1000 Fragen – Teil 1 Frank Baumann: «Ich habe Angst, alleine zu schlafen»

Von Bruno Bötschi

20.5.2019

Tausendsassa. So wird Frank Baumann immer wieder genannt. Na dann, dachte «Bluewin», stellen wir dem Herrn doch einmal 1'000 Fragen – über sein Leben, seine Frau, seine Probleme, über Gott und noch vieles mehr.

Das längste jemals in der Schweiz geführte Interview, das war das Ziel: 1000 Fragen an Frank Baumann, 1000 Antworten von Frank Baumann.

Der Direktor des Arosa Humorfestivals, der Werber und Radio- und TV-Moderator äussert sich im Interview mit Überlänge über sein Leben, meint: Familie, Freunde, Feinde, Probleme, Lieblingsbeschäftigungen und noch viel, viel mehr. 

Wie lebt es sich als multi-talentierter Mensch? Wie hat der kürzliche Umzug von einem grossen Haus in eine kleine Wohnung funktioniert – und warum ist er seit 31 Jahren mit der gleichen Frau zusammen? Und ist an den Gerüchten, dass der 62-Jährige ein einjähriges Sabbatical habe einlegen müssen, überhaupt etwas dran?

«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi wird während des Gespräches ausser seinen eigenen Fragen auch solche von Baumanns Familie, Freunden, Freundinnen und einigen prominenten Schweizerinnen und Schweizern stellen.

Das «1000-Fragen-Interview» –  es wurde im «Kosmos» in Zürich geführt –,  wird in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert.

Frank Baumann, es ist kurz nach neun Uhr morgens. Ist das eine gute Zeit, um mit Ihnen ein Interview zu führen?

Perfekt, dann bin ich schon so richtig schön warmgelaufen.

Sie werden oft als Tausendassa und Schnelldenker beschrieben, deshalb dachte ich, ich stelle Ihnen 1000 Fragen. Okay?

Ist gut, perfekt.

Wie viele Stunden werden wir für die 1000 Fragen und Antworten wohl benötigen?

Es kommt darauf an, wie fit Sie sind – und wie gut die Fragen sind. Ich würde sagen: etwa drei Stunden. Wenn eine Frage schwierig ist, dauert es länger. Bekanntlich sind die einfachen Fragen die schwierigen. Bin gespannt.

Meine Marathonbestzeit ist drei Stunden 53 Minuten …

Die werden wir knacken. Sie laufen Marathon? Marathon-Läufer sind Fluchtmenschen. Wieso laufen Sie Marathon? Sind Sie auf der Flucht?

Ja, vor dieser grossen Aufgabe heute ...

(Lacht) Das ist gut ...

Damit alles mit richtigen Dingen zugeht, habe ich ein Handzählgerät mitgenommen – ich stelle die Fragen, Sie antworten und zählen. Wäre diese Arbeitsteilung gut für Sie?

Das Gerät hat erst zwei gezählt. Dann gehe ich jetzt auf fünf.

Frank Baumann über seine Stimme: «Eine Hörerin rief an, die ich auf den Sender nahm. Es ging um irgend etwas ganz anderes, da sagte sie ungefragt: Herr Baumann, immer wenn ich Sie am Radio höre, klemme ich mir das Transistorradio zwischen die Beine.»
Frank Baumann über seine Stimme: «Eine Hörerin rief an, die ich auf den Sender nahm. Es ging um irgend etwas ganz anderes, da sagte sie ungefragt: Herr Baumann, immer wenn ich Sie am Radio höre, klemme ich mir das Transistorradio zwischen die Beine.»
Bild: Christian Thumshirn

Wie viele Interviews haben Sie bisher abgebrochen in Ihrem Leben?

Keines.

Wie sind Sie heute Morgen aufgewacht – mit Vorfreude auf den Tag?

Nein. Ich habe mir einzig überlegt: Warum nur habe ich diesem Bötschi vor einem halben Jahr zugesagt. Es ist oft so, dass man sich auf etwas einlässt, und wenn es dann soweit ist, denkt man: (Theatralisch) Warum bloss habe ich nur zugesagt! Bei diesem schönen Wetter würde ich heute – ehrlich gesagt – lieber etwas anderes machen.

Wirklich wahr, dass Ihre Frau im Schlaf spricht?

Redet oder «schnurrt»? Kommt drauf an.

Und wann kommt was vor?

Nachher «schnurrt» sie …

Die meisten Kinder in der Schweiz haben ein eigenes Schlafzimmer. Warum die meisten Mütter und Väter nicht?

Ich habe Angst, alleine zu schlafen.

Die typischen Frank-Baumann-Worte gleich nach dem Aufstehen?

Scheisse.

Frank Baumann über das Singen im Badezimmer: «Unter der Dusche vielleicht ab und zu. Ohne Mikrofon zu singen ist langweilig, irgendwie fake. Aber unter der Dusche, das ist schon geil.»
Frank Baumann über das Singen im Badezimmer: «Unter der Dusche vielleicht ab und zu. Ohne Mikrofon zu singen ist langweilig, irgendwie fake. Aber unter der Dusche, das ist schon geil.»
Bild: Christian Thumshirn

Duschen oder Baden?

Duschen. Wir haben gar keine Badewanne mehr. Wie soll ich da denn baden. Im Lavabo!? (Lacht)

Singen Sie im Badzimmer?

(Überlegt lange) Unter der Dusche vielleicht ab und zu. Ohne Mikrofon zu singen, ist langweilig, irgendwie fake. Aber unter der Dusche, das ist schon geil.

Mal für Ihre Frau gesungen?

Mehrfach.

Was?

Zum Beispiel etwas von Frank Sinatra.

Mal für einen Taxifahrer gesungen?

Nein, aber viele Taxifahrer singen.

Für Sie?

Ja, das habe ich schon erlebt. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, wenn er statt zu singen gefahren wäre.

Das schönste Kompliment, das man Ihrer Stimme je gemacht hat?

(Lacht laut) Das ist jetzt eine fiese, recherchierte Frage. Das ist wirklich fies … Ich war damals noch beim altehrwürdigen Radio DRS, und es war kurz vor Mittag. Eine Hörerin rief an, die ich auf den Sender nahm. Es ging um irgend etwas ganz anderes, da sagte sie ungefragt: Herr Baumann, immer wenn ich Sie am Radio höre, klemme ich mir das Transistorradio zwischen die Beine.

Wirklich wahr, dass Sie jeden Morgen eine halbe Stunde lang Zazen-Meditation machen?

Ich versuche es. Es geht nicht immer gleich gut und hängt auch davon ab, wie motiviert meine Frau ist. Wenn sie reinkommt und sagt: Du, ich muss nur ganz schnell etwas schauen, dann werde ich unterbrochen. Aber ich probiere es jeden Morgen, was für mich eine grosse Herausforderung darstellt.

