Das Leben der Superreichen Butler Paul – der Alleskönner für die Milliardäre

Von Bruno Bötschi

26.9.2019

Paul heisst in Wirklichkeit anders – Diskretion ist in seinem Beruf das höchste Gut. Doch heute ist er bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern. (Symbolbild)
Paul heisst in Wirklichkeit anders – Diskretion ist in seinem Beruf das höchste Gut. Doch heute ist er bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern. (Symbolbild)
Bild: Getty Image

Er kann alles. Eine Bloody Mary mixen? Kommt sofort. Die perfekte Kokain-Linie legen? Kein Problem. Seiner Kundschaft erfüllt Butler Paul jeden Wunsch. Ein Report aus dem verschwiegensten Gewerbe der Welt.

Das Paradies ist von meterhohen, blickdichten Ligusterhecken umgeben. Die Schlafzimmer und Salons liegen hinter der Terrasse, die sich um die Villa zieht. Ein amerikanischer Milliardär hat das Anwesen, das auf einer europäischen Insel steht, für zwei Wochen gemietet. Mit seinen neun besten Freunden will er wieder einmal richtig feiern.

In der Küche ist Butler Paul damit beschäftigt, den Apéro herzurichten: Gin Tonic, Bloody Mary, Mojito. Das Kokain und das Ketamin soll er – der Gastgeber hat ihn am Morgen genau instruiert – auf drei Silbertabletts servieren. Fein gehackt und in möglichst langen Linien. Die Ecstasy-Pillen sind in Curaçao-Likör zu zerstampfen und das Viagra – für all jene, die sich irgendwann aufs Zimmer zurückziehen wollen – in einer goldenen Dose bereitzustellen.

Paul ist Mitte 40 Schweizer. Er arbeitet als Butler auf Mandatsbasis, hauptsächlich für Stammkunden. Butler Paul fährt mit deutschen Adeligen an die Côte d’Azur. Er serviert russischen Oligarchen an Weihnachten im St. Moritzer Schnee Wodka. Oder eben: Er fliegt mit amerikanischen Milliardären auf einsame Inseln. Wenn Paul erzählt, ist es, als wäre man selber dabei gewesen.

Diskretion ist das höchste Gut

Paul heisst in Wirklichkeit anders – Diskretion ist in seinem Beruf das höchste Gut. Doch heute ist er bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Denn zu erzählen gibt es so einiges: Butler Paul sagt, der Junggesellenabschied in Las Vegas in der mehrteiligen Hollywood-Komödie «Hangover» sei «ein Dreck» gegen das, was er in seinem Job erlebe.

Seinen Kunden erfüllt der diskrete Paul jeden erdenklichen Wunsch. Jeden? «Solange ich mich nicht strafbar mache.» Und das Kokain? «Ich serviere perfekte Linien. Aber Drogen organisieren oder selber nehmen? Niemals.» Er würde auch nie einen Concierge schmieren, um für einen Kunden einen besseren Tisch in einem Restaurant zu bekommen.



Butler Paul ist ein Mann mit Stil, wenn auch kein Moralapostel. Und ein Alleskönner. Er organisiert den Haushalt, ist Chauffeur, Koch, Sekretär, und er bügelt, wenn nötig, auch die Zeitung, damit die Druckerschwärze keine Hände mehr färbt. Was fasziniert ihn an der Welt der Superreichen? «Nichts. Aber ich bin Dienstleister mit Herz und Seele. Mir macht das Freude. Und ich lebe in einer faszinierenden Umgebung.»

Butler Paul arbeitet in schönen Villen, prächtigen Anwesen, hin und wieder auch in einem Schloss. Dass man selber nicht in diese Umgebung gehört, dass man zu ihr immer Abstand wahren muss, könne hin und wieder zu Schwierigkeiten führen. Butler Paul kennt Menschen, die nicht damit umgehen konnten, den Luxus nur zu pflegen, aber nie zu besitzen. Kürzlich schmiss er einen Koch raus. Der hatte die halbe Nacht mit den Herrschaften gekokst.

Gäste bekommen eine Infusion verpasst

Ein Butler hat Haltung zu bewahren, egal wie ausgelassen die Gäste feiern. Diskretion und Manieren sind gerade dann gefragt, wenn die Kleider fallen und die Gesellschaft nackt im Pool plantscht. «Dafür bin ich engagiert worden», sagt Paul. «Um in solchen Situationen, ohne eine Miene zu verziehen, den perfekt gemixten Bloody Mary am Pool zu servieren. Das ist Show. Das finden meine Kunden cool.»

Am nächsten Morgen, wenn sich die meisten Gäste noch im Dämmerzustand befinden, erinnert nichts mehr an das nächtliche Gelage. Die Housekeeping-Ladies haben längst geputzt. Slips, die vergessen gingen, liegen perfekt zusammengelegt auf den Liegestühlen. Die Bademäntel sind frisch aufgedämpft, die Aschenbecher geleert. Drei angerauchte Joints, schön aufgereiht, liegen noch da. Der Gastgeber liebt es, morgens zu kiffen.



Zurück auf der Party des amerikanischen Milliardärs: Nach zweieinhalb Tagen Durchfeiern liegen die zehn Männer wie halbtote Fliegen auf den Liegestühlen am Pool. Sie warten auf die angekündigte Erfrischung – ein sogenanntes Kater-Treatment.

