Sprachpfleger Ob Aargau, ob Wallis – tappen Sie nicht in die Artikelfalle

Von Mark Salvisberg

5.8.2020

Sie waren «im» Appenzell? Wohl kaum, denn man kann sich nur «in» Appenzell aufhalten.
Sie waren «im» Appenzell? Wohl kaum, denn man kann sich nur «in» Appenzell aufhalten.
Bild: Getty Images

Wer «ins Appenzell» fährt oder «Bern und Wallis» einen Besuch abstatten will, hat etwas ausser Acht gelassen: Die meisten Kantone werden ohne Artikel geschrieben, einige jedoch mit.

Kürzlich las ich auf einem News-Portal die dicke Überschrift: «Erste Hitzegewitter erreichen Zürich und Aargau.»

Haben Sie’s bemerkt? Es ist nicht etwa von den Städten Zürich und Aarau die Rede, sondern von den Kantonen. Die Überschrift ist nicht korrekt, weil einige wenige Kantone mit Artikel geschrieben werden müssen. Richtig wäre also gewesen: ... erreichen Zürich und den Aargau.

Was denken Sie, gibt es einen Grund oder eine Regel für die unterschiedliche Schreibweise mit und ohne Artikel? Wenn Sie eine Idee haben, schreiben Sie mir eine E-Mail (siehe unten)!

Kantone wie Gebiete

Das Tessin, die Waadt, das Wallis, der Jura, der Thurgau und der Aargau sind mit der, die oder das zu nennen, genau gleich, wie wir das auch von französischen Regionen her kennen: die Provence, das Elsass.

Bei Zürich, Basel, Bern und den meisten anderen Schweizer Kantonen gibt es zwar einen Artikel – der sächliche –, er erscheint aber nur in bestimmten Fügungen: das Bern, das ich kenne oder im Zürich des 19. Jahrhunderts.

Dasselbe Bild bei den Nationen

Die allermeisten Länder der Welt werden ohne Artikel geschrieben: Russland, Deutschland, Italien ...

Inselstaaten wie zum Beispiel die Seychellen haben jedoch einen Artikel, ebenso wie die USA, der Irak, die Moldau (Moldawien), die Mongolei, die Niederlande, die Slowakei, der Sudan, die Türkei, die Ukraine, die Vereinigten Arabischen Emirate und – die Schweiz.

Bei gewissen Staaten sind Schreibweisen mit oder ohne Artikel möglich, zum Beispiel (der/das) Kosovo, (der) Iran. In einem Satz hiesse dies beispielsweise: Wir fahren nach Kosovo beziehungsweise in den Kosovo.

Werden Kantone oder Länder hingegen tabellarisch aufgezählt oder wird beispielsweise das Wort Kanton vorher genannt, wird der Artikel hinfällig: Es handelt sich um die Kantone Bern, Glarus und Aargau; hier bezieht sich Kantone auf jeden einzelnen Namen.

Manchmal wird auch «anders» übertrieben

Wer hat von seinen Bekannten nicht schon gehört, sie seien «im Appenzell» gewesen. Hier wurde kein Artikel unterschlagen, sondern einer erfunden – und dazu ein Kanton. Natürlich kann man den Hauptort des Halbkantons Appenzell Innerrhoden besuchen, dann aber wäre man in Appenzell.

Der (Halb-)Kanton heisst richtig entweder Appenzell Innerrhoden oder Appenzell Ausserrhoden. Im Appenzell kann man nicht sein, sondern im Appenzellerland oder im Appenzellischen. «Im Appenzell» ist genauso falsch wie «im Zürich» – und wohl so etwas wie die unfreiwillig komische Variante des Appenzellerwitzes.

Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute
täglich journalistische Texte bei einer grösseren Tageszeitung.


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