Sind Sie glücklich?

Sehr.

Kaffee oder Tee?

Tee.

Warum keinen Kaffee?

Ich bringe Kaffee absolut nicht runter. Ich würde sehr gern Kaffee trinken. Ich stelle mir das sehr schön vor, auf einer Piazza zu sitzen und einen überteuerten Kaffee zu trinken, der mit einem Herzli aus Schokopulver oder so dekoriert ist. Ich kann Kaffee aber leider absolut nicht ausstehen. Nicht einmal ein Kaffeeglacé. Ich habe Kaffee einfach absolut nicht gern. Deshalb trinke ich nur Tee.

Schon mal irgendwelche anderem Wachmacher getestet?

Nein.

Wirklich gar nichts? Bewusstseinserweiternde Substanzen oder so?

Vielleicht im Militär mal oder so.

Ich hätte ein bisschen Koffein da ...

Nein, sicher nicht. Wie gesagt: Kein Kaffee.

... aber vielleicht warten wir damit besser noch zwei, drei Stunden. Oder was meinen Sie?

Wie nimmt man das? Nasal? In einer Fernsehsendung wollte ich einmal zeigen, wie das ist, wenn die Leute Kokain sniffen. Das war, als man auf den Toiletten des Musikantenstadl Supren von Kokain entdeckt hatte. Ich dachte: Sicher ist sicher und stellte das in der Sendung mit Mehl nach. Das war keine so gute Idee, denn es gab schliesslich ein Brot in der Stirnhöhle. Das schmeckte hervorragend.

Frank Baumann über Sex am Morgen: «Ähm … Hat etwas nachgelassen.»
Frank Baumann über Sex am Morgen: «Ähm … Hat etwas nachgelassen.»
Bild: Christian Thumshirn

Törnt Sie eher Kälte oder Wärme an?

(Überlegt lange) Sagen wir es so. Ich habe es nicht gern heiss. Ich bin nicht der Typ, der am Strand liegt und sich grillieren lässt. Aber antörnen? Welch eine Scheissfrage!

Sex am Morgen – ja oder nein?

Ähm … Hat etwas nachgelassen.

Grundsätzlich: Sind Ihnen die Menschen sympathisch?

Ähm … Ich bin eigentlich ein Menschensammler und Menschenfreund – und ein Geschichtensammler. Ich bin sehr neugierig. Sagen wir mal so: Ich gehe positiv auf die Leute zu.

Was sollten zwei Menschen idealerweise miteinander tun?

Reden.

Auf Wikipedia steht geschrieben, Sie seien Werbefachmann, Radio- und Fernsehmoderator, Fernsehproduzent und Bestsellerautor. Auf Ihrer eigenen Internetseite heisst es: Sie sind Geschäftsführer des Wörterbergs, Regisseur, Bestsellerautor, TV-Produzent, Kommunikationsfachmann und Direktor des Humorfestivals in Arosa. Wenn Sie auf ein Formular Ihren Job angeben müssen, was schreiben Sie jeweils hin?

Sackmesser. Nein: Wenn ich in einem Hotel reserviere, habe ich schon öfters «Antropophag» auf das Formular geschrieben – mit dem Resultat, dass ich mit «Herrn Doktor» angesprochen werde. Das schmeichelt mir natürlich sehr. Was allerdings niemand weiss: «Anthropophagen» sind Menschenfresser. Daher finde ich es immer sehr lustig, wenn ich so ehrwürdig mit «Herr Doktor» angesprochen werde.

Sind Ihnen all diese Talente in die Wiege gelegt worden oder weshalb sind sie so multi-talentiert?

Ich denke schon, dass mir vieles in die Wiege gelegt worden ist. Wenn man nichts kann, hilft es, wenn man ein paar Talente hat. Aber man muss halt auch trainieren und in Übung bleiben. Wenn ich lange nichts gezeichnet habe, muss ich mich richtiggehend zusammenreissen, damit ich einen Ansatz finde. Das ist wie beim Geigenspielen. Oder beim Schreiben. Wenn ich länger keinen komplexen Text geschrieben habe, muss ich mich zuerst warm schreiben.

Manchmal selbst genervt von Ihrer Vielseitigkeit?

Nein, ich empfinde diese eher als eine Gnade.

Sie sind Linkshänder und mussten in der Schule auf rechts umlernen. Wirklich wahr, dass Sie heute oft links und rechts gleichzeitig schreiben und zeichnen?

Ja, das würde ich behaupten. Ich kann halt vor allem Dinge, die man im Leben nicht braucht (lacht). Ich kann übrigens auch spiegelverkehrt schreiben.

Was hat Ihnen Ihre Mutter über Ihre Geburt erzählt?

Aha!? Das kann ich jetzt nicht abrufen oder ich habe es verdrängt.

Die zentrale Botschaft Ihrer Grossmutter?

Hmm ... Eine Botschaft? Ich hatte ja zwei Grossmütter. Die eine verschlang unsäglich viel Alkohol und Tabak. Dazu badete sie gerne in der Sonne und sah aus wie Lederstrumpf persönlich. Aber sie wurde keine 88 Jahre alt. Vielleicht lag darin ihre Botschaft: Man soll weder das eine noch das andere zu extensiv machen.

Wer war strenger: Ihre Mutter oder Ihr Vater?

Mein Vater war sehr streng.

Wer liebt mehr, die Mutter oder die Ehefrau?

Die Ehefrau. Später.

Waren Sie ein glückliches Kind?

Sehr, ja.

Netteste Erinnerung an Ihre Kindheit?

Mann, welch eine Frage! Ich ging öfters an die Grenzen, aber das waren nicht wirklich nette Erfahrungen. Ich erinnere mich jedoch an wunderbare Momente. Spontan kommt mir ein Waldspaziergang mit meinem Vater in den Sinn, bei dem mir die Socken in den Gummistiefeln bis zu den Zehen gerutscht waren, als wir endlich einen Halt machten, um mir die Socken hochzuziehen und zusammen auf einem Baumstamm einen Schoggistengel zu essen.

Sie waren ein Einzelkind. Können Sie dazu mehr erzählen?

(Gespielt weinerlich) Ja! Deshalb legte ich mir einen imaginären Freund zu, mit dem ich wunderbare Dinge erlebte. Auch hatte ich eine imaginäre Katze, die ich mit Milch fütterte, die aber mit der Zeit unter dem Schrank zu stinken begann.

Welches war Ihre Lieblings-Freizeitbeschäftigung als Sechsjähriger?

Sex.

Wirklich wahr, dass Sie bereits im Kindergartenalter Fallschirm gesprungen sind?

