Bötschi fragt Büne Huber «Mein Entscheid soll das Leben der Kinder nicht beeinträchtigen»

Bruno Bötschi

1.2.2025

«Ich konnte mir nicht vorstellen, mit diesen belastenden Songs auf Tour zu gehen, also Abend für Abend den ganzen Scheiss nochmals zu erleben»: Büne Huber.
«Ich konnte mir nicht vorstellen, mit diesen belastenden Songs auf Tour zu gehen, also Abend für Abend den ganzen Scheiss nochmals zu erleben»: Büne Huber.
Bild: Keystone

Am Freitag erschien das neue Album von Patent Ochsner. Es war eine Produktion mit einigen Hindernissen, sagt Frontmann Büne Huber. Ein Gespräch über das Leben, das Sterben und den Tod.

Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am Freitag ist das neue Album «Tag & Nacht» von Patent Ochsner erschienen.
  • Im zweiteiligen Gespräch mit blue News spricht Frontmann Büne Huber (62) über seine neuen Songs und warum er plötzlich fand, acht davon dürfen nicht auf das neue Album kommen.
  • «Ich hatte früher mehr Angst vor dem Tod. Heute fürchte ich mich mehr vor Schmerzen, Kontrollverlust oder Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer», sagt Huber.
  • Den ersten Teil des Gesprächs mit Büne Huber erschien am Freitag. Du findest ihn hier.

Büne Huber, im Dezember zeigte das Schweizer Fernsehen SRF den Dok-Film «Kosmos Büne Huber». Irgendwann bist du im Film von Matthias Lüscher total gestresst, weil es bei der Produktion des neuen Albums «Tag & Nacht» von Patent Ochsner Verzögerung gab und dir das Schicksal einen Strich durch die Rechnung machte. Hilft jahrelanger Erfolg nicht, gelassener zu werden während dem Komponieren von neuen Songs?

Ich bin heute viel gelassener als früher. Während der Produktion von «Tag & Nacht» passiert mir jedoch ein Missgeschick nach dem anderen, bis ich irgendwann merkte, alles wackelt und nichts funktioniert mehr richtig.

Es fing mit meinem blöden Velounfall an. Kurz danach spürte ich, dass ich ein Teil der neuen Songs nicht veröffentlichen kann, weil sie mir seelisch viel zu tief gehen.

Du wolltest auf dem neuen Album den Tod eines nahen Freundes verarbeiten.

Ach, es ist wirklich blöd gelaufen. Während ich meinen Freund ein halbes Jahr zuvor in den Tod begleitete, schrieb ich mir vieles vom Leib, wie das halt so ist. Ich habe ganz viel getextet und komponiert. Zur gleichen Zeit war ich aber auch noch mit dem Malen neuer Bilder für eine Ausstellung im Naturhistorischen Museum Bern beschäftigt.

In dieser Zeit entstanden Lieder, vor denen ich mich je länger desto mehr zu fürchten begann. In den Songs geht es ums Älterwerden. Ich wollte über Gebrechlichkeit singen, aber auch über das Sterben und den Tod.

Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.

Wann hast du gemerkt, dass du keine Konzerte geben möchtest, mit Songs, die dich immer wieder von Neuem mit dem Tod deines Freundes konfrontieren?

Nach einer dreiwöchigen Pause hatte ich wieder mehr Platz im Kopf. Trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, mit diesen belastenden Songs auf Tour zu gehen, also Abend für Abend den ganzen Scheiss nochmals zu erleben. Ich sah nicht mehr ein, weshalb ich mir, meiner Familie und der Band das antun sollte.

Wirklich wahr, dass du dich in einem Brief bei deiner Band für deine Unzuverlässigkeit entschuldigt hast?

Ich versuchte in dem Brief den Musikerinnen und Musikern die Situation zu erklären.

Wie haben Sie auf deine Worte reagiert?

Alle äussert wohlwollend – einer meinte sogar: «Büne, darum passiert bei dir nie Bullshit, weil du immer offen und ehrlich sagst, wenn du etwas nicht machen willst oder kannst.» Gleichzeitig wurde mir damals aber auch klar, dass ich mit meinem Entscheid und meiner Unzuverlässigkeit die Agenden der Bandkollegen komplett durcheinanderbrachte.

