Kolumne Essverhalten – diesen Typen setzt die Corona-Krise kilomässig zu

Von Jürg Hösli

4.5.2020

Bei manchen fällt die Corona-Krise auch kilomässig ins Gewicht. 
Bei manchen fällt die Corona-Krise auch kilomässig ins Gewicht. 
Bild: Getty Images

Bei manchen hat sich die Corona-Zeit deutlich ausgewirkt, vor allem auch auf der Waage. «Bluewin»-Kolumnist Jürg Hösli hat drei Ess- und Verhaltenstypen beobachtet. Zu welchem gehören Sie?

Unser Tagesablauf wurde in den letzten Wochen ganz schön durcheinander gewirbelt. Von Killervirus bis wirtschaftlicher Supergau war die Rede, was viele von uns sehr verunsichert hat. Die Gesellschaft steht unter enormem Druck, jeder Einzelne geht aber komplett anders mit der Situation um.

Bei manchen hat sich die Corona-Zeit deutlich ausgewirkt, vor allem auch beim Essverhalten. Ich beobachte in meinen Beratungen drei verschiedene Gruppen:

1. Die Tiefenentspannten

Die erste Gruppe geniesst endlich etwas mehr Ruhe. Es sind die Menschen, die normalerweise nebst Arbeit auch viele Emotionen mit nach Hause genommen haben. Sie waren im Alltag überlastet, haben zu wenig und dann oft noch schlecht geschlafen. Die verordnete Heimarbeit ermöglicht endlich eine Umgebung, die sie entschleunigt. Es werden Spaziergänge und Sport gemacht, wieder mal gekocht und der letzte Gedanke am Abend gehört nicht mehr der Firma, sondern der eigenen Regeneration.



Ihnen hat die Corona-Zeit gutgetan: Die meisten zeigen in den Beratungen nicht nur deutlich weniger Kilos auf der Waage, sondern auch tolle gesundheitliche Werte. Wichtig für diese Menschen wird nun sein, nicht wieder alle positiven Strukturen fallenzulassen. Vielleicht mal offen mit dem Chef sprechen: Es könnte sein, dass Heimarbeit genau das Mittel ist, um auch langfristig ein gesundes Verhältnis zur Arbeit und der Firma zu haben. Dann hat auch der Chef mehr Freude.

2. Die Neuausrichter

Um es kurz zu machen: Die zweite Gruppe hat keine Freude, wenn sie auf die Waage steht, weil diese manche Kilos mehr anzeigt. Es sind oft Menschen, die eine eigene Firma haben, selbständig sind und bei denen Covid-19 mit Existenzängsten verbunden ist, aber auch mit neuen Chancen, die sie umsetzen wollen. 

Diese investieren im Moment deutlich mehr Zeit in die Firma. Und wer fordert, der sollte auch fördern. Essen diese Menschen über den Tag zu wenig, schlägt der Körper zurück: mit Hunger am Abend und Lust auf alles «Verbotene» wie Süsses, Salziges oder Alkohol. Viele der «Neuausrichter» nehmen in der Krise zum Teil deutlich zu.

Für diese Gruppe ist es nun wichtig zu erkennen, dass sie nicht nur in die Firma investieren sollten, sondern auch in ihren eigenen Körper. Sonst ist man rasch ausgelaugt. Ratsam ist, über den Tag deutlich mehr zu essen und am Abend den einen oder anderen Spaziergang zu unternehmen. Ressourcenplanung beginnt beim eigenen Körper, denn erst wenn dieser auch langfristig mitmacht, können schwierige Aufgaben optimal gemeistert werden.

3. Der Konfuse

Die Arbeit, der Sport oder das soziale Umfeld hat dieser Gruppe vor Covid-19 eine klare Struktur gegeben. Eingekauft wurde genau nach Plan. Und die Woche war geregelt: Fitness am Montag, Yoga am Dienstag, Mädelsabend am Mittwoch. Diese Gruppe hat nun komplett ihre Alltagsstruktur verloren. Die Kinder sind zu Hause, die Nachbarn beklagen sich über den Lärm, und überhaupt, das Leben ist kompliziert geworden. Der Gang zum Kühlschrank geschieht oft aus Langeweile, Stress oder vielleicht auch, weil man zuvor zwölf Tafeln Schokolade zum Sonderpreis eingekauft hatte. Natürlich wollen diese innerhalb von zwei Tagen unbedingt gegessen werden.



Auch diese Gruppe dürfte etwas zugenommen haben. Jedoch sind die meisten doch etwas zu eitel, als dass sie sich völlig gehen lassen würden. Für diese Menschen ist es wichtig, dass sie sich auch zu Hause eine Alltagsstruktur geben. Wer vorher Sport gemacht hat, darf dies nun ruhig zweimal pro Tag tun. Einfach etwas weniger lang und weniger intensiv. Wer oft seine Freunde gesehen hat, der kann dies immer noch über Skype tun. Die gemeinsame Kaffeepause schafft einen emotionalen Austausch und dämpft die Versuchung, fehlende Emotionen über Schokolade zu ersetzen.

Hungrig oder mit Kindern einkaufen und das ohne Einkaufsliste, ist natürlich der absolute Supergau. Wer über den Tag eine Schale mit gesunden Zwischenmahlzeiten auf den Schreibtisch stellt, der hat am Abend auch keinen übergrossen Hunger – und auf der Waage wieder ein Lächeln.

Fazit

Damit wir aus der ganzen Corona-Zeit auch etwas fürs Leben lernen können, hilft es, das Positive weiterzuleben und vom Schwierigen zu lernen. Dann sind wir gewappnet für die bevorstehende Zeit: Wenn die Gesellschaft wieder hochfährt und wir wieder in alte Strukturen zurückzufallen drohen.

Zum Autor: Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik Erpse in Winterthur und Zürich.

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