Meine Mutter nähte mir einen Fallschirm, weil es damals eine Fernsehsendung namens «Sprung aus den Wolken» gab. Ich lebte das nach, wie ich überhaupt alles nachlebte. Lange Zeit wollte ich Indianer werden, weil mich beeindruckte, dass sie keine Unterhosen, sondern Lendenschürzen tragen. Daher empfinde ich die Winnetou-Filme als Hochverrat an den Indianern, weil man dort deutlich sieht, wie sie unter den Lendenschürzen schwarze Unterhosen tragen.

«Sprung aus den Wolken» ist eine US-amerikanische Fernsehserie, von der zwischen 1961 und 1963 76 Folgen gedreht wurden.

Quelle: YouTube

Was das Fallschirmspringen betrifft: Meine ersten Sprünge machte ich vom Schrank aufs Bett. Mit der Zeit empfand ich das als unsexy, woraufhin mir meine Mutter einen Fallschirm nähte. Das war eigentlich eher ein Gleitschirm, der schon geöffnet war. Dieser kam dann auch tatsächlich zum Einsatz. Doch die etwa fünf bis sechs Meter hohe Gartenstützmauer, die ich runtersprang, war schräg und nicht senkrecht, also kam ich gar nie in einen Zustand des Gleitens, sondern landete sehr bald in der Schürfphase. Dementsprechend sah ich nach der Landung auch aus, sodass mich meine Mutter nach dem Sprung mit sehr viel Merfen versorgen musste.

Warum durften Sie als Kind kein Velo haben?

Nach diesem Fallschirmerlebnis fand man, dass es zu gefährlich sei, wenn ich auch noch Velo fahre. Ich gründete darauf mit vier Kollegen eine Anti-Velo-Partei, mit der ich mich einmal pro Woche im Kleiderschrank traf. Der eine wurde dann abtrünnig, indem er sich ein Töffli anschaffte.

Was lehrt die Jugend?

Hmm ... (überlegt lange) Die Jugend ist das Fundament von allem. Die Erziehung hilft, dass man auf die vermeintlich richtige Bahn gerät. Meine Eltern hatten den Pfeilbogen stark gespannt und gut gezielt. Daher flog ich auch lange ziemlich schnell in die richtige Richtung. Doch irgendwann wollte ich meine eigene Richtung einschlagen und wurde eher zu einer selbstgesteuerten Drohne.

Eine Jugendsünde, die Sie Ihren Eltern nie gebeichtet haben?

Da kommt mir nichts in den Sinn.

Wissen Ihre Eltern davon, dass Sie als Bub mit einer Pressluftflasche unter den Sprungturm tauchten, um zu gucken, wie es den Mädchen beim Köpfler die Badehosen abriss …

Ja, das ist so. Zusammen mit einem Freund paddelten wir in die Badi Wollishofen. Dort tauchten wir in die Grube unter dem Sprungturm und hofften, dass ein Mädchen im Bikini herunterspringt und wir so etwas sehen können. Doch haben wir dabei so lachen müssen, dass wir vor lauter Luftblasen gar nichts sehen konnten. Daher gehöre ich zu jenen Tauchern, welche die Maske sehr schnell ausblasen können.

Wirklich wahr, dass Sie zusammen mit Ihren Eltern als Teenager eine Taucherausrüstung gebaut haben?

Ja, das war eine andere Fernsehserie, die mich dazu inspirierte: «Die Tintenfische». Das waren Detektive. Überhaupt war ich in meiner Jugend ein Detektiv. Zusammen mit meiner Mutter baute ich aus einer Thermosflasche eine Taucherflasche.

Sie sollen dabei fast ertrunken sein, weil die Konstruktion nicht wirklich professionell war.

Das sagt ja schon alles: Mit dieser Taucherausrüstung konnte man natürlich nicht richtig tauchen. Statt Luft atmete ich sehr schnell Wasser ein.

Frank Baumann über seine heimliche spiessige Seite: «Ich bin ein grausamer Bünzli. Am zufriedensten bin ich, wenn ich in meinen vier Wänden sitze, einen Tee oder ein Glas Wein trinke. Und man mich in Ruhe lässt. Ich bin gar nicht so, wie man mich aus den Medien erwartet.»
Frank Baumann über seine heimliche spiessige Seite: «Ich bin ein grausamer Bünzli. Am zufriedensten bin ich, wenn ich in meinen vier Wänden sitze, einen Tee oder ein Glas Wein trinke. Und man mich in Ruhe lässt. Ich bin gar nicht so, wie man mich aus den Medien erwartet.»
Bild: Christian Thumshirn

Wie muss man sich den 14-jährigen Frank vorstellen: Lange Haare? Jeansjacke? Kiffer?

Da muss ich schnell überlegen. Mit 14 wollte ich eigentlich schon 21 Jahre alt sein. Lange Haare hatte ich nie. Gekifft habe ich in diesem Alter auch nicht. Dafür rauchte ich mit acht bereits Zigarren. Das hat mir dann für eine Zeit lang gereicht, sodass ich recht lang nicht mehr rauchte.

Je als Jugendlicher zugeschlagen?

Ja, aber nicht im heutigen Sinn, wo sich Jugendliche teilweise regelrecht vermöbeln. Das war damals eher jemanden in den Schwitzkasten nehmen oder die Muskeln reiben.

Je selber geschlagen worden?

In der Schulzeit nicht. Höchstens ein bisschen rumgebalgt, wie es normal ist auf dem Pausenplatz.

Werden Sie laut, wenn Sie streiten?

Nein, dann werde ich eher leise. Ich streite überhaupt nicht gern. Das regt meine Frau immer so wahnsinnig auf. Ist das die nächste Frage?

Nein, Ihre Frau kommt noch lange nicht dran.

Gut.

So grundsätzlich: Sie können eigentlich alles, das man nicht braucht. Sie sind eigentlich der geborene Entertainer.

Ja, das könnte man so sagen. Ich bin natürlich ein Auslaufmodell inzwischen. Aber eine Zeitlang war ich mit meinem Talent begünstigt, eine Karriere als Entertainer einzuschlagen.

Können Sie auch etwas normal oder gut? Oder müssen Sie immer alles im Leben super gut können?

Es ist nicht so, dass ich etwas super gut können will. Ich habe kein Wettkampf-Gen. Ich versuche das, was ich kann, in meinem eigenen Wertesystem so gut als möglich zu machen.

Sie sind in Zürich-Wollishofen aufgewachsen, also praktisch auf dem See. Sie können aber nicht Wakeboarden, weil Sie nicht aus dem Wasser kommen. Peinlich, nicht?

Das ist eine infame Unterstellung. Ich bin einmal in dieses Wakeboarden reingekommen. Ich war dort wie eine Eins drin und bin super gestanden. Auf dem Land. Im Wasser kam noch das Wasser dazu. Und in einem See hat es bekanntlich «uhuere» viel Wasser. Und irgendwie war das ganze Wasser gegen mich. Das war bei einem Fotoshooting für die «Schweizer Illustrierte». Das Bild erschien dann nicht. Hey, ich kann wirklich viel. Ich fahre auch gern Ski. Und ich kann alles, das man nicht können muss. Aber dieses «huere» Wakeboard brachte ich tatsächlich nicht aus dem See. Und je länger man übt, desto länger werden die Arme.

