Maskierende Substanzen So tricksen und vertuschen die Dopingsünder

Runa Reinecke

6.3.2019

Wurden an der Ski-WM in Seefeld des Blutdopings überführt: Dominik Baldauf (links) und Max Hauke.
Wurden an der Ski-WM in Seefeld des Blutdopings überführt: Dominik Baldauf (links) und Max Hauke.
Bild: Keystone

Von entwässernden Medikamenten bis hin zu grünem Tee: Um illegale Machenschaften zur Leistungsförderung zu verschleiern, scheint einigen Sportprofis und deren Entourage jedes Mittel recht zu sein. Was man darüber wissen muss.

Das Jahr ist gerade einmal zehn Wochen alt, schon steckt der Spitzensport mittendrin in einem handfesten Dopingskandal. Zu den beiden Hauptakteuren des unschönen Spektakels an der Ski-WM in Seefeld avancierten die beiden österreichischen Skilangläufer Dominik Baldauf und Max Hauke. Bei Letzterem wurden die illegalen Machenschaften besonders ungeschickt eingefädelt – ein in Social-Media-Sphären kursierendes Video zeigt den 26-Jährigen mit einer Injektionsnadel im Arm beim Eigenblutdoping. Nun kommt heraus, dass nicht nur der nordische Skisport betroffen ist: Jüngst bekannte sich der österreichische Radprofi Georg Preidler dazu, mit Eigenblut gedopt zu haben.

Beim Eigenblutdoping wird dem Athleten zum Beispiel während eines Höhentrainings Blut abgenommen. Die körperliche Ertüchtigung in erhöhter Lage lässt die Konzentration von Hämoglobin im Blut ansteigen, was wiederum die Leistung fördert. Vor dem Wettkampf wird dem Sportler das Blut wieder zurückgeführt.

Dopingliste wird jährlich aktualisiert

Während das Eigenblutdoping schwer bis überhaupt nicht nachweisbar ist, ist das mit leistungssteigernden Präparaten im sportlichen Wettkampf anders. Welche Methoden und Substanzen im Spitzensport nicht erlaubt sind, führt die jährlich aktualisierte Dopingliste der World Anti-Doping Agency (WADA) auf. Darauf zu finden sind – neben anregend wirkenden Stimulanzien, muskelaufbauenden Wirkstoffen und beruhigenden Narkotika – auch Wirkstoffe, die die illegale Einnahme fragwürdiger bis verbotener Pülverli und Flüssigkeiten verschleiern.

Zu den favorisierten maskierenden Mitteln gehören Diuretika. «Sie erhöhen die Körperausscheidungen von Wasser und Mineralstoffen über den Urin», erklärt Ernst König, Direktor von Antidoping Schweiz, auf Anfrage von «Bluewin». Das führe dazu, dass der Urin verdünnt werde und andere, verbotene Substanzen bei der der Dopingkontrolle erschwert nachgewiesen werden könnten. Bei den Olympischen Sommerspielen 2018 wurden sechs chinesische Schwimmer positiv auf das Diuretikum Hydrochlorothiazid getestet.

Beim Küssen einverleibt

Mit Probenecid wird das genaue Gegenteil bewirkt: Es hemmt die Ausscheidung der Substanzen über die Nieren. «Dadurch wird es schwierig, einen analytischen Nachweis eines Dopings mit Hilfe einer Urinprobe zu erbringen», sagt König.

Dem amerikanischen Staffel-Olympiasieger von 2016, Gil Roberts, ging dieses Präparat offensichtlich nicht nur an die Nieren: Er begründete sein Doping damit, dass er sich das Mittelchen beim Küssen seiner Freundin einverleibt hätte: Die habe das Probenecid zuvor in Indien bestellt, die Kapseln geöffnet und das Pulver geschluckt.  

Spätestens beim Blick auf die Nebenwirkungsliste von Diuretika und Probenecid wird klar, dass Athletinnen und Athleten beim Einnehmen dieser im Leistungssport unerlaubten Wirkstoffe viel mehr zu verlieren haben als Berufsethos und einen Platz auf dem Siegerpodest.

Teils schwere Nebenwirkungen

Zu medizinischen Zwecken werden Diuretika bei Ödemen, Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz eingesetzt. Sie greifen aktiv in den körpereigenen Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt ein, und das kann schlimmstenfalls lebensgefährlich werden. Zu den schwersten Nebenwirkungen von Probenecid gehören – wenn auch in seltenen Fällen – Gelbsucht mit Leberzellschädigung oder Nierenfunktionsstörungen.

Geradezu gesundheitsfördernd wirkt hingegen grüner Tee: Ihm wird eine entzündungshemmende, anregende und – wenn auch in bescheidenem Masse – leistungssteigernde Wirkung zugeschrieben. Nehmen Athleten das nicht nur bei Asiaten beliebte Heissgetränk in grösseren Mengen zu sich, sollten Dopingkontrolleure skeptisch werden: Ein Bestandteil des grünen Tees vermag die Einnahme des männlichen Sexualhormons Testosteron zu verschleiern.

Möglich macht es ein Enzym namens UGT2B17-Glucuronsäure, das an Testosteron bindet. Forscher der Kingston University London gelang es, zu belegen, dass das in grünem Tee vorhandene Catechin das besagte Enzym hemmt und die Ausscheidung von Testosteron über den Urin vermindert.
Hormondoper, die glauben, sie kämen damit durch, freuen sich allerdings zu früh: Die Dopingkontrolleure sind auf Teetrinker vorbereitet und verfügen über Tests, die solche und ähnliche Vertuschungsversuche enttarnen.

Nahrungsergänzungsmittel sind erlaubt

Apropos grüner Tee: Auf der Dopingliste der WADA sind weder Nahrungsmittel noch Supplementierungen zu finden. «Es kann aber sein», so Ernst König, «dass Nahrungsergänzungsmittel aus unseriösen Bezugsquellen mit verbotenen Substanzen verunreinigt sind.» Dann könne ein Test positiv ausfallen, obwohl nicht wissentlich gedopt worden sei.

Doch längst nicht jeder Sportprofi nimmt unbewusst geringe Mengen verbotener Substanzen zu sich. Schwierig nachweisbar ist die sogenannte Mikrodosierung. Dabei werden kleine Mengen in regelmässigen Abständen eingenommen. «Sie sind nur für ein sehr kurzes Zeitfenster im Urin und im Blut analytisch nachweisbar», sagt König.

Unfaire, dem eigenen Vorteil zuträgliche Machenschaften im Profisport nachzuweisen, gleicht eben manchmal der berühmt-berüchtigten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es sei denn, sie steckt gerade unübersehbar in der Vene eines Athleten.

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