Restaurant-Retter Tim Rauhe«Ich habe keine Zeit, mich mit Menschen zu beschäftigen»
von Rupert Sommer/Teleschau
13.7.2024
Auf Mission und im Notfall-Einsatz: Starkoch Tim Raue und seine Frau Katharina nehmen sich in der RTL-Show «Raue – Der Restaurantretter» wieder Gastronom*innen zur Brust, die ohne Hilfe bald vor dem Aus stehen würden.
Das Paar will in TV-Sendung «Raue – Der Restaurantretter» existenzbedrohten Restaurantbetrieben aus der Krise helfen und die Betreiber*innen bei einem Neustart unterstützen.
«Alle Gastronomen und Gastronominnen, denen wir in diesen fünf Folgen geholfen haben, die wir motiviert, inspiriert und unterstützt haben, eint eine Gemeinsamkeit: Bei ihnen haben sich Probleme aufgehäuft, sodass in ihrem Kopf eine Art von Chaos herrscht», sagt Tim Raue im Interview.
Sein Name seht für Hochkulinarik: Und doch ist sich Tim Raue aus Berlin nicht zu fein, handfest mit anzupacken – und seine Expertise im Gastro-Geschäft an Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben.
Vom Zwei-Sterne-Spitzenkoch lässt sich eine Menge lernen. Etwa, wie man sich mit Disziplin und Ehrgeiz hocharbeiten und auch aus selbst verschuldeten Problemen befreien kann.
Im Interview zusammen mit seiner Ehefrau Katharina, die ihm bei fünf neuen Rettungseinsätzen mit Rat, Tat und Expertenwissen zu Seite steht, erzählt er, auf welche kulinarische (Beinahe)-Katastrophen man sich in den fünf neuen Folgen der TV-Reihe «Raue – Der Restaurantretter» freuen kann.
Los geht es am Dienstag, 16. Juli, mit Notfallarbeiten im «Hollwigger Bistrorant» in Köln. Jeweils dienstags um 20:15 Uhr strahlt der TV-Sender RTL die neue Staffel aus.
Tim und Katharina Rauhe, Sie beide starten mit neuen Restaurant-Rettungen. Was glauben Sie: Machen solche Sendungen den Leuten eher wieder Lust aufs Ausgehen und aufs Essen? Oder erhöht das die Sorge, wie wild es manchmal hinter den Kulissen aussieht?
Tim Raue: Unser Ansatz ist nicht das Restaurant-Testen oder das Empfehlen, sondern das Retten. Deswegen wurde ja auch der Name der Sendung vor einiger Zeit geändert. Es geht uns um Gastronomen, die wirklich teilweise bis zum Hals in Problemen stecken, die oft divers wirken und doch irgendwie immer wieder gleich sind.
Oft sieht man ja auch als Laie schon, wenn man ein Restaurant betritt, dass möglicherweise etwas ganz toll oder eben nicht ganz gut läuft. Wie wichtig ist es, diesen Instinkt zu haben?
Katharina Raue: Man geht ja als Gast in ein Restaurant, um eine schöne Zeit zu erleben. Dafür ist es wichtig, dass es einem gut geht und dass man ein angenehmes Gefühl dabei hat. Viel hängt schon von der Stimmung im Restaurant ab. Es heisst ja zutreffend: Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Katharina Raue: Man merkt doch schnell: Funktioniert das Restaurant oder funktioniert es nicht? Unsere Aufgabe ist es eben, diesen Chef-Kopf wieder gerade und nach vorne zu rücken. Wenn ein Chef wirklich für sein Restaurant brennt, dann spüren das die Gäste. Und dann schauen sie wahrscheinlich auch über Kleinigkeiten hinweg – etwa wenn das Service-Team doch noch nicht ganz eingespielt ist oder vielleicht mal eine Bestellung vergessen wurde. Wichtig ist doch: Mir macht es Freude, hier zu sitzen.