Und je müder wird man …

Ja, natürlich.

Erinnern Sie sich an die erste Musikplatte, die Sie gekauft haben?

Eine der ersten, an die ich mich erinnern kann, ist «Grüezi Wohl Frau Stinimann» von den Minstrels. Daran erinnere ich mich deshalb besonders, weil es in der Hülle dieser Single ein Loch drin hatte, wo man die Finger durchstrecken konnte, um die Beine der Frau Stirnimann darzustellen. Und irgendwann kam dann Cliff Richard.

Die Minstrels waren eine Schweizer Musikgruppe. Die Band bestand aus Daniel «Dani» Fehr, Mario Feurer und Pepe Solbach.

Quelle: YouTube

Welches war das letzte Musikalbum, dass Sie gekauft haben?

Die letzte CD war das Hörbuch «Pu, der Bär», eine grossartige Hör-CD, die bei Kein & Aber erschienen ist. Die habe ich mir zwischen Weihnachten und Neujahr beim Kochen angehört. Von Harry Rowohlt gelesen, der dazu sicher drei Flaschen Whisky getrunken hat.

Hören Sie Musik, wenn Sie traurig sind?

Ich höre immer Musik, egal, ob traurig oder nicht. Ich kann es nicht zuordnen. Zum Beispiel Melissa Horn, eine Schwedin, bei der ich zwar kein Wort verstehe. Dann höre ich auch viel klassische Musik. Doch was ich als Letztes gehört habe, könnte ich nicht sagen.

Kann Musik Sie wütend machen?

(Überlegt lange) Wütend eher nicht. Eher, dass ich eine bestimmte Musik doof finde.

Hat Sie Musik auch schon zu Tränen gerührt?

Vielleicht eher wegen der Umstände, in denen ich die Musik gehört habe. Zum Beispiel jenes Lied, das drei Leute an der Hochzeit meiner Tochter gesungen haben. «Irgendeinisch fingt ds Glück eim» von Züri West. Das fand ich sehr berührend.

Ihre heimliche spiessige Seite?

Ich bin ein grausamer Bünzli. Am zufriedensten bin ich, wenn ich in meinen vier Wänden sitze, einen Tee oder ein Glas Wein trinke. Und man mich in Ruhe lässt. Ich bin gar nicht so, wie man mich aus den Medien erwartet. Und schon gar nicht so, wie wir es in der Fernsehsendung «Ventil» gemacht haben. Ich bin eigentlich ziemlich langweilig.

Bereits die erste Folge der TV-Sendung «Ventil» 1996 löste eine heftige Kontroverse aus. Die Medienpersiflage kam bei den einen gar nicht an, bei anderen erreichte die Sendung Kultstatus.

Bild: YouTube

Stehen bei Ihnen zu Hause Familienfotos auf der Kommode?

Nein, keine.

Was spricht für die Existenz von Gott?

Wenig.

Jemals den Teufel getroffen?

Nein.

Ihre Schnellkritik am Papst?

Klemmschwester. Hat ein Freund von mir gesagt.

Der Freund oder der Papst?

Beide (lacht), nein, der eine eben nicht. Und «Sugar Daddy» hat der Freund dem Papst auch noch gesagt, als er am Christopher Street Day eine Rede hielt.

Sie müssen am nächsten Sonntag eine Predigt halten. Welchen Bibelspruch wählen Sie?

Ich würde keinen Bibelspruch wählen, sondern ich würde zu erzählen probieren, was auf dem Hügel in Golgatha so lief. Jetzt lese ich nämlich gerade ein spannendes Buch, in dem ein Historiker total emotionslos, nur mithilfe von Forensikern und Medizinern erläutert, weshalb Jesus vermutlich nicht am Kreuz starb.

Wieso ist das spannend?

Es ist ein super Buch, das sich wie ein Krimi liest. Einzelne Seiten muss man 14 Mal lesen, weil all diese Apostel auftauchen, die man nicht zuordnen kann.

Kennen Sie die zehn Gebote aus der Bibel auswendig?

Nein.

Dann machen wir doch gleich ein Spiel: Wie viele der zehn Gebote haben Sie bisher gebrochen? Fangen wir beim ersten Gebot an ...

1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Habe ich insofern gebrochen, als dass ich gar keine Götter habe.

2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.

Das wäre dann ja eigentlich so, als hätte ich es schon gebrochen.

3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen.

Welcher Tag ist das? Der Sonntag? In diesem Fall gebrochen.

4. Du sollst Vater und Mutter ehren.

Ja, das vierte Gebot habe ich voll im Griff.

5. Du sollst nicht töten.

Über alles betrachtet: mehrfach gebrochen. Ich habe eine Sendung gemacht über das Fischen. Dann dachte ich mir, weshalb muss ich jetzt diesen Fisch am Schluss abmurksen?

Also haben Sie ihn wieder reingeworfen?

Das ist jetzt ganz schwierig: Catch and release … Der Wettkampf: Wer ist jetzt stärker, der Fisch oder ich … Jetzt mache ich mir ganz viele Feinde bei Anglern: Aber den Fisch von der Angel nehmen und sagen: Tschüss und auf Wiedersehen, da habe ich null Verständnis! Also wenn schon: Rausnehmen und futtern.

Die TV-Sendung von Frank Baumann über das Fischen kam ohne viele Worte aus: «Ein Fisch für 2».

Bild: YouTube

6. Du sollst nicht ehebrechen.

Ehebruch ist unnötig.

7. Du sollst nicht stehlen.

Mehrfach gebrochen.

8. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.

Tendenziell nicht gebrochen. Aber es ist sicher schon mal vorgekommen.

9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.

Was jetzt das!? Begehren oder kopulieren!? Das sind Welten! Bei begehren sehe ich jetzt kein Problem.

10.  Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.

Überhaupt nicht. Ich bin absolut neidfrei. Ich freue mich, wenn einer eine schöne Jacke anhat.

Würden Sie sich als klug bezeichnen?

Nein.

Zu welcher Tageszeit haben Sie die besten Ideen?

Es gibt zwei Formen, Ideen zu haben. Die eine ist: Gezielt nach einer Idee zu suchen und diese nach langer Forschung zu finden. Und das andere ist bei niederen Tätigkeiten wie dem Duschen oder beim Abwaschen. Wenn das Hirn leer und entspannt ist, dann fällt einem etwas zu. Das ist bei mir unabhängig von der Tageszeit.

