Fast Food und Fertiggerichte «Schrott gibt eben Schrott»

Von Sulamith Ehrensperger

19.2.2021

Fertiggerichte – so gesund, wie sie zusammengesetzt sind.
Fertiggerichte – so gesund, wie sie zusammengesetzt sind.
Bild: Getty Images, Westend61

Im Handumdrehen eine warme Mahlzeit: Fertigprodukte und Fast Food boomen. Noch schneller als ihre Zubereitung ist der Ruf, der ihnen vorauseilt: ungesund. Eine Einschätzung von Ernährungsexperte Jürg Hösli.

Herr Hösli, die Corona-Krise zeigt sich auch in dem, was wir essen. Noch schnell einen Burger bestellen, ein Fertiggericht im Laden oder ein Stück Pizza beim Take-away holen. Sind Schnellgerichte wirklich so schlecht wie ihr Ruf?

Jein. Es gibt immer mehr Take-away-Stände, die Menüs mit hochwertigem Fleisch, Fleischersatz und weiteren Zutaten anbieten. Fast Food heisst für mich nicht nur schnell essen, sondern mit schnellem Essen von minimalem Wert möglichst maximalen Umsatz zu generieren. Die Fast-Food-Ketten würden nicht solche Milliardengewinne verzeichnen, wenn sie nicht bei der Qualität der Rohstoffe sparen würden. Das Problem: Wir bauen uns und unseren Körper täglich auf dem, was wir essen, auf. Und Schrott gibt eben Schrott.

Was bewirkt ‹Schrott› im Körper?

Ich habe mal probiert, mich von McDonald's zu ernähren. Ich litt in der Folge unter einem massiven Energieabfall. Das ist der springende Punkt: Wenn wir eh schon gestresst sind, greifen wir eher zu Convenience-Food. Wir haben noch weniger Energie, der Stoffwechsel fällt zusammen, die Entzündungswerte steigen, und das wiederum macht uns noch müder. Weil wir erschöpft sind, essen wir wiederum Fast Food. Ein Teufelskreis.

Das Buch eines Managers lässt zurzeit aufhorchen: Er hat mit selbst gemachten Burger, Ketchup und Pommes frites zehn Kilo abgenommen sowie seine Blutwerte verbessert. So schlecht kann Fast Food also doch nicht sein?

Zur Person: Jürg Hösli 
Jürg Hösli
erpse

Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur, Zürich und Solothurn. 

Grundsätzlich sehe ich zwei Punkte, die wir hier beachten müssen. Wenn die Rohstoffe frisch und gesund sind, hat er alles richtig gemacht! Ein weiterer Punkt ist folgender: Verschiedene Menschen haben verschiedene Stoffwechsel. Grundsätzlich sehen wir bei erfolgreichen Managern oft Hochleistungskörper mit einem sehr hohen Stoffwechsel. Wer nun einen komplett anderen Körper hat, wird mit derselben Ernährung ein deutlich weniger spektakuläres Resultat haben. Ernährung muss man immer individuell anschauen. Deshalb sind solche Ernährungsempfehlungen gefährlich, weil man sie nicht verallgemeinern kann.

Welchen Einfluss hat die Qualität des Essens auf die Leistungsfähigkeit?

Sie ist essenziell. Je schlechter wir essen, desto mehr nehmen entzündliche Prozesse zu: in den Gelenken, in der Lunge, im Darm und der Haut. Betroffene leiden unter Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen und Dünnhäutigkeit, vor allem aber auch an Müdigkeit und Energielosigkeit.

Der eine oder andere kann nicht ohne. Wie gelingt es, Fast-Food-Gewohnheiten ein bisschen gesünder zu machen?

Vor zwei Wochen war ich seit längerer Zeit mal wieder bei McDonalds und habe den üblichen Big Mac, einen Cheeseburger Royal und eine Portion Pommes gegessen. Ich hatte zwei Tage lang nur Kopfschmerzen, mir ging es himmeltraurig. Ich muss anmerken, dass ich mich im Moment qualitativ supergut ernähre und fast jede Mahlzeit selber koche. Das macht einen riesigen Unterschied. Ich persönlich würde darauf schauen, dass es möglichst frisch ist und qualitativ hochstehende Rohstoffe verwendet werden. Es kostet mich vielleicht ein paar Franken mehr, aber ich, mein Körper und der Anbieter haben so langfristig mehr davon.

Was ist eigentlich mit Fertiggerichten aus dem Supermarkt: Eine gute Alternative für Leute, die nicht gern kochen?

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich über Monate mit Fertigmenüs von Migros und Coop ernährt habe. Diese sind qualitativ deutlich besser als klassisches Fast Food, ich habe viel weniger darauf reagiert. Vor allem in grossen Städten gibt es inzwischen viele innovative Gastro-Leute, die qualitativ hochwertige Fertigmenüs anbieten. Ich hoffe, dass die Leute wieder mehr auf solche Angebote sensibilisiert werden. Ich glaube, der Trend weg von den Grossketten wird kommen.

Auf was kann man bei Fertigprodukten schauen?

Das Problem ist, dass jedes Fertiggericht den Stoff Histamin beinhaltet. Dieser aktiviert das Immunsystem und lässt es auch gelegentlich überschiessen. Je sensibler nun der Körper ist, desto schneller hat man Probleme damit. Ich würde auf Lebensmittel achten, die möglichst frisch zubereitet sind. Denn je frischer, desto geringer ist der Gehalt an Histamin.

Warum haben wir die Tendenz, immer das Gleiche zu essen?

Das ist eine der spannendesten Fragen. Je gestresster ein Mensch ist, desto weniger kreativ und experimentierfreudig wird er. Vor allem Kopfmenschen, die einen hohen Stresspegel haben, brauchen sehr viel Sicherheit, das heisst beim Essen Struktur und Kontrolle. Deshalb greift man automatisch immer auf die gleichen Speisen zurück, die man schon kennt. Vielleicht auch ein Urinstinkt: Je mehr Stress, desto weniger Risiko will der Mensch eingehen.

Wie kann ich ungeliebte Essgewohnheiten wieder loswerden?

Hochgradig schwierig! Eigentlich hilft nur sich bewusst werden, zurücklehnen und etwas Neues ausprobieren. Ich war genau damit konfrontiert: Über Monate habe ich immer das Gleiche zu Mittag gegessen. Dann habe ich mir gesagt: Mach eine kulinarische Reise. Seither reise ich einmal um die Welt und probiere jede Woche Gerichte von einem anderen Land. Ich hole sie ab oder koche sie selber. Momentan bin ich gerade in Mexiko. Kulinarische Neugier weckt das Kindliche in dir, etwas Neues zu entdecken. Wenn wir wegen Corona schon nicht auf Reisen gehen können, dann wenigstens beim Essen.



Zurück zur Startseite