Kolumne Darum stecke ich meinen Kopf künftig nicht mehr in den Sand

Bruno Bötschi

30.3.2025

blue News Kolumnistin Michelle de Oliveira verrät in ihrer heutigen Kolumne, warum sie künftig ihr Augenmerk darauf richten will, was ihr Zuversicht gibt und Mut macht.
blue News Kolumnistin Michelle de Oliveira verrät in ihrer heutigen Kolumne, warum sie künftig ihr Augenmerk darauf richten will, was ihr Zuversicht gibt und Mut macht.
Bild: Privat

Wenn sie die Nachrichten hört, liest oder sieht, möchte die Kolumnistin am liebsten für einige Jahre in Winterschlaf fallen. Weil sie aber weiss, dass das nicht die Lösung ist, hat sie sich für eine andere Strategie entschieden.

Michelle de Oliveira

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • «Ob der vielen negativen Nachrichten ist mir manchmal danach, den Kopf im Sand zu stecken», sagt blue News Kolumnistin Michelle de Oliveira.
  • Weil de Oliveira jedoch weiss, dass das nicht die beste Lösung ist, hat sie sich nun für eine andere Strategie entschieden.
  • «Darum will ich mein Augenmerk darauf richten, was mir Zuversicht gibt. Ironischerweise ist es genau das, was mir auch Albträume beschert: Es sind die Menschen», so de Oliveira.

Ich renne durch die engen Gassen von Lissabon. Ich keuche, komme aber kaum vom Fleck. Hinter mir her ist Elon Musk. Er sitzt in einer Kugel, die blitzschnell durch die Strassen rollt und sogar Nadelöhr-enge Kurven mühelos nimmt.

Ein Roboter, der immer genau weiss, wo ich bin. Irgendwann gelingt es mir, den Verfolger abzuhängen und ich erreiche mein Ziel: eine Friedenskonferenz.

Doch ich habe das Eintrittsticket verloren, man verwehrt mir den Zutritt. Ich renne zurück, um das Ticket zu finden, bin jedoch plötzlich umgeben von Frauen, die allesamt Windeln wechseln müssen.

Zur Person: Michelle de Oliveira
Bild: Privat

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogini, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt mit ihrer Familie in Portugal.

Die wichtige Konferenz verpasse ich. Dann – Sie ahnen es schon – wache ich auf: alles nur ein Traum, zum Glück.

Doch die nächtliche Geschichte lässt mich nicht so schnell wieder los.

Ich will die Hoffnung und die Zuversicht nicht verlieren

Weil der Traum sich um Themen dreht, die mich auch tagsüber umtreiben: die politische Weltlage, Krieg, Rassismus, die Unterdrückung von Minderheiten, das Patriarchat und die zunehmende Frauenfeindlichkeit.

Höre, lese oder sehe ich Nachrichten, bekomme ich oft Angst. Es löscht mir regelrecht ab – und leider nicht nur bei Albträumen, wenn das Licht aus ist.

Manchmal ist mir danach, den Kopf im Sand zu vergraben und die nächsten vier bis acht Jahre so zu verharren. Oder noch länger, wer weiss es denn schon. Höre ich mich um, geht es vielen so. Die Nachrichten werden gemieden, zu schwer verdaulich, immer mit einem Gefühl der Machtlosigkeit garniert.

Doch: Ich will die Hoffnung und die Zuversicht nicht verlieren. Ich lasse sie mir nicht nehmen, beschliesse ich. Kürzlich las ich ein treffendes Zitat der US-amerikanischen Autorin Suzanne Collins: «Hoffnung ist das Einzige, was stärker ist als Angst.»

Darum will ich mein Augenmerk darauf richten, was mir Zuversicht gibt. Ironischerweise ist es genau das, was mir auch Albträume beschert: Es sind die Menschen.

Sohn der Kolumnistin: «Das gaht doch nöd»

Beginnen wir bei den Kleinsten: Als ich neulich im Auto meinen Frust über die politischen Entwicklungen in der Welt im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen losliess, wollte mein siebenjähriger Sohn wissen, warum ich denn gerade wütend bin.

Ich erklärte ihm, wie die Chefin der grössten rechtsextremen Partei Deutschlands Dinge unterdrücken will, die sie selbst aber genauso lebt.

«Das gaht doch nöd», rief mein Sohn entrüstet. «Das wäre ja wie wenn du dauernd vor meiner Nase Schoggi isst, ich aber nie ein Stück bekomme, weil es angeblich ungesund sei.»

Er hat die Problematik begriffen, genauso wie viele andere junge Menschen. Etwa die unter 25-Jährigen, die bei den Bundestagswahlen in Deutschland am häufigsten «Die Linke» gewählt haben.

Gisèle Pelicot: «Die Scham muss die Seite wechseln»

Ich spüre Hoffnung, wenn ich in der Studentenstadt Coimbra im Norden Portugals zahlreiche antifaschistische Parolen sehe und auf Transparenten das Zitat von Gisèle Pelicot lese: «Die Scham muss die Seite wechseln.» 

Und wenn genau diese mutige Frau vom «Time Magazine» zu einer der «Women oft the Year 2025» gekürt wird.

Ich habe Hoffnung, wenn am internationalen Frauentag Menschen auf der ganzen Welt auf die Strasse gehen, um auf Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen, und ihre Stimme für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung erheben.

Wenn die männlich dominierte Südkurve des FCZ sich lautstark dagegen wehrt, wenn ein Star-Fussballer verpflichtet wird, der sich gegen zehn Anklagen aufgrund von Sexualdelikten und Vergewaltigung vor Gericht verteidigen musste.

Zwar wurde er in allen Anklagepunkten freigesprochen – moralisch zu verurteilen ist es aber trotzdem, sagt etwa die Frauenzentrale Zürich in einem Video auf Tiktok. Und genau das haben die FCZ-Fans gemacht.

Darum stecke ich den Kopf nicht mehr in den Sand stecken

Ich habe Hoffnung, wenn Menschen den Mut haben, sich öffentlich gegen die mächtigsten Männer der Welt zu äussern, wie etwa die Bischöfin von Washington, Mariann Edgar Budde, die US-Präsident Donald Trump zu Barmherzigkeit gegenüber Migranten und der LGBTQ+-Gemeinschaft aufrief. 

Aber auch Menschen, die im Alltag einen Unterschied machen, lassen mich hoffen. Wenn eine Person nett und hilfsbereit ist, auch wenn dabei für sie kein Vorteil herausspringt.

Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht und die Antwort wirklich wissen will. Wenn wir nachsichtig sind, wenn wir andere Meinungen respektieren, wenn wir Verständnis und Offenheit kultivieren statt Hass und Missgunst.

Diesen Unterschied im Alltag will ich machen. Denn auch wenn die anderen oft lauter sind, habe ich Hoffnung, weil ich weiss: Wir sind viele. Und wir werden unsere Köpfe nicht in den Sand stecken.


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