Vor 20 Jahren behaupteten Sie: «Bei allem, was ich mache, ob privat oder geschäftlich, geht es mir weniger um Geld und Ruhm, sondern in erster Linie um Spass.» Hat Sie das Alter geschäftstüchtiger werden lassen?

Nein, nein nein (schmunzelt). Das interessiert mich leider nicht.

Immerhin wissen Sie heute, wie Kosten sparen funktioniert: Sie sind kürzlich mit Ihrer Frau aus einem grossen Haus in eine kleine Wohnung gezogen. Wie hat der Umzug funktioniert?

Ich musste natürlich wahnsinnige Opfer leisten. Ich musste viel Material in die Mulde geben. Von 18 Golfschlägern habe ich radikal auf 14 reduziert. Klar, wenn man von 300 auf 54 Quadratmeter zügelt, muss man einiges liegen lassen. Doch das ist ein befreiender Prozess. Und meine Frau ist eher eine Wegwerferin, daher half sie mir gut mit. Selbstverständlich vermisste ich bereits am nächsten Tag etwas, das wir weggeworfen haben.

Gut eingelebt in der neuen Wohnung?

Ja, das ist lustig. 54 Quadratmeter, das ist schon sehr klein. Und das auf zwei Stockwerke verteilt. Es ist wie in einer Studentenwohnung. Lässig.

Welche philosophische Einsicht ist Ihnen beim Blick aus Ihrem neuen Wohnzimmerfenster gekommen?

Immer und immer wieder geht die Sonne auf.

Sie sollen ein äusserst pingeliger Mensch sein. Als Jungfrau mit Aszendent Zwillinge sei der Ordnungsfimmel Ihre Achillesferse ...

Wenn man weniger hat, dann muss man auch weniger suchen. Aber es scheisst mich an, Schlüssel zu suchen. Daher kaufte ich meiner Frau etwas ganz Lässiges: Einen Anhänger, bei dem ich ihr mit einem Pieps helfen kann, den Schlüssel zu finden. Denn das geht gar nicht: Bei schönstem Golfwetter unter Zuhilfenahme eines Hundes vier Stunden lang einen Schlüssel zu suchen, der dann schlussendlich an der eigenen Haustüre aussen im Schloss steckt.

Ihre Frau verlegt gern und oft Dinge – das ist bekannt …

Ja, aber manchmal wurde auch etwas gestohlen. Beispielsweise neulich ein grosses Portemonnaie. Da suchten wir lange und wollten sogar die Polizei zuhilfe nehmen. Doch das war dann schliesslich nicht nötig, weil beim Abbremsen des Autos in einer Rechtskurve unter dem Beifahrersitz plötzlich das rote Portemonnaie hervorgerutscht ist.

Putzfrau – ja oder nein?

Wir haben jemanden, die uns seit vielen Jahren begleitet. Doch ist sie eher eine Haushälterin, die zu einer Freundin wurde. Das ist ganz toll.

Lesen Sie Horoskope?

Nein.

Was lesen Sie beim Coiffeur?

Ich habe einen neuen Coiffeur. An unserem neuen Wohnort hat es 34 Coiffeurgeschäfte. In einem ganz kleinen Dorf. Und ich bin jetzt bei einem irakischen Türken, der gerade vis à vis von meinen Büro ist und nur 25 Franken kostet. Tuttiquanti. Dann sagte ich ihm: Ist das nicht bitzli wenig, 25 Franken? Dann sagte er: «25 Minut. 25 Frank. Gut Geschäft.» Wir verstehen uns prima.

Und was lesen Sie dort?

Nichts! Ich muss aufpassen, wenn der mit seinem Messer rumhantiert. Hallo!?

Wie geht es Ihrer Schuhe- und Bücher-Manie?

Bücher habe ich jetzt alle im Geschäft und keine mehr zuhause. Viele Bücher habe ich ja doppelt an unseren beiden Wohnsitzen in den Bergen und im Unterland. Denn ich will ein Buch sofort zur Verfügung haben und nachblättern können. Ich finde es wahnsinnig geil, ein Buch in den Händen zu haben. Das Produkt Buch fasziniert mich enorm.

Und Schuhe: Da habe ich etwas reduziert. Doch finde ich die einfach spannend. Der Schuh ist die direkte Verbindung zum Boden. Es ist eine grosse Kunst und Gabe, schöne Schuhe zu machen. Ich habe verschiedene Schuhe, das muss ich zugeben. Einmal bekam ich ein Paar massgeschneiderte Schuhe geschenkt. Als ich diese anprobieren ging – mehrfach, wie sich das gehört –, sagte mir dieser Verkäufer, ein Engländer: Wo immer sie hingehen, nehmen sie diese Schuhe mit. Das fährt schon ein.

Wie viele gute Bücher haben Sie in diesem Jahr schon gelesen?

Also die eigenen miteingerechnet?

Also die schreibt man ja. Die muss man nicht mehr lesen.

Also nein, wenn man es schreibt, muss man es auch lesen. Sogar 15 Mal, weil man es auch Korrekturlesen muss.

Dann sagen wir die externen, nicht die eigenen.

Gute Bücher: zwei. Jetzt bin ich eben an diesem wahnsinnigen Jesus-Buch dran, das ich erwähnt habe. Dann bin ich noch an einem über Gut und Böse. Aber ob es dieses braucht ... Und an einem dritten Buch zum Thema «Warum».

Welche Bücher haben Sie mehr als zweimal gelesen?

Ein paar. Zum Beispiel «Die Korrekturen» von Jonathan Franzen.

Wird Lesen eher einfacher oder anstrengender mit den Jahren?

Es wird einfacher, weil man mehr Übung hat. Es wird anstrengender, weil man sich einen anspruchsvolleren Stoff aussucht zum Verarbeiten.

Dürfen Haustiere in Ihrem Bett schlafen?

Selbstverständlich nicht.

Wann sind Sie still – ausser im Schlaf?

Ich bin nicht immer still im Schlaf. Es wird mir vorgeworfen, dass ich spreche im Schlaf. Aber ich schwatze dann nicht.

Wann zeigt sich Ihre Eitelkeit?

Ich behaupte zwar immer, dass ich nicht so eitel bin. Aber das stimmt natürlich nicht. Um es am Beispiel der Schuhe zu zeigen: Meine Schuhe sind immer schön säuberlich und liebevoll geputzt.

Die Gesprächspartner Baumann und Bötschi scheinen nicht nur den gleichen Geschmack (Schuhmarke Zeha), sondern auch das gleiche Hobby zu haben (Schuhe putzen).
Die Gesprächspartner Baumann und Bötschi scheinen nicht nur den gleichen Geschmack (Schuhmarke Zeha), sondern auch das gleiche Hobby zu haben (Schuhe putzen).
Bild: Nico Morawitz

Welchen Luxusartikel haben Sie sich in letzter Zeit gegönnt?