Tim Raue: Alle Gastronomen und Gastronominnen, denen wir in diesen fünf Folgen geholfen haben, die wir motiviert, inspiriert und unterstützt haben, eint eine Gemeinsamkeit: Bei ihnen haben sich Probleme aufgehäuft, sodass in ihrem Kopf eine Art von Chaos herrscht.
Oje, erzählen Sie ...
Tim Raue: Es muss nicht unbedingt sein, dass man eine Tür aufmacht und in einem Restaurant landet, das dreckig oder zumindest heftig angestaubt ist. Wir haben festgestellt: Meistens ist der dunkelste Ort der Keller. Dort häufen sich dann Gerümpel und Unrat an. Das grösste Problem kann aber auch das Kühlhaus sein.
Orte, die ein Gast in der Regel nicht zu sehen bekommt.
Tim Raue: Dort wird es aber oft ernst. Wir sind jeweils nur eine Woche lang vor Ort – und nicht ein Jahr. Ausserdem sind wir keine Beratungsagentur: Wir versuchen in dieser kurzen Zeit so viel wie möglich anzustossen. Ich will den Leuten den grauen Vorhang ihrer Probleme aus dem Gesicht ziehen und die positiven Seiten hervorheben. Mir geht es immer um die Frage: Wie können wir den Gastronomen über ihre Schwächen hinweghelfen, und wie können wir ihre Stärken noch stärker sichtbar machen?
Klingt gut. Aber man muss doch schon auch sehen, dass etwas vorangeht?
Tim Raue: Obwohl die Kameras dabei sind, erledigen wir unsere Arbeit nicht nach dem Gesichtspunkt: Wir machen Fernsehen und sind nach einer Woche wieder weg. Egal, was passiert: Ich will den Leuten wirklich weiterhelfen – sie motivieren und inspirieren. Mein Ziel ist, dass es den Leuten besser geht und sie strahlen, wenn wir nach einer Woche wieder gehen. Bis jetzt hat das eigentlich fast immer geklappt.
Katharina Raue: Wir machen für uns ab und an privat ein paar Fotos. Man sieht dann ganz deutlich, wie die Gesichter am ersten Tag ausschauen – und wie eine Woche später. Der graue Schleier ist weg. Dann spürt man: Es haben sich neue Perspektiven eröffnet. Da ist dann plötzlich wieder das zurück, wofür die Leute brennen.
Schöner Effekt.
Katharina Raue: Darauf sind wir mächtig stolz: Wir machen Türen auf. Aber durchgehen und die Veränderung leben müssen die Gastronomen selbst. Und das schaffen sie.
Tim Raue: Die meisten zumindest (lacht).
Katharina Raue: Es gibt natürlich auch Fälle, in denen wir eine wunderbare Idee für den Laden haben. Zumindest wie wir beide finden. Aber der Gastronom macht es dann trotzdem nicht. Aber es ist ja sein Leben. Wir können ihm oder ihr nur raten, was wir tun würden. Wir sind nicht daran interessiert, die Leute zu bevormunden.
Hätten Sie jemals gedacht, dass zu Ihrem Beruf als Gastronom ab und an dazugehört, dass man fast schon Psychologe, eine Art Mannschaftstrainer oder vielleicht sogar manchmal Beichtvater ist?
Tim Raue: Beichtvater bin ich definitiv nicht. Man lernt aber sehr schnell, wenn man Verantwortung übernimmt, dass es darum geht, andere Menschen zu führen, anzuleiten und eben vorwärtszutreiben. Das habe ich schon früh in meinem Leben erfahren.
Wie genau?
Tim Raue: Ich habe direkt nach meiner Ausbildung mit 21 Jahren die Ausbildungseignungsprüfung gemacht.
Woher kam Ihre Motivation?
