Telefonat zum 80. GeburtstagBlocher giggelt – und verteidigt Niklaus Meienberg
Von Michael Angele
11.10.2020
Alt Bundesrat Christoph Blocher wird heute 80 – der Kolumnist gratuliert per Telefon. Während des Gesprächs lobt Blocher den Schriftsteller Niklaus Meienberg so laut, dass man den Hörer weghalten muss.
Früher, als es noch die Fichen, Demos gegen AKWs, Ernst Cincera und den Spruch «Moskau einfach» gab, nannte man einen wie Niklaus Meienberg einen Nestbeschmutzer. «Die Welt als Wille und Wahn» über die Familie des Generals Wille, die er einen «Clan» nennt, war das bekannteste Buch dieses Schweizer Journalisten und Schriftstellers.
Am 22. September 1993 wählte Meienberg den Freitod. Wer sich für sein Leben und vor allem für seine journalistische Arbeit interessiert, dem sei das Buch seiner ehemaligen WoZ-Kollegin Marianne Fehr empfohlen.
Nur am Rande wird in diesem Buch Christoph Blocher erwähnt. Allerdings pflegte Blocher, der heute Sonntag 80 Jahre alt wird, eine viel intensivere Beziehung zu Meienberg als gemeinhin bekannt. Politisch hatten sie das Heu nicht auf der gleichen Bühne, aber da war etwas, was beide verband.
Blocher ist auch ein Polterer
«Ich habe ihn gerne gehabt», sagt mir Christoph Blocher offen am Telefon. Warum? «1. Das Ursprüngliche, 2. Das Geistreiche, 3. Er konnte schreiben.» Ursprünglich, man könnte auch sagen, anarchisch: Meienberg mit seiner wilden Mähne und seinen massigen Körper war ein Polterer, auch ein Jähzorniger, einer, der die Leute zur Rede stellte. Blocher hatte es selbst erlebt, und auch sein Bruder, der Pfarrer, den Meinberg zu Hause heimgesucht hatte.
Blocher spricht so laut am Telefon, dass ich den Hörer weghalten muss. Er ist ja selbst ein Polterer. Ich weiss, dass sich die Dinge geändert haben, aber es ist schon witzig, dass ausgerechnet der Patriotischste unter den Patrioten die Schweizer Sekundärtugenden, mit denen man auch eine Bank führen kann, so gar nicht verkörpert (Diskretion, ausgleichendes Wesen etc.).
Ausserdem lacht Blocher in einem fort, als er mir da von Meienberg erzählt. Er ist heiter. Schon blöd, dass er den Briefwechsel mit Meienberg nicht aufbewahrt hat. Aber er bewahre Schriftliches nun einmal nicht gerne auf, man weiss halt nie.
Als Bundesrat und im Militär hätte er Tagebuch führen sollen, aber er habe sich dem verweigert und nur den Wetterbericht reingeschrieben, erzählt er weiter und lacht weiter.
Ich denke: Der giggelnde Blocher wäre was für Friedrich Dürrenmatt gewesen. Für eine seiner späten Komödien. Denn schon klar, dass der, der da so giggelt, ein ausbeuterischer Grosskapitalist, Pardon ein erfolgreicher Unternehmer, ist, und mit seiner SVP fremdenfeindliches Zeugs in die Welt gesetzt hat.
Meienberg sei immer ein Patriot gewesen
Aber das vergesse ich jetzt gerade, biedere mich an, wie das Journalisten leider gerne tun, und sage: Herr Blocher, hätte der Meienberg noch weitergelebt, wäre er vielleicht sogar in der SVP gelandet. Denn dass der Meienberg, der sich einmal an linken Rand der SP verortete, zum Ende hin konservativer wurde, war ja unübersehbar.
Jetzt bremst Blocher mich, in die SVP soll so einer doch gar nicht, aber er war eben ein Wertkonservativer. Er, Blocher, habe gespürt, dass da etwas aus Meienberg herausbreche, ein Gefühl eher, nicht durchdacht. Aber selbst in seiner Kritik an der Schweizer Gesellschaft, und ja, an den Mächtigen, sei Meienberg ja immer ein Patriot gewesen. Man kritisiert so leidenschaftlich doch nur, was man auch liebt.
