Die Kolumne Wie Menschen Sie in den Wahnsinn treiben, ohne dass Sie es bemerken

Marianne Siegenthaler

23.5.2018

«Gaslighting» ist eine Form von emotionalem Missbrauch – vor allem in Beziehungen.
«Gaslighting» ist eine Form von emotionalem Missbrauch – vor allem in Beziehungen.
iStock

Wir alle lassen uns in privaten oder auch beruflichen Beziehungen ab und zu manipulieren. Geht die Manipulation aber so weit, dass man seine Identität verliert, spricht man vom sogenannten «Gaslighting». Gaslighting ist eine besonders starke Form der Manipulation.

Der Mensch ist gemein. Nicht jeder. Und es gibt Nuancen. Manchen bösen Menschen genügen kleine, fiese Sticheleien, um das Gegenüber emotional zu treffen.

Andere gehen sehr viel weiter: Sie wollen ihr Opfer vernichten, indem sie es in den Wahnsinn treiben. «Gaslighting» nennt man dieses Verhalten, und es handelt sich dabei um eine Form psychischer Gewalt.

Die vorsätzliche, bewusste Beeinflussung und Täuschung eines Menschen führt dazu, dass Betroffene ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen.

Begriff geht auf Psychothriller zurück

Der Begriff geht auf den britischen Psychothriller «Gaslight» aus dem Jahr 1944 zurück, in welchem der Protagonist Paul seine Frau Bella in den Wahnsinn treibt. Beispielsweise indem er behauptet, das Gaslicht flackere gar nicht und die nächtlichen Geräusche bilde sich Bella nur ein. Und er unterstellt ihr, unter Wahnvorstellungen zu leiden.

So genannte Gaslighter wollen die absolute Kontrolle und manipulieren ihre Opfer solange, bis diese an ihrer Wahrnehmung zweifeln. Im schlimmsten Fall denkt das Opfer gar, es sei verrückt geworden, weil ihm ständig vorgehalten wird, dass das, was es denkt, fühlt oder tut, falsch ist beziehungsweise nicht der Realität entspricht.

Gaslighting kann in jeder Art Beziehung stattfinden, also in einer Familie, in einer Paarbeziehung oder auch im Beruf. Besonders gefährdet sind Menschen, die kein gutes Selbstwertgefühl haben und nicht auf ihre Instinkte vertrauen. Je unsicherer jemand ist, desto eher liefert sich die Person anderen aus und kann umso leichter manipuliert werden.

Wie erkennt man es?

Woran aber erkennt man, dass man Opfer von Gaslighting geworden ist? Preston Ni, Autor des Buches «How to Successfully Handle Gaslighters and Stop Psychological Bullying» hat die typischen Symptome aufgezeigt.

«Was erzählst du denn da? Das war doch ganz anders.» Gaslighter verbreiten gerne unwahre Dinge über ihr Opfer, sodass dieses sich rechtfertigen muss und mit der Zeit den Anschein erweckt, verrückt zu sein. Die Täter wiederholen zudem ihre Anschuldigungen oder Lügen gegenüber ihrem Opfer immer wieder, sodass sich dieses früher oder später selbst in Frage stellt.

«Natürlich habe ich das erwähnt, dann hast du es eben schon wieder vergessen.» Damit wird der oder die Betroffene immer mehr in die Enge gedrängt, und wer sich dann wehrt, bekommt folgendes zu hören: «Du reagierst ja völlig hysterisch, das ist doch nicht mehr normal!»

Subtile Gehirnwäsche

Dauert dieser Zustand über längere Zeit an, kann man bereits von Gehirnwäsche sprechen. Interessanterweise setzen Gaslighter ihr Opfer nicht nur unter Druck, sondern schenken ihm je nach Bedarf auch Nähe und Geborgenheit und bestimmen so, wie sich das Opfer fühlt.

Gerne wecken Gaslighter falsche Hoffnungen, indem sie das Opfer beschwichtigen und beruhigen und sich selbst so umso glaubwürdiger zu machen: «Mach dir keine Sorgen, das kommt schon wieder in Ordnung.»

Was tun? Häufig erkennen die Opfer das Gaslighting erst, von sie von einer dritten Person darauf aufmerksam gemacht werden. Wenn man aber selber merkt, dass das Selbstbewusstsein leidet oder man an sich zu zweifeln beginnt, sollte man sich Hilfe suchen.  Sei dies bei einem Psychotherapeuten  oder aber im Freundeskreis oder in der Familie. Womöglich hat jemand selber schon Gaslighting erlebt und kann so seine Erfahrungen weitergeben.

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