Tim Raue: Ich wollte das, was ich in meiner Ausbildung erlebt habe, was ich nicht so geil fand, in Zukunft besser machen. Ich bilde Menschen aus, seit ich 21 bin. Das heisst, dass ich immer auch junge Leute am Start habe. Für mich ist das Alltag. Eine Herausforderung beim «Restaurantretter» ist, dass ich es dort mit eher älteren Menschen zu tun habe. Die kommen dann gern mal mit dem Klassiker: Das haben wir doch schon immer so gemacht!
Ihre Antwort?
Tim Raue: Dann muss ich den Leuten sagen: Das hat euch genau dahin geführt, wo ihr heute seid – in einer Sackgasse. Und zwar in einer wirtschaftlichen, auch in einer menschlichen. Ich bin froh, dass ich diesen Job nicht allein mache. Meine Frau ist für mich eine wichtige Unterstützerin, weil ihre Grundeinstellung zum Leben und zur Arbeit immer extrem positiv ist.
Und Ihre?
Tim Raue: lch bin jemand, der eher sehr kleinkariert ist und auf das feinste Detail achtet. Ich möchte daraus etwas Grosses zusammensetzen. Meine Frau ist deutlich empathischer. Sie findet meistens einen schnelleren Zugang zu den Menschen.
Viele Berufsanfänger reagieren ja offenbar schnell enttäuscht, wenn sie spüren, was für einen doch auch harten Beruf sie gewählt haben – mit vielen Einschränkungen. Etwa der, dass man genau dann, wenn die Freunde weggehen, arbeiten muss.
Tim Raue: Solche Erfahrungen kenne ich nicht. Dazu muss ich aber auch sagen, dass die Menschen, die sich bei uns in meinem Hauptrestaurant bewerben, über so viel Intellekt verfügen, dass sie das im Vorfeld recherchiert haben, worauf sie sich da einlassen. Das wäre so, als würdest du sagen: Ich spiele gern Fussball – ab morgen spiele ich beim Champions-League-Verein. Alles, was ich tue, mache ich – auch wie wir jetzt beim «Restaurantretter» – immer mit dem Ziel, etwas Besseres zu hinterlassen, vorwärtszukommen, erfolgreich zu sein. Ich habe keine Zeit, mich mit Menschen zu beschäftigen, die mit sich hadern, jammern oder faktisch einfach Vorhandenes ausdiskutieren wollen.
So strikt?
Tim Raue: Mich hat Jammern nie interessiert. Deswegen ist es nicht Teil meines Lebens. Ich habe stets die Chance in der Arbeit gesehen. Und ich finde, dass der Zugang zur Arbeit in einer heutigen Gesellschaft völlig falsch thematisiert wird.
Tim Raue: Soziales Miteinander funktioniert nur, wenn jeder etwas dafür tut. Das bedeutet eben, dass jeder arbeitet, jeder Steuern zahlt und jeder etwas für diese Gesellschaft leistet.
Allerdings kommt man sich doch in einem gastronomischen Betrieb näher, als man es vielleicht manchmal in einem grossen Büro tut, wo man sich vielleicht in der einen oder anderen Ecke auch mal zurückziehen oder wegducken kann.
Katharina Raue: Die Gastronomie ist natürlich ein Menschenberuf. Man hat mit Kollegen, aber auch mit Kunden, mit den Gästen zu tun. Ein Misanthrop wäre dort ehrlicherweise falsch aufgehoben.
Tim Raue: Aber das wäre man auch, wenn man als Menschenfeind versuchen würde, als Psychiaterin oder Psychiater zu arbeiten.
Katharina Raue: Natürlich herrscht in der Küche, wenn Service-Zeit ist, Hochbetrieb. Das heisst: Da kann man sich nicht wegducken. Sondern man muss eine Leistung abrufen – und das bei jeder Aufgabe. Wer mitspielen möchte, muss auch spielen können. Es ist einfach so.
