Kolumne Hinterlist im Fahrsimulator

Von Herbie Schmidt

14.6.2019

Konzentration im Simulator – um der Daten willen.
Konzentration im Simulator – um der Daten willen.
Bild: PD

Der Autor dieser Kolumne hat sich an einem Kongress zum Thema Mobilität der Zukunft in einen Fahrsimulator gesetzt und musste auch mit der Hinterlistigkeit der Programmierer spekulieren. Und da wäre einmal mehr die Datenfrage.

Neulich war ich an einem Kongress zum Thema Mobilität der Zukunft, und da kam ich an einem Fahrsimulator mit drei grossen Screens vorbei. Drei freundliche Slowenen luden mich ein, einen Fahrtest zu machen. Ich nahm also Platz auf dem Schalensitz hinter dem Steuer, dann bekam ich ein Armband zur Messung des Stresslevels und eine Brille zur Bestimmung meiner Augenbewegungen. Dann ging es los, ich fuhr auf der Landstrasse und gleich mal zu schnell. Wäre ich geschlichen, hätte ich vielleicht auch nicht die beiden Schulkinder überfahren, die vor dem Schulbus auf die Fahrbahn sprangen. Keine Reue, weiter ging die Fahrt, schliesslich waren das ja nur virtuelle Verkehrsteilnehmer.

Hinterlistige Programmierer

Es folgte eine T-Kreuzung. Von links kam ein anderer Wagen, der rechts blinkte. Ich dachte mir, das sei bestimmt Teil des Tests und wartete, bis der Kollege wirklich abgebogen war. Fehlanzeige, der fuhr geradeaus weiter und hätte mich sicherlich abgeschossen, wenn ich nicht auf die Hinterlistigkeit der Programmierer spekuliert hätte.

Dann los auf die Autobahn, ein kleiner Warnhinweis rechts, und siehe da, mir kam ein Falschfahrer entgegen, dem ich gerade noch ausweichen konnte. Als ich im Ziel war, hatte ich die überfahrenen Kinder schon fast vergessen. Aber dreimal habe ich eine Radarbusse kassiert, was mich laut Programm 580 Euro gekostet hat. Die Kinder waren gratis. Dann doch lieber die reale Fahrt, bei der automatisch mehr Aufmerksamkeit herrscht als im Simulator.

Wie überall gilt: Daten sammeln

Was wie Spielerei aussieht, setzt die slowenische Startup-Firma Nervtech erfolgreich bei Kunden wie Versicherungsgesellschaften und Behörden ein, die auf diese Weise das Verhalten bestimmter Piloten gegenüber der Norm evaluieren können. Häufiges Hupen, starkes Beschleunigen oder starkes Bremsen – all das ist etwa in der Schweiz unüblich. Um sich noch attraktiver zu machen, sammeln die Techniker derzeit in der ganzen Welt Daten zum typischen Verhalten von Fahrern der verschiedenen Regionen. Ein Franzose fährt vielleicht ganz anders als ein Inder, Chinese oder Chilene. Einer der grössten Kunden ist übrigens ein österreichischer Brausehersteller, der das Programm, umgebaut auf Rennstrecken, für die Beurteilung von Rennfahrern einsetzt, die von ihm unterstützt werden sollen. Schöne neue Autofahrerwelt.

Hier gibt es an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Digitales Leben.

Herbie Schmidt, 57, leitet bei der NZZ den Bereich Mobilität und treibt sich privat auch noch auf Rennstrecken herum – meist am Steuer sitzend. In seiner Vita stehen sechs Jahre beim Sauber-F1-Team und 13 Jahre als Autojournalist.

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