Die Frage müsste lauten: Welchen habe ich mir nicht gegönnt!? Wir sind ja gezügelt. Ich darf mir nichts mehr gönnen. Ich habe so viele schöne Golfschläger gesehen, die ich brauchen könnte. Aber Luxusartikel gegönnt …? Ich habe keine teuren Uhren mehr gekauft, keine Füllfeder. Mir kommt nichts in den Sinn … Wieso, weiss man etwas?

Sie dürfen drei Dinge auf eine einsame Insel in die Ferien mitnehmen: Welche drei wären das?

Golfschläger. Tee. Und meine Frau. In umgekehrter Reihenfolge.

Wo waren Sie am 15. Juni 1988?

Geheiratet. Das war jetzt eine einfache Frage.

Wo waren Sie am 9. November 1989?

(Überlegt lange) Da kommt mir nichts in den Sinn.

Mauerfall Berlin …

Aber hallo, Kollege. Was haben Sie dann gemacht? Da springen Sie von der Hochzeit mit meiner Frau auf den Mauerfall. Am 29. November 1988 ist meine Tochter zur Welt gekommen. Daher dachte ich, dass Sie falsch recherchiert haben.

Haben Sie keine Ahnung, wo Sie an diesem Tag waren?

Ich arbeitete.

Wo waren Sie am 31. August 1997?

Schweizerzeit? Geschlafen. Nichtbeherrschen des Fahrzeugs.

Und wer ist gestorben?

Eure Göttin! (Lady Diana, Anmerkung der Redaktion)

Wo waren Sie am 11. September 2001?

Da weiss ich ganz genau, was dann passiert ist, weil damals eine Mitarbeiterin von mir eine Kassette in den Videorecorder reingesteckt hat, den es damals noch gab, und wir wollten etwas visionieren. Dann sagte ich zu ihr: Was ist das denn für ein Actionfilm!? Bis ich kapierte, dass dies ein feinchirurgischer Eingriff ist in die Twin-Towers.

Vermissen Sie die Unbeschwertheit der Kindheit?

(Überlegt lange) Sie wird mir mehr bewusst. Es ist so schön, wenn wir unsere Enkelin sehen. Diese Unbeschwertheit ist das Privileg der Kindheit.

Behauptet wird, dass das Wichtigste sei, so lange wie möglich Kind zu bleiben. Sehen Sie das auch so?

Ja.

Was treibt Sie an, immer weiterzumachen?

Man ist immer auf der Suche nach irgendetwas Schönem. Oder man möchte etwas noch perfekter machen. Ich glaube, dass man sich von Mal zu Mal die Messlatte höher setzt. Also muss man sich immer mehr anstrengen. Der einzige, der das perfekt gemacht hat, ist der berühmte Stabhochspringer Sergej Bubka. Der sprang absichtlich nicht so hoch, wie er es eigentlich vermocht hätte, damit er beim nächsten Mal einen neuen Weltrekord aufstellen konnte.

Ihr grösstes Handicap im Leben?

Vielleicht ist es das, der Zeit oft ein bisschen voraus zu sein, sei es mit einem Trend oder bei etwas, das erst zwei oder drei Jahre später angesagt ist. Ich war oft zu früh dran. Und natürlich eben, dass ich so pingelig bin und so präzise sein möchte. Das ist für mich, aber auch für die Mitmenschen, manchmal nervig.

Wirklich wahr, dass Sie vor ein paar Jahren ein einjähriges Sabbatical einlegten und während dieser Zeit nur Golf gespielt haben?

Es war kein Sabbatical, und ich habe auch nicht nur Golf gespielt. Aber sehr viel. Denn das hat mich fasziniert. Es hätte auch Geigenspielen sein können.

Ihr Golf-Handicap?

Es ist relativ niedrig. 3,8. Aber ich habe einen Aufwärtstrend.

Warum spielen Sie Golf?

Es gibt verschiedene Facetten, die mich faszinieren. Da ist auf der einen Seite die körperliche Ertüchtigung, dass man draussen ist und sich in einer schönen Landschaft bewegt. Dazu kommt, dass man sehr oft eine gute Küche geniesst und netten Menschen begegnet. Was ich an diesem Sport zudem sehr faszinierend finde, ist die unglaubliche Schwierigkeit. Es ist die zweitschwierigste Sportart, die es gibt. Obwohl es etwas total Unnützes ist, da man mit komplett falschem Material spielt, das überhaupt nicht geeignet ist: ein viel zu kleiner Schläger und ein viel zu kleiner Ball in ein viel zu kleines Loch. Und dann noch versuchen, eine Ästhetik reinzubringen. Das hat schon etwas Faszinierendes.

Welches ist denn die schwierigste Sportart?

Stabhochsprung.

Wirklich wahr, dass wegen Ihrer Golf-Leidenschaft fast Ihre Ehe in die Brüche gegangen wäre?

Ja, aber nur wegen meiner Frau. Sie dachte eine Zeit lang, dass sie sich von mir scheiden lassen möchte. Aber das wollte sie nicht richtig.

Das Golf-Handicap Ihrer Frau?

Irgendetwas mit 20.

Das Handicap von Ihrem Sohn?

Ich glaube 9. Aber den interessiert es nicht. Oder nicht so richtig. Er hat halt nicht diesen Ehrgeiz. Er möchte einfach möglichst lang spielen.

Das Handicap Ihrer Tochter?

Sie hat Platzreife.

Gibt es einen grösseren Wert als Familie?

Nein.

Welches Familienbild tragen Sie immer bei sich?

Im Kopf oder physisch? Familienfoto keines. Nein.

Als junger Vater gründeten Sie eine Zeltmission: Väter gehen mit ihren Kindern an Pfingsten an einem Flüssli zelten.

Jawohl. Das waren 35 Väter mit der doppelten Anzahl Kinder und noch ein paar Hunden. Und die gingen an Pfingsten zelten ohne die Frauen. Wir begannen damit 1991. Die Rahmenbedingung waren: Bordeaux unter 1991, kubanische Zigarren und keine Frauen. Zu Beginn nahm einfach jeder den besten Wein mit, allerdings hatten wir keine Gläser, daher mussten wir bei den Pet-Flaschen den Boden abschneiden, in dem wir dann die teuersten Weine schwenkten. Alle stanken nach demselben Rauch. Einzelne rauchten tonnenweise noch anderes Material. Wir kümmerten uns eigentlich gar nicht richtig um die Kinder, weil die sich untereinander einigten. Unsere Tochter sagte dann einmal zu ihrer Mutter nach einem solchen Wochenende: Also weisst du, Mami, eine Frau hätte es schon ertragen.

Scheinbar ist Ihnen heute das Zelten zu unbequem. Auf jeden Fall haben Sie den Privatclub greystroke.ch gegründet. Wollen Sie über diese sehr exklusive Society überhaupt reden?