Tim Raue: Wir sprechen von Service zum einen von der Zeit, die wir beim Zubereiten von Essen zubringen. Und vom Service draussen, also von den Kellnerinnen und Kellnern. Für die Kunden ist man dann Entertainer. Es geht darum, für die Menschen, die zu uns kommen, da zu sein und ihnen eine grossartige Zeit zu bereiten. Gastronomie ist ein Beruf, in dem man für und mit Menschen etwas macht. Für mich ist es einer der sozialsten Berufe. Er wird für mich nur vom Gesundheits- und Pflegewesen getoppt.
Katharina Raue: Ich war Chefredaktorin bei einer Zeitschrift, und Sie sind auch Journalist. Sie wissen also, was eine Deadline bedeutet.
Na klar.
Katharina Raue: Service funktioniert so: Es ist fünf Minuten vor Deadline – und die Titelgeschichte steht noch nicht. Dieses Gefühl ist Service.
Ungemütlich ...
Tim Raue:(Lacht) Schöner Ausdruck. Und dieses Panikgefühl dann vier Stunden lang am Stück – je nachdem, wo du arbeitest.
Katharina Raue: Drei Minuten vor Andruck sagt dann noch mal jemand: Übrigens, das Titel-Foto ist verpixelt und nicht zu gebrauchen. Das ist so wie, wenn ein Gast das Menü bestellt und alles seinen Weg geht. Und plötzlich sagt er: Übrigens, ich habe eine Fischallergie.
Was passiert dann eigentlich auch heute noch bei Ihnen: Wie bauen Sie so ganz kurzfristig Stressspitzen ab, brüllen Sie dann laut in eine Besteckschublade?
Tim Raue: Das mache ich glücklicherweise nicht mehr.
Stattdessen?
Tim Raue: Mein Rezept: Einfach rausgehen. Ich stürme raus auf den Innenhof und trete gegen eine Mülltonne. Aber nur, wenn das Ventil wirklich einmal geöffnet werden muss. Es dauert mittlerweile bei mir sehr, sehr lange, bis so ein Gefühl in mir überhaupt noch so hochfährt. Dazu bin ich jetzt einfach auch zu alt. Ich weiss, wie ich mit Problemen umgehen kann.
Katharina Raue: (Lacht) Mit 50 Jahren sind bei dir dann die Altersweisheit und die Altersmilde eingetreten.
Tim Raue: Das letzte Mal, als ich in eine Schublade brüllen wollte, war als wir für den «Restaurantretter» gedreht haben.
Ach ja, so schlimm?
Tim Raue: Das liegt aber meistens daran, dass ich da Sachen vorfinde, die einfach abstrus sind.
Zum Beispiel?
Tim Raue: In Köln waren wir in diesem Bistro. Der Chef dort hatte ein mehr oder minder halb offenes Büro. Das habe ich dann erst mal stundenlang aufgeräumt.
Zupackend.
Tim Raue: Bei ihm standen über zwei Dutzend Kisten und Kartons herum, in die Papier reingeschmissen wurde. Leider waren das Rechnungen und wichtige Unterlagen. Dann denke ich mir: Alter, du hast doch überhaupt keinen Überblick mehr, was da alles bei dir ansteht.
Bitter.
Tim Raue: Und leider kein Einzelfall. Der Steuerberater sagte mir dann, dass er schon seit zehn Monaten keine betriebswirtschaftliche Auswertung mehr machen konnte, weil ihm der Gastronom einfach nicht die Papiere gegeben hatte. Oder der Schock, als ich in eine Küche kam: Die war fünf Quadratmeter gross – und auf der Speisekarte stehen 72 Gerichte. Das ist so, als hättest du ein Auto mit fünf Sitzen. Und davor stehen 37 Menschen und wollen einsteigen. Das geht nicht. Nicht möglich.
Katharina Raue: Ich stelle immer gern die Frage: Wer ist denn eigentlich Ihre Zielgruppe? Und wenn dann die Antwort lautet, eigentlich eh alle – vom Kind über Hipster, über Ehepaare beim romantischen Dinner bis hin zum Seniorenteller, dann weisst du: Dieser Gastronom hat sich verloren. Und sie oder er braucht echt Hilfe.