Macht dir der Tod heute mehr Angst als in jungen Jahren?

Ich glaube, ich hatte früher mehr Angst vor dem Tod. Heute fürchte ich mich mehr vor Schmerzen, Kontrollverlust oder Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer. Aber möglicherweise bemerke ich das gar nicht, wenn ich irgendwann daran erkranken sollte …

… oder du sagst schon vorher «Tschüss».

Du meinst, ich könnte Sterbehilfe in Anspruch nehmen?

Im Podcast «My Last Goodbye» hast du im Dezember 2023 über das Sterben und den Tod reflektiert …

… du bist bei deinen Recherchen aber schön tief graben gegangen.

Im Podcast sagst du: «Ich habe das Gefühl, es ist immer auch eine Frage des Mutes, wie ein Mensch sein Leben lebt. Und genauso braucht es auch Mut, um gehen zu können.» Wie geht es deinem Mut heute?

Ich kann mir durchaus vorstellen, mein Leben mit Unterstützung von Exit oder einer anderen Sterbehilfeorganisation zu beenden, sollte ich unheilbar krank werden. Gleichzeitig möchte ich mit meinem Entscheid niemals das Leben meiner Kinder irgendwie beeinträchtigen.

Ich habe von Angehörigen gehört, wie befreiend Sterbehilfe sein kann – also für den Sterbenden genauso wie für die Hinterbliebenen.

Ich bin sicher, dass dem so sein kann.

«Ich habe per Testament entschieden: Aus mir darf nach meinem Ableben keine Kohle-Maschine werden»: Büne Huber.
«Ich habe per Testament entschieden: Aus mir darf nach meinem Ableben keine Kohle-Maschine werden»: Büne Huber.
Bild: Michael Schär

In der Musik tauchen nach dem Tod einer Künstlerin oder eines Künstlers oft Lieder und Texte auf, die diese*r zu Lebzeiten nicht veröffentlicht hat. Du hast das kürzlich per Testament verhindert. Warum?

Nach dem Tod von Jimi Hendrix erschien auch Jahre später immer wieder unveröffentlichtes Material. Dabei gab es doch Gründe, wieso der Musiker diese Songs zu Lebzeiten nicht veröffentlicht hat. Deshalb habe ich jetzt per Testament entschieden: Aus mir darf nach meinem Ableben keine Kohle-Maschine werden.

Was interessiert es dich, was mit deiner Musik nach deinem Tod alles passiert?

In meinem Testament steht klar und deutlich, dass die bis zu meinem Tod unveröffentlichten Songs von mir, meiner Familie gehören und sie diese so oft hören dürfen, wie sie wollen. Ich will aber nicht, dass sie je einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» hast du verraten, es gebe einen einzigen Song, der nach deinem Tod veröffentlicht werden soll. Was hat es mit diesem Lied auf sich?

Es ist ein Song, der gut zu den Festtagen passt.

Ist es ein Weihnachtslied?

Ja.

Wie lautet sein Titel?

«Wienecht».

Hast du das Lied für deine Kinder geschrieben?

Nein.

Demnach geht es mehr in die Richtung von «Last Christmas» von George Michael?

Auch nicht.

Im Podcast «My Last Goodbye» sagtest du, dass es dir egal sei, wo du deine letzte Ruhe finden wirst, also ob dein Leichnam erdbestattet, verbrannt oder irgendwo verstreut werde.

Ich bin der Meinung, dass die Hinterbliebenen bestimmen sollen, was sie nach meinem Tod noch brauchen von mir. Mir ist es egal, ob ich ein Grab bekomme oder ob sie meine Asche irgendwo verstreuen werden.

Wer darf an deine Beerdigungen kommen?

Das ist mir auch egal. Meine Hinterbliebenen sollen entscheiden, welche Menschen in diesem Moment am tröstlichsten für sie sind.

Ein gutes Leben: Woraus besteht das deiner Ansicht nach?

Ein gutes Leben ist vielfältig und man sollte beweglich bleiben. Auf Reisen gehen tut gut, andere Kulturen kennenlernen auch. Und ja, hin und wieder sollte man auch ein Risiko eingehen.