Das ist eine autonome Männervereinigung, die es seit zehn Jahren gibt. Das ist ein Golfclub aus Männern, die die gleichen Interessen vertreten und einmal im Monat einen Anlass veranstalten. Schlauerweise jeden zweiten Monat mitsamt Frauen. Das hat zur Folge, dass die Frauen wissen, wer diese Männer sind. Das gibt dem Ganzen eine gewisse Ruhe. Dann kann man auch mal ein Reisli machen. Man kann nicht einfach so Mitglied werden, sondern man wird berufen. Es hat bekannte und unbekannte dabei. Und niemand weiss, weshalb er Mitglied ist.

Wofür hätten Sie gern mehr Zeit?

(Überlegt sehr lange) Ich lebe sehr stark im Moment. Jetzt bin ich nur hier und nirgendwo anders. Daher: Eigentlich brauche ich gar keine Zeit für etwas anders. Trotzdem hätte ich manchmal gern mehr Zeit für die blosse Kontemplation. Einfach irgendwo nur sitzen. Ein Freund von mir stellte fest, dass es kaum noch Leute gibt, die einfach irgendwo nur auf der Bank sitzen. Zuerst dachte ich, was ist denn das für eine merkwürdige Feststellung!? Aber tatsächlich ist das so! Es gibt keine Leute, die einfach nur da sitzen und sagen: Guten Tag! Klar, mit der heutigen medizinischen Versorgung ist man nicht mehr so gehbehindert, dass man sitzen muss. Aber den Moment des Nichtstuns gibt es nicht mehr. Alle haben ein Handy in der Hand und lesen auch keine Bücher mehr. Ich kam mit dem Zug hierher. Eine Person hatte ein Buch in der Hand. Die anderen schauten alle in dieses Kistchen hinein und töggelten herum.

Frank Baumann über sein Lieblingsfrühstück: «Ein schönes, frisches, selbst gebackenes Brot. Und dazu Aprikosen- oder Quittenkonfitüre. Und ein Darjeeling-Tee von Reichmuth von Reding.»
Frank Baumann über sein Lieblingsfrühstück: «Ein schönes, frisches, selbst gebackenes Brot. Und dazu Aprikosen- oder Quittenkonfitüre. Und ein Darjeeling-Tee von Reichmuth von Reding.»
Bild: Christian Thumshirn

Die härteste Arbeit, die Sie mit Ihren Händen getan haben?

Das waren viele Arbeiten. Ich erinnere mich spontan grad ans Militär, wo wir sinnlose Gräben schaufeln mussten.

Ihr Lieblingshausarbeit?

Ich wasche noch gerne ab, im Fall.

Welche Hausarbeit hassen Sie aufs Blut?

Staubsaugen finde ich doof.

Was ist immer in Ihrem Kühlschrank zu finden?

Es ist ja ein Gruppenkühlschrank. Meine Frau benutzt den ja auch. Ich würde sagen: Käse.

Welches Haushaltgerät gehört in jede Schweizer Küche?

Ein Sparschäler.

Für Spargeln?

Nein, für Kartoffeln. Der ist ja im Museum of Modern Art. Der hat neben dem Schäler noch eine kleine Ausbuchtung, mit der man die Augen aus den Kartoffeln entfernen kann. Das ist ein Hightech-Tool.

Ihr Lieblingsfrühstück?

Ein schönes, frisches, selbst gebackenes Brot. Und dazu Aprikosen- oder Quittenkonfitüre. Und ein Darjeeling-Tee von Reichmuth von Reding.

Ihr absolutes Lieblingessen im Restaurant?

Ich habe in verschiedenen Restaurants verschiedene Lieblingsessen.

Kronenhalle Zürich?

Leberli mit Kartoffelstock. Im «Rössli» in Lachen Rindsdingsbums an einer Pommery-Senfsauce. In Vals, im «Edelweiss», Cordonbleu mit Spätzli.

In Gockhausen?

Da wurde zuhause gekocht, als wir noch dort wohnten.

Lieblingessen daheim selber gekocht?

Wenn ich selber koche: ein Rindsfilet einfach so in die offene Glut gelegt, ohne Grill, einfach zack, in die weisse Glut. Und sonst: Penne Carbonara, aber die macht meine Frau. Und Aprikosenwähe, oder eine mit Zwetschgen, die richtig sauer sind, die ist auch sehr gut.

Wirklich wahr, dass Sie manchmal Gäste einladen, davor im Restaurant Essen bestellen und am Abend dann so tun, als hätten Sie selber gekocht?

Das gab es eine Zeit lang. Jetzt sind wir gezügelt, daher machen wir das nicht mehr. Asiatisch, hervorragend, beim besten Kambodschaner weltweit. Ich trug dazu immer die Schürze, damit der Eindruck entstand, dass ich das wirklich selber gekocht habe. Doch am Schluss haben wir das immer aufgelöst.

Ihre Lieblingszahl?

32.

Lieblings-App?

Keine.

Der Name Ihrer Bank?

ZKB.

Der Name eines Freundes, der abends ab und an auf ein Bier vorbeikommt?

Keiner.

Lieblings-Golfschläger?

Eisen 2.

Lieblings-Auto?

Haflinger.

Wie lautet Ihre Kurzkritik an der SBB?

Super. Keine Kritik.

Lieblings-Töff?

(Weinerlich) Ich muss ja alle weggeben, weil wir keinen Platz mehr haben. Ich hätte noch eine kleine Töff-Werkstatt zu verkaufen, falls sich jemand interessiert: Moto Guzzi, BMW, Harley …

Midelifecrises – oder warum fahren Sie seit einigen Jahren Harley-Davidson?

Nein, ich fahre wegen der Midlife-Crises seit einigen Jahren nicht mehr Harley. Aber ich habe sie immer noch.

Wirklich wahr, dass Sie mit Ihren Harley-Freunden nach Rom gefahren sind und gesündigt haben ...

Wir haben überhaupt nicht gesündigt. Wir haben gesegnet!

Sie sollen Priesterhemden angezogen und auf dem Petersdom Gläubige gesegnet haben.

Was soll man denn sonst machen – wenn man dort ist, muss man doch segnen! Alles andere wäre unanständig. Wir haben diese Priesterhemden ja nur deshalb angezogen, weil wir nicht auffallen wollten. Und in Rom fällt man mit Priesterhemden überhaupt nicht auf.

Es soll sogar Bilder von dieser Aktion auf Ihrem Handy geben ...

