Kolumne Über 50 am Arbeitsplatz: «Die wollen mich loswerden!»

Daniel G. Neugart

4.3.2019

Ein neues Phänomen unter den Arbeitnehmern gibt Anlass zur Sorge: Die Angst der Älteren um den Arbeitsplatz.
Ein neues Phänomen unter den Arbeitnehmern gibt Anlass zur Sorge: Die Angst der Älteren um den Arbeitsplatz.
Bild: zVg

Ein neues Phänomen unter den Arbeitnehmern in der Schweiz gibt Anlass zur Sorge: Die Angst der Älteren um den Job. Der «psychologische Altersdruck» ist auch ein fieser Feind der Unternehmen.

Der Schweizerische Arbeitnehmerverband 50Plus ist täglich im Kontakt mit Ratsuchenden, die ihre Stelle verloren haben. Nun gibt ein neues Phänomen Anlass zur Sorge: Ein Drittel der Anfragen kommen von älteren Arbeitnehmenden, die in einer festen Anstellung und nicht gekündigt sind.

Dieser Trend hat sich in den letzten zwei Jahren aus dem Nichts entwickelt und nimmt stetig zu. Ältere Mitarbeiter wollen wissen, wie sie sich verhalten sollen, um zu verhindern, dass sie den Job verlieren und was zu tun wäre, falls dieser «Worst Case» eintreffen sollte.

Sie reden von der schlechten Stimmung im Team oder im Betrieb. Sie erzählen von zweideutigen oder abfälligen Bemerkungen oder gar von Mobbing und Bossing. Diese erfahrenen Mitarbeiter sind verunsichert. Dabei ist es nicht lange her, dass sie sich noch für unersetzlich gehalten haben.

Oft sind sie seit vielen Jahren im gleichen Betrieb und haben schon viele kommen und gehen sehen, aber jetzt orten sie sich selbst im Fadenkreuz. Sie fühlen sich bedroht und beobachtet. Das wohlige Selbstwertgefühl ist am Gefrierpunkt angekommen. Sie verhalten sich ruhig. Wollen nicht auffallen. Keine schlafenden Hunde wecken. Sie verwerfen oft auch die Hände beim professionellen Ratschlag, das persönliche, klärende Gespräch mit ihren Vorgesetzten zu suchen.

Blick in den Abgrund

Im beratenden, persönlichen Austausch können viele unbegründete Wahrnehmungen von Betroffenen abgefangen und relativiert oder im besten Fall versachlicht und eliminiert werden. Dennoch nimmt man ein dumpfes Gefühl mit zurück an den Arbeitsplatz. Aus geringstem Anlass werden die quälenden Gedanken wieder reaktiviert. Der beklemmende Eindruck, nicht mehr erwünscht, zu teuer und zu alt sein, bleibt.

Unzählige Medienberichte verschärfen diesen Blick in den Abgrund. Auch dass man seine Leistung nicht mehr bringe und schwer zu führen sei, wurde gerüchteweise von Arbeitskollegen im Betrieb schon gemunkelt. Oder einfach, dass man alles nicht mehr so richtig mitbekomme. Man ist dünnhäutig geworden und nimmt vieles persönlicher, als es gemeint ist. Aber was ist an diesen Vorurteilen und Verurteilungen dran? Ist es allenfalls gar eine berechtigte Kritik?

Die Gedanken drehen sich im Kreis und die Betroffenen fühlen sich zunehmend massiv unter Druck gesetzt und alleingelassen. In diesem Zustand sind Mitarbeitende gesundheitlich gefährdet und brauchen dringend Hilfe. Nicht selten führt diese Situation zu seelischer Erkrankung, körperlicher Erschöpfung und letztendlich zu einem Burnout. Ein längerer Ausfall am Arbeitsplatz ist die Folge. Die Angst, die Stelle zu verlieren, nimmt dann erst recht greifbare Formen an.

Manchmal wird diese Gelegenheit von Arbeitgebern genutzt, um sich von einem vermeintlich «schwierigen Mitarbeitenden» im gegenseitigen Einverständnis, wie es so schön heisst, wohlwollend zu verabschieden. Im besten Fall mit einer angemessenen Abgangsentschädigung oder einem Budget für ein Outplacement.

Dem entlassenen langjährigen Mitarbeiter droht nach der Genesung und vor der regulären Pensionierung die Alterslangzeitarbeitslosigkeit (das Unwort des Jahrtausends) und die darauffolgende Altersarmut.

Ein Neuzeit-Phänomen

Dabei hätte alles anders kommen können. Der Arbeitgeber ist für die Gesundheit und somit auch für die Psychohygiene im Betrieb verantwortlich. Es gilt, das Neuzeit-Phänomen zu erkennen und entsprechende Präventiv-Massnahmen einzuleiten.

Der «psychologische Altersdruck» am Arbeitsplatz ist auch ein fieser Feind eines Unternehmens. Er ist gefährlich, weil er nicht sichtbar und nicht greifbar ist. Das verleitet dazu, ihn zu verharmlosen. Wer als Unternehmer diese Bedrohung zu ignorieren gedenkt, tut sich selbst aber keinen Gefallen. «Ältere Arbeitnehmende» werden in der Wirtschaft im Alterssegment zwischen 40 Jahren und Rente als solche wahrgenommen. Das betrifft über ein Drittel der Schweizerischen Gesamtbevölkerung! Und es werden täglich mehr.

Was kann dieses Phänomen in einem gesunden Unternehmen anrichten? Erfahrene Mitarbeiter verlieren den Anreiz zur Kreativität. Sie halten sich mit konstruktiver, erfahrungsbasierter Kompetenz zurück aus Angst, negativ aufzufallen und schaden somit ungewollt der Entwicklung und dem Wissenstransfer in einem Betrieb. Es liegt also auch im Interesse der Wirtschaft, sich mit dieser Thematik als innovativer Arbeitgeber zu profilieren und zu positionieren.

Über SAVE 50Plus Schweiz: Zum Thema bietet SAVE 50Plus Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gewerbeverband die Zertifizierung «Altersneutraler Arbeitgeber» an. Ein Unternehmen kommuniziert nach Innen, dass die Leistung und nicht das Alter zählt und damit der aktive Dialog zu älteren Mitarbeitern gesucht wird. Nach Aussen signalisiert eine zertifizierte Organisation, dass man für jedes Alter ein attraktiver, moderner und vor allem ein «altersdiskriminierungsfreier» Arbeitgeber ist.

Diese Haltung wird im Firmenleitbild verankert und im Betrieb gelebt. Die Herausforderung im allseitigen Interesse besteht darin, die Werte in der Schweizer Wirtschaft in diesem Zusammenhang neu zu definieren und in die Zukunft zu tragen.

Zum Autor: Daniel G. Neugart ist Präsident und Geschäftsführer der Organisation SAVE 50Plus Schweiz. Der Verband setzt sich für erfahrene Arbeitnehmer und Arbeitslose ab 40 Jahren ein und hat zum Ziel altersneutrales, soziales Engagement mit unternehmerischer Innovation zu verbinden. 

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