Knigge im Alltag Ist es komisch alleine ins Restaurant zu gehen?

Martina Scheffler, dpa

22.9.2019

In der Schweiz gehen mehr Männer als Frauen allein ins Restaurant, wobei das viele verschiedene Gründe haben kann.
In der Schweiz gehen mehr Männer als Frauen allein ins Restaurant, wobei das viele verschiedene Gründe haben kann.
Source: Bernd Wüstneck

Es gibt Dinge, die machen die meisten nicht so gern allein. Eine Weltreise, Weihnachten feiern oder eben ins Restaurant gehen. Wer sind die, die es doch tun?

In den 1950er Jahren wäre es undenkbar gewesen: Eine Frau, die allein ins Restaurant geht. «Da hätte man gesagt, das ist wohl eine Prostituierte», beschreibt Hans-Peter Erb die damalige Situation.

Erb ist Sozialpsychologe und Professor an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Noch heute sei es so: «Wenn ich allein ausgehe als Frau, riskiere ich, dass ich bestimmte Absichten hervorrufe.»

Tatsächlich gehen in der Schweiz mehr Männer als Frauen alleine essen, wobei das viele verschiedene Gründe haben kann.

Eher Männer, eher älter

In Deutschland ist die Situation ähnlich: In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Online-Reservierungsportals OpenTable gaben 72 Prozent der befragten Männer an, regelmässig oder zumindest selten allein ein Restaurant aufzusuchen. Bei den Frauen waren es nur 57 Prozent.



Tendenziell sind Solo-Restaurantbesucher zudem eher älter. 45 Prozent aller Befragten gaben an, selten alleine essen zu gehen, fast jeder Fünfte tut dies regelmässig. Ein Drittel der Befragten ist noch nie allein im Restaurant gewesen.

Zumeist, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, gehen die Allein-Besucher in ihrer Freizeit ins Restaurant (56 Prozent) – oder in ihrer Mittagspause (49 Prozent).

Gründe sind vielfältig

Es sind viele Gründe vorstellbar, warum Menschen in ihrer Freizeit alleine ins Restaurant gehen. Zum Beispiel um unter Leuten zu sein. Oder aus genau dem gegenteiligen Grund: Um für zwei Stunden seine Ruhe zu haben. Oder weil man schlicht zu faul zum Kochen ist.

Wissenschaftliche Studien zum «Solo Dining» gebe es nicht, doch liessen sich die Ergebnisse der Umfrage mit Trends wie Vereinzelung und Individualisierung in Einklang bringen, sagt Erb. «Es gibt immer mehr Single-Haushalte und auch ein grosses Problem mit Einsamkeit, was die Menschen sehr stark belastet.»



Beim Online-Reservierungsportal OpenTable sind laut Unternehmen die Reservierungen für eine Person von 2014 bis 2018 um sagenhafte 321 Prozent gestiegen. Für viele ist Solo Dining aber wohl immer noch eine Hürde.

Auf Reiseportalen aus aller Welt finden sich viele Hinweise fürs sogenannte Solo Dining. «VisitMelbourne» etwa empfiehlt Restaurants in der australischen Stadt, die Solo-Essern einen Platz an der Bar bieten. Das weltberühmte Opernhaus von Sydney bietet gleich eine ganze Anleitung für einen Solo-Besuch.

Die irische Tourismus-Organisation Tourism Ireland rät für den Fall, dass man auf sich gestellt in ein Pub hineinplatzt: «Kommen Sie einfach herein, begrüssen Sie die Leute hinter der Bar und schon kann eine ganz ungezwungene Unterhaltung zu fantastischen Geschichten führen.»

Nicht jeder isst gerne allein

Dass es für viele Menschen immer noch eine Überwindung bedeutet, eine Restaurant ohne Begleitung aufzusuchen, zeigt die Existenz eines Wortes für die Panik davor: Solomangarephobia.

Der Begriff geistert durch das Internet. Das Reiseportal TripAdvisor beschreibt die Gefühle mancher Einzel-Esser so: «Sie können nirgendwo hinschauen, ohne unhöflich zu wirken, und gehen gleichzeitig davon aus, dass sie von anderen beobachtet werden und diese sich ein Urteil über sie bilden, weil sie alleine essen.»

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