KolumneDie Vorurteile machen älteren Arbeitnehmern zu schaffen
Von Daniel G. Neugart
13.5.2019
Überqualifiziert, zu teuer, unflexibel – Vorurteile, die vor allem älteren Stellensuchenden schwer zu schaffen machen. Wenn man über 50 ist und die Stelle verliert, steht man vor einem Abgrund. Der soziale Abstieg droht.
Alles, was man sich in vielen Jahren aufgebaut hat, kann in kurzer Zeit verloren gehen. Die «Alterslangzeitarbeitslosen» sehen sich im Schweizer Sozialsystem gefangen. Am Ende droht die Altersarmut. Solche Botschaften zeigen Wirkung.
Leichtfüssig wird mit Vorwürfen umgegangen. «Altersdiskriminierung» ist dabei das aggressivste Schlagwort, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. Politikerinnen und Politiker versuchen sich damit zu profilieren. Die Medien strapazieren die Thematik seit Jahren gebetsmühlenartig mit negativen Schlagzeilen.
Wir vom Schweizerischen Arbeitnehmerverband 50Plus/SAVE 50Plus stellen bei unseren täglichen Beratungen fest, dass erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben, aber vor allem die älteren Stellensuchenden zunehmend irritiert und verunsichert sind. Viele stigmatisieren sich gleich selbst und denken, dass sie sowieso keine Chance mehr bekommen. Sie fühlen sich diskriminiert.
Was mit Diskriminierung gemeint ist
Den Betroffenen wird suggeriert, dass «Altersdiskriminierung» die Ursache dafür ist, dass sich die Stellenfindung schwieriger als angenommen gestaltet. Oft werden aber die Gegebenheiten des modernen Arbeitsmarktes einfach unterschätzt.
Fragt man nach, dann begründen die meisten ihren Verdacht damit, dass man zu teuer sei – wegen der Sozialabgaben. Gemeint sind konkret die hohen Pensionskassenbeiträge. Diese müssten geglättet werden, so dass alle gleich viele Beitragsprozente bezahlen. Ein solcher Einheitssatz würde die «Altersdiskriminierung» per sofort beenden, und die Chancengleichheit wäre wieder hergestellt. Ein Irrglaube.
Die höheren Sozialabgaben können ein Grund sein, warum ältere Menschen Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Probleme haben junge Menschen aber auch. Weil sie einfach zu wenig Erfahrung mitbringen. Allein die Pensionskassenbeiträge für alles verantwortlich zu machen, wäre zu kurz gedacht. Es lenkt zudem von anderen Faktoren ab, die wichtiger und schneller zu lösen wären.
Lernen, sich besser zu verkaufen
Die «Altersdiskriminierung im Arbeitsmarkt», wenn es sie denn tatsächlich in Einzelfällen gibt, lässt sich nur schwer oder gar nicht nachweisen. Da hilft auch ein gut gemeintes, neues Altersdiskriminierungsgesetz wenig. Im Gegenteil, es wäre sogar kontraproduktiv.
«Die 50Plus-Generation würde sich damit nur selbst stigmatisieren und unattraktiv auf Arbeitgeber wirken» – eine Aussage, die ich als Geschäftsführer des Schweizerischen Arbeitnehmerverbandes 50Plus/SAVE 50Plus immer wieder von Personalberatern zu hören bekomme.
Eine positive Wirkung auf die Stellenfindung hätte es kaum oder gar nicht. Zudem würde eine solche Umverteilung mindestens 20 Jahre dauern und Milliarden kosten. Das ist auch ein Grund, weshalb niemand so richtig dieses «heisse Eisen» anpacken möchte.
Für die 50Plus-Generation wäre es auf jeden Fall zu spät. Vielmehr braucht es ein rasches Umdenken bei den Betroffenen selbst, um neue Chancen erkennen und nutzen zu können. Es braucht die Bereitschaft, auf den modernen Arbeitsmarkt zuzugehen.
Es hilft der 50Plus-Generation nicht, wenn Zeit verloren wird, um nach Schuldigen zu suchen. Und die 50Plus-Generation setzt falsche Signale im Arbeitsmarkt, wenn sie auf der Strasse gegen eine vermeintliche «Altersdiskriminierung» protestiert. Es wird damit pauschal eine ganze Generation in einer Opferrolle präsentiert, und solche Aktionen vermindern die Chancen zur Stellenfindung.
Sich nicht wertlos fühlen
Grundsätzlich hat es niemand nötig, sich wertlos zu fühlen. Denn die erfahrungsbasierten Kompetenzen werden im Arbeitsmarkt zunehmend gebraucht. Die 50Plus-Generation muss lernen, die Entscheidungsträger in der Schweizer Wirtschaft positiv zu beeindrucken.
Die 50Plus-Generation muss sich ihrer Vorbildfunktion bewusst werden. Sie muss Verantwortung übernehmen und lernen, sich besser zu verkaufen. Und die von Arbeitslosigkeit betroffenen älteren Stellensuchenden brauchen zusätzliche professionelle Unterstützung.
Während meiner Arbeit als Geschäftführer des Arbeitnehmerverbandes 50Plus/SAVE 50Plus Schweiz nehme ich bereits einen Trend zum Umdenken wahr. Die Nachfrage von Arbeitgebern, die explizit eine ältere Arbeitskraft bevorzugen, nimmt zu.
Fazit: Wir brauchen keinen Schutz, sondern Chancen.
Zum Autor: Daniel G. Neugart ist Präsident und Geschäftsführer der Organisation SAVE 50Plus Schweiz. Der Verband setzt sich für erfahrene Arbeitnehmer und Arbeitslose ab 40 Jahren ein und hat zum Ziel, altersneutrales, soziales Engagement mit unternehmerischer Innovation zu verbinden.
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