«Tag & Nacht» ist das elfte Studioalbum der Berner Mundart-Band Patent Ochsner.
«Tag & Nacht» ist das elfte Studioalbum der Berner Mundart-Band Patent Ochsner.
Bild: Michael Schär

Warum bist du dein Leben lang in Bern geblieben?

Bern ist eine coole Stadt und hier leben die meisten meiner Freunde.

Welches ist deine grösste Begabung, von der bisher noch niemand weiss?

Ach, von mir weiss man alles … Ich hätte jetzt antworten können, meine grösste Begabung sei das Kochen. Aber auch das ist weit herum bekannt.

Kann Musik die Welt verändern?

Musik kann Menschen verändern, aber die Welt nicht.

Gibt es das perfekte Lied?

Nein. Es gibt jedoch Songs, die nahezu perfekt sind – zum Beispiel «Lucy in the Sky with Diamonds» von den Beatles.

Welcher Song von Patent Ochsner ist fast perfekt?

Bei «Für immer uf di» stimmt einfach alles.

Was magst du an Wiederholungen nicht?

Ich habe ADHS und deshalb schläft mir bei Wiederholungen regelmässig das Hirni ein.

Was ist das Verrückteste, was du je auf einer Bühne getan hast?

Ich habe einmal die Hosen runtergelassen und fand es wahnsinnig toll …

… das ist aber länger her …

… und damals war es auch noch ein schönes Luege (lacht).

Polo Hofer, Patent Ochsner und Züri West – und was kommt danach? Oder anders gefragt: Wie geht es eigentlich dem Nachwuchs in der Berner Mundartszene?

Muss es Mundart sein? Sorry, da muss ich passen.

Dann stimmt es also doch, dass das Sankt-Galler-Deutsch das neue Berndeutsch ist?

Gut möglich.

Was läuft sonst musikalisch in Bern?

Ich habe das Gefühl, dass Pablo Nouvelle bald stark in den Fokus kommt.

Eine sträflich unterschätzte Musikerin aus der Schweiz, für die du hier gerne etwas Werbung machen würdest?

Daniela Sardaund ihre Band Sarda.

Ein vergessener Musiker aus der Schweiz, für den du hier etwas missionieren würdest?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Abu unterschätzt wird. Er macht so starke Musik.

«Bern ist eine coole Stadt und hier leben die meisten meiner Freunde»: Büne Huber.
«Bern ist eine coole Stadt und hier leben die meisten meiner Freunde»: Büne Huber.
Bild: Michael Schär

Wann ist Empörung angebracht?

Ich bin zutiefst empört über den in vielen europäischen Ländern zu beobachtenden Rechtsrutsch. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass in der Niederlande je eine rechtskonservative Partei an die Macht kommt.

Was ich ganz besonders beunruhigend finde ist, wie diese Entwicklung immer schneller Normalität wird. Dabei ist es doch eine Tatsache: Wir müssen alle miteinander irgendwie klarkommen, also auch mit den mühsamen oder auch ganz stieren Typen am Tisch.

Siehst du bei Männern wie Donald Trump und Elon Musk grün oder rot?

Sehr rot.

Wir kommen zum Schluss und damit zum Self-Rating-Test: Du benotest bitte dein eigenes Talent von null Punkten, kein Talent, bis zehn Punkte, maximales Talent: Velofahrer?

Zwei Punkte. Früher, also vor meinem Unfall, hätte ich mir fünf Punkte gegeben. Ich bin einfach zu wenig mit dem Velo unterwegs.

Kinogänger?

Ich weiss nicht einmal mehr, welches der letzte Film war, den ich im Kino gesehen habe. Zwei Punkte.

Liebhaber?

Glatte zehn Punkte – und jetzt scheisst es dich gerade an, weil du dachtest, das seist du (lacht).

Nein. Wie viel Punkte gibt dir deine Frau als Liebhaber?

Elf (lacht).

In welchen Momenten – ausser im Bett, wenn du schläfst – möchtest du unter keinen Umständen Musik hören?

Ich höre kaum Musik nur zur Berieselung. Ich leide an einem Tinnitus und bin schnell genervt, wenn einfach irgendwo Musik dudelt oder Lärm dröhnt.

Hast du noch ein Schlusswort?

Amen.


Den ersten Teil des Gesprächs mit Büne Huber erschien am Freitag. Du findest ihn hier.


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