafqualität beeinträchtigen könne. «Stattdessen sollte der Tag mit einem ausgewogenen Frühstück beginnen, gefolgt von regelmässigen, ausgewogenen Mahlzeiten über den Tag hinweg. Das Ziel ist, den Hunger bis zum Abend so zu regulieren, dass nur noch eine leichte Mahlzeit nötig ist», rät der Experte. Wer tagsüber Mahlzeiten auslässt oder zu wenig isst, läuft laut Hösli Gefahr, abends von Heisshunger eingeholt zu werden. 

Dunkles Brot ist gesünder
als helles Brot
🤏🏼

Wie der Ernährungswissenschaftler angibt, müsste es richtigerweise heissen: «Fermentiertes Brot ist gesünder als helles Brot.» Denn die Fermentation biete dem Magen-Darm-Trakt entscheidende Vorteile: Bei der Fermentation werden durch natürliche Mikroorganismen, wie Milchsäurebakterien, komplexe Kohlenhydrate und Proteine im Getreide vorverdaut. Dadurch werden die Nährstoffe besser verfügbar, die Verträglichkeit wird erhöht und die Darmflora profitiert von positiven mikrobiellen Stoffwechselprodukten. Leider sei es heute aber schwierig, in Grossbäckereien qualitativ hochwertiges, fermentiertes Brot zu finden.

Light-Produkte machen schlank
👎🏼

«Hier kann ich eine kleine Anekdote beistreuen», merkt Hösli an und führt weiter aus: «Ich habe rund sechs Jahre als Ernährungsberater im Profi-Eishockey in verschiedenen Vereinen gearbeitet. Wenn ich junge Spieler auffuttern wollte, dann habe ich stets auf Light-Produkte gesetzt.» Diese würden weniger Fett enthalten und nicht so schnell satt machen, wodurch die Personen schneller wieder essen würden. 

Kohlenhydrate machen dick
👎🏼

«Diese Aussage ist falsch», stellt Hösli direkt klar. Über das Thema hat der Ernährungswissenschaftler schon in einem Buch geschrieben oder in seinem Podcast gesprochen.

Warum Kohlenhydrate nicht dick machen? «Sie spielen eine essenzielle Rolle für den Körper, da sie den Blutzuckerspiegel stabilisieren, die Regeneration nach Belastung fördern, die Zufriedenheit steigern und kognitive Prozesse wie Lernen und Konzentration unterstützen. Zudem tragen sie dazu bei, Muskelabbau zu verhindern, indem sie die Glykogenspeicher auffüllen und die Proteinsynthese begünstigen.»

Es sei jedoch wichtig, zwischen einfachen Zuckern und komplexen, nährstoffreichen Kohlenhydraten zu unterscheiden. Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse und Früchte liefern langkettige Kohlenhydrate, die den Blutzucker langsam ansteigen lassen und gleichzeitig wichtige Nährstoffe enthalten. Der Schlüssel liege, wie bei allen Nahrungsmitteln, in der richtigen Menge und Qualität.

Der schlechte Ruf der Kohlenhydrate hat sich laut Hösli vor allem durch falsche und vereinfachte Ernährungstheorien verbreitet, die oft von selbsternannten Experten stammen. «Eine differenzierte Betrachtung zeigt jedoch, dass Kohlenhydrate bei einer ausgewogenen Ernährung unverzichtbar sind und keinesfalls verteufelt werden sollten.»

Ein Glas Wasser am Morgen ist gesund
und regt den Stoffwechsel an
👍🏼

Ein Glas Wasser am Morgen ist laut Hösli der perfekte Start in den Tag: «Es gleicht den Flüssigkeitsverlust der Nacht aus, aktiviert den Kreislauf, unterstützt die Verdauung und bringt den Stoffwechsel in Schwung.» Diese kleine Morgenroutine schaffe eine solide Basis fürs Wohlbefinden im Tagesverlauf.

Einmal am Tag warm essen – ein Muss
🤏🏼

Wie der Experte sagt, hat warmes Essen «durchaus Vorteile». Es ist oft leichter verdaulich, macht satt und kann Nährstoffe besser verfügbar machen. «Vor allem in der kalten Jahreszeit oder bei Verdauungsproblemen ist eine warme Mahlzeit angenehm und unterstützend», so Hösli.

Gleichzeitig gebe es aber keine wissenschaftlichen Belege dazu, denn eine ausgewogene Ernährung funktioniert auch mit kalten Speisen. Hösli fügt an: «Letztendlich kommt es auf die persönlichen Vorlieben, kulturellen Gewohnheiten und individuellen Bedürfnisse an. Jeder sollte für sich entscheiden, was ihr oder ihm guttut. Ob warm oder kalt – Hauptsache, es schmeckt und tut gut.»

Schokolade macht glücklich
👍🏼

«Absolut richtig», befindet Hösli. Besonders dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil enthalte zahlreiche Inhaltsstoffe, die sich positiv auf unsere Stimmung auswirken können.

Die Aminosäure Tryptophan wird im Körper in Serotonin umgewandelt, das sogenannte «Glückshormon». Stimulanzien wie Theobromin und Koffein fördern dagegen die Wachsamkeit und vermitteln ein Gefühl von Energie. Zudem regt der Genuss von Schokolade laut dem Experten die Ausschüttung von Endorphinen an, die für Entspannung und Wohlbefinden sorgen.

«Und nicht zu vergessen: Schokolade schmeckt grossartig und aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn, was uns eine Extraportion Glück schenkt», findet Hösli.


Mehr Videos aus dem Ressort

Das taugen Zuckeralternativen

Das taugen Zuckeralternativen

Blue-Moderatorin Vania Spescha möchte weniger Zucker essen. Gesündere Alternativen gibt es gemäss dem Ernährungsexperten nicht, aber einen sinnvollen Umgang mit Süssem.

17.09.2021