Zwei Briefe von Blocher an Meienberg sind erhalten, sie liegen im Literaturarchiv in Bern. In einem geht es um Meinrad Inglins Roman «Der Schweizerspiegel», den Meienberg in Grund und Boden verrissen hatte. Der andere Brief datiert auf den 10. Oktober 1991. Blocher ist da schon eine Weile Nationalrat. Es geht um ein Referat, das Meienberg vor Gewerkschaftlern gehalten hat.
Er habe ja ein Gefühl für das Richtige, schreibt Blocher an Meienberg. Aber er stehe sich im Weg. Schuld sei wohl die Klosterschule, in die er gegangen ist. «Irgendwie ist hier ein Psychoterror am Werk gewesen. Entschuldigen Sie bitte meine offene Ausdrucksweise. Ich habe sie gebraucht, weil Sie gegenüber uns ja auch nicht gerade zimperlich gewesen sind, was ich auch nicht verurteile.»
Was die Klosterschule anbelangt, soll Meienberg ihm später Recht gegeben haben. Verachtung, Hass gar sieht anders aus. Schade, dass der Briefwechsel nicht erhalten ist. Man hätte lernen können: Geschichte ist nie nur Schwarz oder Weiss. Auch die Schweizer Geschichte nicht. Auch die Christoph Blochers nicht.
Zum Autor: Der Berner Michael Angele liefert regelmässig eine Aussenansicht aus Berlin – Schweizerisches und Deutsches betreffend. Angele schreibt für die Wochenzeitung «Der Freitag». Er ist im Seeland aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Deutschlands Hauptstadt. Berndeutsch kann er aber immer noch perfekt. Als Buchautor erschienen von ihm zuletzt «Der letzte Zeitungsleser» und «Schirrmacher. Ein Porträt».
Christoph Blocher wird 80 – Schweizer Politiker gratulieren
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Balthasar Glättli, Präsident Grüne Schweiz: «Lieber Christoph. Zum 80. Geburtstag wünsche ich dir alles Gute. Für uns Grüne leistest du seit Jahren einen wichtigen Beitrag: Wo hemmungsloser Populismus, Entsolidarisierung, Angriffe auf Demokratie und ...
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... Menschenrechte um sich greifen, da werden grüne Kräfte mobilisiert. Unterdessen so erfolgreich, dass wir die Angst vor dir und der SVP gar nicht mehr brauchen. In dem Sinne: Geniesse den Ruhestand. Ob mit oder ohne Bundesratsrente.»
Bild: Keystone
Andrea Caroni, FDP-Ständerat: «Christoph Blocher ist einer der eindrücklichsten Politiker seiner Generation, mit enormem – wenn auch kontroversem – Leistungsausweis namentlich (aber nicht nur) in Wirtschaft und Politik. Er hat es in der Vergangenheit immer wieder verstanden, Probleme zu benennen, die vielen Menschen unter den Nägeln brennen. Zwar hatte er ...
Bild: Keystone
... mit seinen oftmals radikalen Lösungsvorschlägen häufig keinen Erfolg, aber dieses Gespür für die Anliegen einer breiten Bevölkerung hat ihn bekannt gemacht. Das Nein zum EWR gilt gemeinhin als sein grösster Erfolg. Ein folgenschwerer Misserfolg ist, dass sein Übervater-Schatten seine Partei zumindest auf nationaler Ebene mittlerweile mehr lähmt, als beflügelt.»
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Gerhard Pfister, Präsident CVP Schweiz: «Christoph Blocher ist ein Mensch mit sehr grossem Leistungsausweis in der Wirtschaft und in der Politik, und ein ehemaliger Bundesrat. Er hat ...
Bild: Keystone
... die politische Landschaft der Schweiz über Jahrzehnte umgestaltet und mitgeprägt. Ich überlasse Herrn Blocher, selbst zu beurteilen, was er als einen grössten politischen Misserfolg/Erfolg betrachtet.»
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Ulrich Giezendanner, alt SVP-Nationalrat und alt Fuhrhalter: «Der Name von Christoph Blocher ist Sinnbild für eine freie, selbstständige, wohlhabende Schweiz. Weil sein Name zum Markenzeichen für Freiheit und Unabhängigkeit im Privatleben, der Politik und dem Unternehmertum wurde. Er war der ...
Bild: Keystone
... Motor gegen den EU-Beitritt (EWR). Die unfaire Abwahl aus dem Bundesrat war für ihn und seine Ziele, vor allem aber für unser Land eine Demütigung. Meine besten Wünsche für Gesundheit und Wohlergehen, verbunden mit meiner tief empfundenen Dankbarkeit, sollen Christoph Blocher immer begleiten.»