Biologe im Interview Gut gehalten: So beeinflussen wir unser biologisches Alter

Mara Ittig

1.10.2017

Ob wir wollen oder nicht: Älter werden wir alle. Wie wir altern liegt neben genetischen Faktoren auch an Umwelteinflüssen und unserem Lebensstil. Wir haben mit Dr. Alexander Haslberger von der Universität Wien über den Alterungsprozess gesprochen und darüber, wie wir ihn beeinflussen können.

«Bluewin»: Herr Haslberger, was tun Sie selbst, um möglichst gut zu altern?

Alexander Haslberger: Das Leben geniessen. Daneben achte ich auf ausreichend Bewegung, mache Kieser Training und Wassersport. Ich nehme abwechselnde Nahrungsergänzungsmittel ein und achte auf meine Ernährung. Dabei orientiere ich mich vorwiegend an der ketogenen Diät und an der Slow Carb Methode.

Wie sehen diese beiden Diäten aus?

Die ketogene Diät ist eine Form der Low-Carb-Ernährung und basiert auf einer fettreichen und extrem kohlenhydratarmen Lebensmittelzufuhr. Bei der Slow Carb Methode setzt man auf sogenannte langsame Kohlenhydrate, die man etwa in Hülsenfrüchten findet.

Was heisst denn eigentlich «altern»?

Altern ist ein Vorgang, der höhere Organismen ihr ganzes Leben begleitet und in letzter Konsequenz zu ihrem Tod führt. Viele niedere Organismen altern nicht und sind potenziell unsterblich. Der US-amerikanische Gerontologe Leonard Hayflick definiert Altern als die Summe aller Veränderungen, die in einem Organismus während seines Lebens auftreten und zu einem Funktionsverlust von Zellen, Geweben, Organen und schliesslich zum Tod führen.

Kaum zu glauben, dass Jane Fonda bereits 79 Jahre alt ist. Auch wenn es sicher nicht nur die guten Gene sind, die ihr zu einem jugendlichen Auftritt verhelfen.
Kaum zu glauben, dass Jane Fonda bereits 79 Jahre alt ist. Auch wenn es sicher nicht nur die guten Gene sind, die ihr zu einem jugendlichen Auftritt verhelfen.
Bild: Keystone

Was geschieht dabei in unserem Körper?

Alterung kann als systematischer Abbau der körperlichen Funktionen definiert werden. Dieser Abbau wird durch mehrere Prozesse wie genomische Instabilität, Telomerverkürzung, epigenetische Veränderungen und mitochondriale Dysfunktion geregelt, die wiederum durch viele externe Faktoren wie Umwelt, Toxine, Radikale, Lebensstil und Ernährung beeinflusst werden können.

Telomere sind Schutzstrukturen an den Enden unserer Chromosomen, die mit jeder Zellteilung kürzer werden. Sobald die Telomere eine kritisch kurze Länge erreicht haben, hört die Zelle auf, sich zu teilen und stirbt letzlich ab. Daneben tragen etwa auch Entzündungen, die durch Stoffwechselerkrankungen wie Fettleibigkeit verursacht werden, zu Mechanismen der vorzeitigen Alterung bei.

Können wir den Alterungsprozess aufhalten?

Verhindern können wir ihn nicht. Allerdings lässt er sich durch entsprechende Interventionen - etwa einen gesunden Lebensstil - verlangsamen und krankheitsbedingtes, vorzeitiges Altern verzögern. Wachsende Erfahrungen in den Bereichen der Genetik, Epigenetik und Metagenomik ermöglichen es uns, die Gesundheitsversorgung in Richtung individualisierter Vorsorgelösungen zu lenken.

Wie wichtig ist meine persönliche Veranlagung, sprich die Gene?

Unser Alterungsprozess wird einerseits durch die genetische Veranlagung, andererseits durch äussere Umwelt-Faktoren bestimmt. Deshalb ist es auch sinnvoll, die individuellen Faktoren etwa durch Fragebögen und der Analyse von Alterungsmarker zu erfassen und auch eine individuelle Intervention anzubieten, die genau auf die Bedürfnisse des einzelnen zugeschnitten ist. In diesem Bereich tut sich im Moment gerade einiges.

Welche Rolle spielt der Lebensstil?

Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten sowie ein ausgeglichener Lebensstil mit viel Bewegung und wenig Stress sind die wohl wichtigsten Faktoren, um dem Alterungsprozess entgegen zu wirken. Wer gemäss der empfohlenen Ernährungspyramide isst und einen gesunden Lebensstil pflegt, kann vielen Erkrankungen vorbeugen und damit massgeblich etwas zum gesünderen Altern beitragen. Doch die wenigsten Menschen leben so «perfekt». Arbeit und soziale Faktoren lassen das oft gar nicht zu. Hier versucht man dann, die Konsequenzen von Fehlern durch funktionelle Nahrungsmittel zu vermindern.

Wie geschieht das?

Eine Reihe von Inhaltsstoffen mit antioxidativer Wirkung haben das Potential, Alterungsprozesse zu verlangsamen, Krankheiten vorzubeugen und die allgemeine Gesundheit zu fördern. Früchte und Gemüse sind zudem reich an Antioxidantien und enthalten Nährstoffe, die sogar DNA reparieren können. Wichtige Vertreter sind: Grüntee-Polyphenole, Soja-Metabolite, sowie Sulphoraphan aus Brokkoli und Resveratrol, das bekannt als Bestandteil des Rotweins ist.

«Timeblock» heisst so ein Produkt, das mit seiner Nährstoffkombination helfen soll, DNA-Schäden zu reparieren und Zellen zu regenerieren. In einer Tagesdosis stecken laut Herstellern die Wirkstoffe aus rund 6 Kilogramm Rohkost und drei Liter grünem Tee.

Alexander Haslberger hat die Wirkung des Präparats in einer Studie untersucht. Seine Arbeit trägt den Namen «EGCG Containing Combined Dietary Supplement Affects Telomeres and Epigenetic Regulation» und beschäftigt sich mit der Auswirkung des sekundären Pflanzenstoffes Epigallocatechingallat (EGCG), der in Grüntee enthalten ist, auf das biologische Alter.

Die Studie an der Universität Wien umfasste 110 Probanden zwischen 31 und 76 Jahren, bei denen vor und nach einer sechsmonatigen Einnahme von «timeblock« die Haupt-Marker für DNA-Schäden, Telomerlänge und Zellenergie gemessen wurden. Die Resultate seien bemerkenswert, so Haslberger. Die Telomere waren durch Timeblock durchschnittlich um 20 Prozent verlängert, ein wesentliches Alterungsmerkmal also deutlich verbessert.

Sie haben die Auswirkungen von «Timeblock» auf den Alterungsprozess untersucht. Mit 280 Franken für 2 Monate ist das Präparat nicht gerade günstig. Können sich nur gut Betuchte ein angenehmes Alter leisten?

Schon lange ist bekannt, dass Bildung, der Zugang zu Gesundheitsvorsorge und soziale Entscheidungsmöglichkeiten für Lebensstil und Ernährung massgeblichen Einfluss auf die Gesundheit haben.

Bild: Uwe Krejci

Der Begriff «Biologisches Alter» ist allgegenwärtig. Was bezeichnet das biologische Alter überhaupt?

In vielen Fällen entspricht das biologische nicht dem sogenannten chronologischen Alter. Das biologische Alter spiegelt das Tempo wieder, mit dem der Alterungs- und Reifungsprozess voranschreitet. Es ist von Individuum zu Individuum verschieden, selbst wenn sie dasselbe chronologische Alter aufweisen.

Vielen ist es wichtig, jung auszusehen. Heisst äusserlich jung auch innerlich jung?

Nein, keineswegs. Jedoch reflektiert das Aussehen eines Menschen oft sein Inneres. Allerdings ist das ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Mechanismen.

In manchen Ländern, etwa Japan, ist die Lebenserwartung signifikant höher als zum Beispiel in den USA. Weshalb gibt es Regionen, in denen die Menschen älter werden als anderswo?

So ganz verstanden haben wir das noch nicht. Es kann erbliche Gründe haben oder aber an regionalen Charakteristika wie Lebensstil, Umwelt und Ernährung liegen. Wahrscheinlich ist ein Mix aus allen diesen Faktoren.

Zur Person

Alexander Haslberger hat an der Universität Wien Biologie und Medizin studiert. Er war unter anderem als Wissenschafter für die WHO und OECD tätig und arbeitete an Projekten von Novel Foods, Umwelt- Gesundheitsinteraktionen, Epigenetik und Mikrobiologie an EU- und nationalen Forschungsprojekten sowie dem Departement für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.

Alexander Haslberger ist überzeugt davon, dass wir den Alterungsprozess günstig beeinflussen können.
Alexander Haslberger ist überzeugt davon, dass wir den Alterungsprozess günstig beeinflussen können.
Bild: zVg
Zurück zur Startseite