Kurz nach Mittag checkt das Ärzteteam ein. Was nun geschieht, mutet surreal an: Alle Gäste bekommen eine Infusion verpasst. Kaum steckt im linken Unterarm die Nadel – eingeflösst wird ein Mix aus Kalzium und Vitaminen – ordern die Männer mit der rechten Hand den nächsten Gin Tonic. Die Party kann weitergehen.

«Ich bin Butler, kein Volltrottel»

Butler Paul, wie unterscheiden sich Superreiche von den Normalsterblichen? «Superreiche haben oft Mühe, anderen Menschen zu vertrauen. Sie fürchten, ausgenutzt zu werden und haben Angst vor Verlust.» Dem Verlust eines Menschen? «Das auch, aber noch mehr vom Verlust ihres Renommees und ihres Vermögens.» Sparen lernt man also doch von den Reichen.

Einmal wurde Butler Paul von einer millionenschweren Gastgeberin zusammengestaucht, weil er das Fleisch für das Abendessen in der Metzgerei statt im Supermarkt eingekauft hatte. Die gleiche Dame schrie noch zwei Oktaven höher, als sie das Blumenbouquet im Entrée entdeckte. 120 Franken der Preis, gekauft beim Gärtner ums Eck. «Sind Sie wahnsinnig? 30 Franken hätten gereicht!»

Ein Butler hat Haltung zu bewahren, egal wie ausgelassen die Gäste feiern. Diskretion und Manieren sind gerade dann gefragt, wenn die Kleider fallen und die Gesellschaft nackt im Pool plantscht. (Symbolbild)
Ein Butler hat Haltung zu bewahren, egal wie ausgelassen die Gäste feiern. Diskretion und Manieren sind gerade dann gefragt, wenn die Kleider fallen und die Gesellschaft nackt im Pool plantscht. (Symbolbild)
Bild: Getty Images

In solchen Situationen ist Diplomatie gefragt. «Ich ging davon aus, dass der Abend ein wichtiger Anlass mit tollen Gästen ist», erklärte Paul der aufgebrachten Kundin. «Deshalb dekorierte ich ihr schönes Haus möglichst hübsch.» Butler Paul machte der Hausherrin einen Strauss voller Komplimente. Kam das gut an? «Die Frau war stinksauer, sagte danach aber noch: Immerhin haben Sie sich etwas überlegt. Das nächste Mal kaufen sie günstiger ein.»

Ähnlich haarsträubend sind die Lohnangebote, die Butler Paul teilweise bekommt. Es komme nicht in Frage, dass er für 200 Franken am Tag arbeite. «Es geht schlicht nicht. Ich bin selbstständig, von meinem Gehalt gehen 50 Prozent für Versicherungen, Steuern et cetera drauf.» Butler Paul hat seinen Preis: «Ich bin Butler, kein Volltrottel.»

Mehr will er über seinen Lohn nicht verraten. Doch nicht alle Reichen sind knausrig. Letzten Sommer arbeitete Butler Paul für einen neuen Kunden. Es dauerte keine Viertelstunde, bis vier Kreditkarten mit den jeweiligen Pin-Codes auf dem Küchentisch lagen. Der Gastgeber habe gelächelt und gesagt: «Und jetzt organisieren Sie meinen Haushalt!»

«Bei Stammkunden gilt: einmal ist keinmal»

Butler Paul, was tun Sie als Erstes, wenn Sie in einem Haus zum ersten Mal arbeiten? «Ich zeichne den Zimmerplan auf ein Blatt Papier. Wo ist die Küche, wo der Weinkeller? Wer wohnt in welchem Trakt? Wer schläft, zumindest offiziell, in welchem Zimmer?» Reiche Leute sind auch nur Menschen. Dumm nur, wenn der Gastgeber die angehimmelte Dame nicht ins Bett kriegt und stattdessen im Rausch Butler Paul verdächtigt, er sei der Schönen an die Wäsche gegangen – wie in jener Nacht vor zwei Jahren.



«Nach dem Abendessen bedrohte mich der Mann plötzlich massiv.» Mit einer Waffe? «Nein, nur mit Worten. Aber ich wusste, er und seine Gäste sind bis an die Zähne bewaffnet.» Was taten Sie? «Ich verliess den Raum und ging vor dem Haus eine Zigarette rauchen.» Hatten Sie Angst? «Angst nicht, der Mann ist Stammkunde, ich kenne ihn seit Jahren. Aber es war ein verstörender Moment. Zum Glück war ich, anders als der Gastgeber und die meisten Gäste, nüchtern und konnte die Lage neutral analysieren.»

Entschuldigte er sich am nächsten Tag? «Nein. So ein Vorfall wird nur selten besprochen. Wahrscheinlich wusste der Mann am Morgen gar nicht mehr, was er mir alles an den Kopf geworfen hatte.» Kündigten Sie nach dem Vorfall? «Nein. Bei Stammkunden gilt: einmal ist keinmal. Beim zweiten Mal würde ich aber sofort den Koffer packen.» Sind Sie schon einmal frühzeitig abgereist? «Nein, ich gehe mit meiner Kundschaft so galant um, die merken sofort: Da arbeitet ein Profi. Und einen Profi macht man nicht kaputt.»

Sind Sie manchmal eifersüchtig auf Ihre Kunden, weil die so viel Geld haben? «Nein. Ein, zwei oder fünf Millionen Franken auf dem Konto zu haben, ist nett. Aber mit 500 Millionen oder mehr wird es kompliziert. Dieses Leben in den luftigen Höhen des Reichtums, das glamourös und erstrebenswert aussieht, kostet viel Kraft, weil die halbe Welt Erwartungen an einen heftet.»

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