Natürlich wollten sich viele mit uns fotografieren lassen. Leider oft die falschen. Und dann stand ich einfach neben einer Frau, damit es ein anständiges Foto gibt von mir. Jetzt spule ich etwas vorwärts. Das war die Zeit, als der Papst sehr krank war. Zur Audienz kam es nicht. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb wir das geplant haben. Das ist jetzt zu kompliziert, das zu erklären. Also gingen wir in den Petersdom und segneten all jene, die danach verlangten: «In domino patris et filii et spiritus sancti amen.» Die erste, bei der ich das machte, sagte mir: Können sie das nicht mit der rechten Hand machen. Da ging ich zu meinem Spiritus Rector, ein sehr berühmter Schönheitschirurg. Er sagte mir: Du musst den Daumen nass machen! Also machte ich das, und alle waren glücklich.

Frank Baumann über die Schüler-Klimastreiks: «Sie müssen das machen, weil sie sich dann politisieren und engagieren für irgendetwas. Und nicht einfach abhängen. Die Schule ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, dass sie sich politisieren und eine Meinung haben.»
Frank Baumann über die Schüler-Klimastreiks: «Sie müssen das machen, weil sie sich dann politisieren und engagieren für irgendetwas. Und nicht einfach abhängen. Die Schule ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, dass sie sich politisieren und eine Meinung haben.»
Bild: Christian Thumshirn

Und es hat niemand gemerkt, dass Sie und Ihre Freunde keine echten Priester sind?

Nein, alle waren happy. Und dann wollten wir in die vatikanischen Gärten und kamen nicht weiter. Schliesslich landeten wir bei einem Schweizer Gardisten, der sagte, dass wir da nicht einfach durchkönnen, sondern Eintritt bezahlen müssten. Doch dann kam Pater Norbert, einer meiner engsten Freunde, und sagte: Komm, wir sind Patres aus der Schweiz und mit unseren Harleys viele tausend Kilometer gefahren, um die vatikanischen Gärten zu sehen. Dann packte ihn der Schweizer Gardist an den Schultern und sagte: «Du bist Nörbi von Vals. Ich bin der Sohn von Malermeister Furger.» Er liess uns dann trotzdem nicht in die vatikanischen Gärten, doch gab er uns eine kleine Privatführung.

Was zeichnet die Menschen aus, mit denen Sie besonders gut klarkommen?

Interesse.

Ihr revolutionärster Gedanke als 14-jähriger Teenager?

Papst zu werden.

Wird es echt wärmer oder bilden wir uns das nur ein?

Es wird wärmer.

Stehen wir mit dem Rücken zur Wand?

Nahe dran.

Wie viel Mal waren Sie schon an den aktuellen Schüler-Klimademos dabei?

Nie.

Würde der junge Frank sich an den heutigen Klimademos beteiligen?

Sicher. Weil es dann schulfrei gegeben hätte.

Welches war die letzte Demo, an der Sie mitgemacht haben?

Gegen Fluglärm. Ich habe damals eine Werbekampagne gemacht fürs BUWAL, das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft. Es ging darum, den Menschen zu sagen: Weniger Abfall bedeutet mehr Lebensqualität. Und damals ging es auch ums Klima. Im Laufe der Kampagne wurden ständig mehr Gelder gestrichen. Daher entstand der Eindruck, dass in der Politik jeder nur auf seinen eigenen Garten schaut.

Und am Sonntag, 7. Januar 1985, Sie waren damals Radio-24-Moderator, haben Sie den Zürcher Skilanglauf organisiert.

Ah, genau. Damals schneite es wie verrückt. Zürich lag tief im Schnee. Also machten wir einen Aufruf: Kommt mit den Langlaufskiern zur Saffa-Insel. Von dort gingen wir mit den Langlaufskiern ins Niederdorf und darauf bis ins Zürichhorn und wieder zurück. Das war unglaublich geil. Eine unbewilligte Demo. Und die Polizei konnte gar nicht eingreifen, weil sie gar nicht fahren konnte bei so viel Schnee. Das war ein bizarrer Moment, mit den Langlaufskiern durch die leere Stadt zu gleiten. Das war hervorragend. Die Leute, die damals dabei waren, reden noch heute davon.

Was würde der junge Frank über das Leben des heutigen Franks denken?

Boah! Was würde ich wohl denken über einen solchen … Vielleicht: Hey, das ist eigentlich noch cool, was der so alles gemacht hat, und wie er noch relativ jung wirkt in seinem Tun. Vielleicht würde er aber auch sagen: Der ist aus einer anderen Zeit. Ich überlege mir grad, wie habe ich damals ältere Moderationskollegen oder Fernsehleute angeschaut. Häufig war es ja so, dass man jene, die noch in diesem Job drin waren, als jene betrachtete, die dir den Platz versperren. Das könnte ich doch genauso gut wie der! Doch diesen Gedanken kann ich über mich nicht haben. Weil ich für Junge ja keinen Platz mehr versperre. Das ist ja das Hauptproblem bei diesen ganzen Medien- und Fernsehleuten. Dass alte Säcke den Platz versperren. Ist so die Frage gut beantwortet? Ich habe mir Mühe gegeben.

Ja, man merkt’s.

(Lacht)

Finden Sie auch, die Schülerinnen und Schüler würden gescheiter am Freitag in die Schule gehen, als sich mit den Klimastreiks den Verkehr in den Städten aufzuhalten?

Nein, auf keinen Fall, gopferteli! Sie müssen das machen, weil sie sich dann politisieren und engagieren für irgendetwas. Und nicht einfach abhängen. Die Schule ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, dass sie sich politisieren und eine Meinung haben. Daher finde ich diese Kundgebungen auf der Strasse sehr wichtig.

Was tun Sie konkret, um den Klimawandel aufzuhalten?

Also erstens leben meine Frau und ich sehr bewusst. Wir ernähren uns bewusst, kaufen vernünftige Produkte ein. Wir fahren nicht nur mit dem Auto herum, sondern benutzen den öffentlichen Verkehr. Wir kompostieren und rezyklieren. Wir versuchen unser Leben, das wir haben, bewusst zu leben.

Wie erklärten Sie Ihren beiden Kindern die Ungerechtigkeiten, die es auf der Welt gibt?

Ganz simpel: Das ist gut, und das ist schlecht. Später stellte sich natürlich die Frage: Gibt es denn überhaupt das Gute und das Schlechte?

Wenn Sie nochmals Vater würden ...

Dann hätte ich einen kleinen Erklärungsnotstand.

... was würden Sie bei der Erziehung Ihrer Kinder anders machen?

Nichts.

1996 sagten Sie in einem «Schweizer Illustrierten»-Porträt: «Ich wünsche meinen Kindern, dass sie zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften pendeln können. Sie sollen mit einem Rocker genauso gut auskommen wie mit einem Generaldirektor.» Ihre Kinder sind jetzt erwachsen. Und: Haben Sie Ihr Ziel erreicht?

Ja. Weil meine Frau ihren guten Charakter vererbt hat.

Und so geht's weiter:

Das «1000-Fragen-Interview» wird in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert – morgen Dienstag folgt Teil zwei, am Mittwoch Teil drei und am Donnerstag Teil vier.

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