Bestsellerautor Martin Suter«Der Tod meiner Frau machte mich sprachlos»
Von Bruno Bötschi
27.11.2024
Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre unterhalten sich in ihrem neuen Buch über Blumen, Piercings, Rasenmähroboter und die Liebe. Und sie geben Tipps, wie nach einem Todesfall kondoliert werden sollte.
Bruno Bötschi
27.11.2024, 04:30
27.11.2024, 08:05
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Schriftsteller und Freunde Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre haben aus ihren Gesprächen ein zweites Buch gemacht.
Im Gesprächsband «Kein Grund, gleich so rumzuschreien», das ab heute Mittwoch, 27. November, im Buchhandel erhältlich ist, ist Suters im Jahr 2023 verstorbene Frau Margrith immer wieder ein Thema.
Zudem wird über Blumen, Piercings, Rasenmähroboter und Rauschmittel gesprochen.
Ab und an schwafeln die beiden Bestellerautoren auf den 320 Seiten nur so dahin, und nicht alle Pointen sind gut – aber so ist das Leben halt.
«Es heisst immer: Das Leben geht weiter. Aber das stimmt nicht», sagte Martin Suter in der TV-Sendung «Gesichter & Geschichten» am 23. September 2023.
Es war der erste öffentliche Auftritt des Bestsellerautors nach dem Tod seiner Frau Margrith Nay Suter. Sie starb am 9. Mai 2023 im Alter von 72 Jahren.
48 Jahre lang waren die Suters ein Paar. Margrith Nay Suter war die grosse Liebe des Schriftstellers und die erste Leserin seiner Bücher und Kolumnen.
Wie eine Beziehung so lange funktionieren könne, wurde Martin Suter einst gefragt und er antwortete, ganz im Stil seiner stark destillierten Form: «Es hilft, wenn man sich liebt.»
Blumen, Camping und Rasenmähroboter
Über den Beginn und das Ende seiner Ehe sagte Martin Suter im November 2023 im «NZZ Magazin am Sonntag»:
«Ich erinnere mich, dass die Standesbeamtin beim Satz ‹Bis dass der Tod euch scheidet› etwas verstohlen sagte, sie müsse das halt sagen. Ich aber fand den Satz richtig. Und jetzt ist es eingetroffen. Leider zu früh.»
Nun spricht, nein, schreibt der 76-jährige Martin Suter ein weiteres Mal über den Tod seiner Frau. Heute Mittwoch erscheint das Buch «Kein Grund, gleich so rumzuschreien».
Es ist der zweite Gesprächsband, den der Schweizer Bestsellerautor zusammen mit Benjamin von Stuckrad-Barre realisiert hat. Der 49-Jährige wird oft als Popstar der deutschen Gegenwartsliteratur beschrieben. Diesmal spricht das ungleiche Duo unter anderem über Blumen, Camping, Rauschmittel, Rasenmähroboter und die Liebe.
Ein starker Moment gibt es in dem neuen Gesprächsband, als die beiden Männer über die Formulierung «Herzliches Beileid» sprechen und Benjamin von Stuckrad-Barre Martin Suter fragt:
«Wie hast du diese allgemeine Beklommenheit um dich herum in den Wochen und Monaten nach Margriths Tod empfunden?»
«Natürlich ist man sprachlos», antwortet Suter. «Ich habe viele solcher Beileidskundgebungen erhalten, und manche haben zu diesen Formeln gegriffen. Es hat aber auch viele Menschen gegeben, die etwas gemacht haben, was mich sehr berührt hat: Sie haben ihre Erinnerungen mit Margrith aufgeschrieben und mir geschickt.»
«Trauerweidverhangene Anteilsnahmeprosa»
Martin Suter sagt im Buch, er könne allen Menschen nur empfehlen, die je schriftlich kondolieren müssten, dies auch so zu tun. «Erinnerungen festhalten» sei das Beste in so einer Situation. «Das weiss ich jetzt als Konsument dieser Literaturform.»
Derweil Benjamin von Stuckrad-Barre ergänzt: «Ja, es ist konkreter, ist auch sinnvoller als dieses protokollstotternde Gestolper im Nebel: ‹Es ist noch gar nicht zu begreifen.›»
Und weiter: «Das ist lieb gemeint, aber es ist trauerweidverhangene Anteilsnahmeprosa, die ja nichts anderes bedeutet als: Mir fehlen die Worte, deshalb habe ich mir diese hier geliehen aus den rhetorischen Standarttänzen.»
Ana Suter: «Du kriegst ein Rosa, Papi»
Margrith Nay Suter ist immer wieder Thema im Buch von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre. Es sind die Momente im Gesprächsband, die ihn besonders lesenswert machen.
Zuweilen reden die zwei Bestellerautoren auf dem 320 Seiten starken Buch aber auch einfach so dahin.
Ja, nicht alle Pointen sind gut – wie im Leben eben auch. Die Fans des Duos erinnern sich: Das war auch im ersten gemeinsamen Werk «Alle sind so ernst geworden», das 2020 erschienen ist, nicht anders.
Besonders schön wird es im neuen Gesprächsband, wenn sich Ana, die Tochter von Martin Suter, einschaltet. Sie tut es beim Thema «Piercings». «Kannst du uns bitte einen Ohrring ausleihen? Martin hat ein Ohrloch, wusstest du das?», fragt Stuckrad-Barre.
In der Folge wird das Ohr von Suter untersucht, also «ob das noch in Betrieb ist, also betreibbar» ist.
Ana: «Du kriegst eine Rose, Papi.»
Stuckrad-Barre: «Eine Rose, sehr gut. Steckst du sie bitte da durch, Ana? Du hast ja darin viel mehr Übung.»
Suter: «Geht es durch?»
Ana: «Ziemlich leicht sogar. So.»
Stuckrad-Barre: «Das sieht ja unfassbar gut aus. Ich muss ganz schnell ein Foto von dir machen, Martin, eine Ohrgrossaufnahme. Das glaube ich mir später sonst selbst nicht.»
Bötschi fragt Daniel Rohr: «Ich möchte ohne Zuschauer sterben»
Daniel Rohr ist ein Tausendsassa. Er ist Theaterleiter. Er ist Schauspieler. Er ist Regisseur. Und er arbeitet als Platzanweiser. Ein Gespräch über das Leben auf und neben der Bühne, die Liebe zu seiner Frau – und den Tod.