Tim Raue: Da ist der gastronomische Kompass im Bermuda-Dreieck des Kellers oder des verwüsteten Büros hängen geblieben. Und der Kopf ist einfach nicht mehr klar.
Wie macht man es dann aber konkret, wenn Ihnen Essen vorgesetzt wird, das fast ungeniessbar ist: Wie kommt man diplomatisch aus der Nummer raus, ohne sich den Magen zu verderben?
Katharina Raue:(Lacht) Wir sind beide sehr ehrlich in dem, was wir sagen und was wir machen. Daher sind wir die Ersten, die dann sagen würden: Da hat irgendwas nicht hingehauen – das kann man nicht essen.
Tim Raue: Aber es hat sich für mich doch immer wieder herausgestellt, dass eigentlich fast nie das Essen an sich das Problem war. Das Problem war, dass sie in der Küche das Ziel aus den Augen verloren haben. Wenn die Leute in der Kiezküche etwas Lokales haben wollen, kann man nicht mit Chicken Curry oder mit Pizza samt Gyros obendrauf daherkommen.
Gruselig ...
Tim Raue: Dann geht es wirklich darum, das Programm zu straffen. Alle einzuschwören auf eine Linie. Und ihnen das Prinzip, das mir vorschwebt, auch anhand von Besuchen in anderen Betrieben näherzubringen. Wir gehen vier bis sechs Wochen nach unserem ersten Aufschlag vor Ort noch mal hin zum Wiederbesuch.
Katharina Raue: Ein Moment, vor dem mir oft angst und bange ist. Meistens ist aber auch die Vorfreude gross.
Tim Raue: Wir können diesmal sagen: Alle Betriebe waren danach besser aufgestellt und besser ausgelastet als zuvor und funktionieren nun teilweise richtig gut. Und wir sind überall mit offenen Armen empfangen worden. Oft haben sich die Leute sogar richtig auf uns gefreut.
Können Sie Ihren Magen eigentlich unfallversichern lassen?
Tim Raue: Schön wär's. Aber ich habe schon auf allen fünf Kontinenten gegessen. Und auch nach Einkäufen auf Wochenmärkten wie Mexiko bin ich völlig problemlos rausgekommen. Aber man darf eben nicht vergessen: Es sind Menschen, die mit Lebensmitteln arbeiten – und das oft mit hochverderblicher Ware. Es sind ja auch üble Dinge unterwegs – so wie der Norovirus – die siehst du nicht, die kannst du nicht riechen, die kannst du nicht schmecken. Und die erwischen dich dann. Aber in der «Restaurantretter»-Reihe sehe ich ja die Kühlhäuser, sehe das Essen und bin dann auch relativ entspannt. Für mich ist immer das Wichtigste: Ordnung, Sauberkeit und Disziplin! Ich halte das für die Grundstruktur.
Eine klare Ansage.
Tim Raue: Bis jetzt hat mir das Leben recht gegeben. Wenn ich auf jemanden treffe, der chaotisch ist, der irgendwo so ein kleines Messi-Örtchen hat – wie gesagt, der Keller oder auch das Büro sind da sehr beliebt –, ist das für mich immer das Indiz dafür, dass etwas nicht stimmen kann. Und diese Überforderungen muss ich dann eben auflösen.
Kann man sich nicht auch mit zu viel Ehrgeiz manchmal im Weg stehen – wenn man sich verliert in der Über-Genauigkeit, was Details angeht?
Tim Raue: Für mich gibt es das nicht. Ich sage ganz klar: Wenn du wirklich erfolgreich sein willst, musst du jedes Detail beachten. Wenn ich in einen Laden komme, wo das nicht so ist, fange ich sofort an aufzuräumen, zu organisieren und zu gucken, dass ich die Grundstruktur wieder absichern kann. Meine Frau nimmt sich dagegen sofort der menschlichen Komponente an. Deswegen funktionieren wir als Team so gut. Es ist tatsächlich Teamwork, nur so haben wir in einer Woche eine Chance, richtig was zu bewirken.
Wenn Sie sich den ganzen Tag beruflich mit Essen und dem Begutachten von Speisen beschäftigen, kriegen Sie abends privat überhaupt noch einen Bissen runter?
Katharina Raue: Wir lieben Essen. Essen gehört zur Grundstruktur unseres Lebens. Wenn wir Urlaub planen, planen wir auch gleich die Restaurants mit. Ohne Essen würde für uns nichts funktionieren. Das bedeutet aber nicht, dass wir zwangsläufig selbst in der Küche stehen. Wir versuchen, die Gastronomie zu unterstützen, indem wir sie besuchen – oder dadurch, dass sie uns geliefert wird.
Können Sie denn überhaupt essen, ohne gleich wieder darüber nachzudenken, wie es gemacht wurde und was zu verbessern wäre?
Tim Raue: Ich geniesse gern. Das heisst aber ja nicht, dass ich nicht in einem Restaurant feststellen kann, dass zum Beispiel den Räumlichkeiten ein paar Teppiche guttun würden, um den Schall zu dämpfen. Oder, dass die Schriftgrösse auf der Weinkarte ein bisschen grösser sein könnte. Das ist nicht manisch. Und ich muss das den Leuten auch nicht sagen. Aber es sind halt Sachen, über die wir uns beim Essen gern unterhalten. Andere Menschen sind sehr sportlich. Die sagen sich doch auch: Schau mal, was der für Wadenmuskeln hat. Lass uns doch morgen noch mal 200 Kniebeugen machen!
Sie streichen Freunde von der Freundschaftsliste, wenn die heimlich einmal bei Ihnen zu Hause ein Gewürz umstellen, wenn sie einmal nicht hingeschaut haben.
Tim Raue: Ja, das Problem haben wir nicht (lacht). Wir haben keine Freunde zu Hause.
Nicht?
Tim Raue: Unser Zuhause ist tatsächlich unser Zuhause. Das ist für uns der Ort, an dem wir uns zurückziehen können. Das braucht man, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Und ich bin zum Beispiel ein sehr schüchterner Mensch. Das Zuhause ist das letzte Fort. Wenn wir unsere Freunde treffen, dann gehen wir mit ihnen essen oder besuchen sie bei sich daheim.
Kann man verstehen. Nur das mit dem Schüchternsein glaubt Ihnen doch kein Mensch,
Tim Raue: Stimmt allerdings.
Katharina Raue: Er ist wirklich schüchtern. Nur weil er eine exaltierte Persönlichkeit hat, ist er trotzdem eine unglaublich introvertierte Person. Tim zieht seine Energie definitiv nicht aus anderen Menschen. Er zieht sie aus der Ruhe, wenn er zu Hause ist. Das unterschätzen viele natürlich, weil er ein Auftreten hat, das strahlend und sehr kraftvoll ist – und ab und zu auch leicht dominant.
Tim Raue: Es stimmt: Ich würde zum Beispiel niemals fremde Menschen ansprechen. Ich bin da sehr zurückhaltend. Jemanden nach dem Weg zu fragen, hat mich tatsächlich 48 Jahre meines Lebens gekostet. Es macht eben einen Unterschied, ob ich Raue, der Küchenchef, bin und von der Kamera performen muss. Als Tim bin ich jemand, der nicht erkannt werden möchte.
Jetzt sagen Sie aber zuletzt nicht noch, dass Sie heimlich Briefmarken sammeln?
Tim Raue: Das nun nicht.
Katharina Raue: Das Einzige, was wir sammeln, sind schöne Stunden für uns beide. Aber ansonsten müssen wir Sie leider enttäuschen: Ich bin ein Messi und sammle gern alles, was wir auch nicht brauchen – im Gegensatz zu meinem Mann.
Tim Raue: Ich räume das dann alles wieder auf.
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