Nähe ja, Verpflichtung nein Situationships – ein Dating-Phänomen erobert die Gen Z

Von Selena Bao und Luna Pauli

11.10.2025

Deshalb werden Situationships bei der Gen Z immer häufiger

Deshalb werden Situationships bei der Gen Z immer häufiger

Viele der Gen Z experimentieren mit neuen Beziehungsformen. Der neue Trend: die Situationship. blue News ist der Sache mit Sexualtherapeutin Melina Dobroka auf den Grund gegangen.

07.10.2025

Das Konzept der lebenslangen Treue wird zunehmend hinterfragt. Die Liebe hat neue Spielregeln – vor allem für die Gen Z. Diese lebt zunehmend die «Situationship». Was hinter diesem Begriff steckt und was das mit Fast-Food zu tun hat.

Von Selena Bao und Luna Pauli

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In der Schweiz gilt Monogamie rechtlich und gesellschaftlich weiterhin als Standard, doch sie wird zunehmend von jungen Generationen hinterfragt.
  • Für viele der Gen Z passt die Form der Situationship besser, weil es mit ihrem flexiblen und unverbindlichen Lebensstil besser harmoniert.
  • Die Zukunft der Liebe? Vielleicht digital, virtuell – aber garantiert vielfältiger als früher.

Früher fragte man nach der Nummer – heute nach dem Insta-Handle. Ein Swipe, ein Like, ein Scroll durchs Profil entscheidet, ob’s zum Date kommt oder direkt auf «Next» geht. Die Liebe hat neue Spielregeln – vor allem für die Gen Z.

Neue Begriffe wie Ghosting, Sexting, red/green flag, Situationship, Delusionship, love bombing, rizz oder wingman sind fester Bestandteil der digitalen Dating-Sprache. Wer nicht selbst Teil dieser Generation ist oder ein Teenie-Kind zu Hause hat, versteht bei vielen dieser Wörter oft nur Bahnhof.

Zwischen Nähe und Freiheit

Eine Beziehungsform, die immer öfter anzutreffen ist, ist die Situationship – eine Art «Zwischenwelt», mehr als eine Freundschaft, aber weniger als eine feste Partnerschaft. Die Schweizer Kolumnistin und Comedienne Gülsha Adilji bezeichnete es einst so: «Es gibt keine Regeln, kein Commitment, keine Abmachungen. Man hat zwar die Vorzüge einer Beziehung, muss aber selbst nichts hineingeben», so Gülsha gegenüber SRF.

Der Begriff «Situationship» wird unterschiedlich interpretiert. Die Basler Sexualtherapeutin Melina Dobroka beschreibt im Gespräch mit blue News einen Zustand zwischen Freundschaft und Beziehung – eine Art Bubble, in der Sex eine Rolle spielt, Zukunftspläne aber nicht. Weshalb dieses Modell für viele junge Menschen zum eigenen Lebensstil passt und was das mit Fast-Food zu tun hat, erklärt Dobroka im Video-Interview (oben).

Die Frage, die dabei mitschwingt: Muss Liebe im 21. Jahrhundert überhaupt noch in die klassischen Kategorien «Single» oder «Beziehung» passen?

Monogamie bleibt die Norm – aber wie lange noch?

Monogamie ist die rechtlich anerkannte Form von Partnerschaft in der Schweiz und ist im Ehe- und Familienrecht festgeschrieben. Doch während dieses Modell für viele weiterhin der Idealzustand bleibt, experimentieren andere mit Alternativen.

Umfragen zeigen, dass das Ideal der lebenslangen Treue zunehmend hinterfragt wird: 61 % der 18- bis 25-Jährigen in der Schweiz gehen davon aus, dass nicht-monogame Beziehungsformen wie Polyamorie künftig normaler und akzeptierter sein werden (Generationsbarometer 2021). 

Die Bereitschaft vieler Menschen, die Beziehung zu öffnen, sei grösser als noch vor ein paar Jahren, sagte auch Sexualtherapeutin Bettina Disler in einem Interview mit blue News. «Es ist heute ein Trend zu alternativen Beziehungsmodellen spürbar, so Disler. «Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt jedoch, dass das Aufrechterhalten dieses Beziehungsmodells über längere Zeit hinweg für viele Beteiligten zu anstrengend wird.»

Polyamorie: Liebe in Vielfalt – mit Regeln

Im Gegensatz zur Polygamie ist Polyamorie in erster Linie eine freiwillige, kommunikative Praxis nicht-exklusiver Liebe. Alle Beteiligten wissen Bescheid, Transparenz, Gleichwertigkeit und Konsens sind zentral.

In offenen oder polyamoren Beziehungen geht es nicht nur um Sex, sondern oft um echte emotionale Bindungen – anders als bei einer Affäre oder Freundschaft-Plus. Das kann Komplexität mit sich bringen: Eifersucht, Erwartungsmanagement oder Ungleichheit zwischen mehreren Beziehungen sind Themen, die sorgfältige Kommunikation erfordern.

Eine Doktorarbeit der Uni Basel befasste sich damit, wie polyamore Familien rechtlich anerkannt werden könnten – aktuell bestehen grosse Hürden. Auch in der Praxis: Viele Menschen, die polyamor leben, berichten, dass sie oft auf Unverständnis stossen.

Ein interessanter Schnittpunkt ist, dass einige junge Menschen derzeit von Situationships zu polyamoren Beziehungsnetzwerken übergehen – statt in Unklarheit zu verharren, werden Absichten explizit gemacht.

Und was kommt als Nächstes?

Während frühere Generationen ihr Liebesleben nach festen Normen ausrichteten, ist die Zukunft offener denn je. Digitale Beziehungen, virtuelle Nähe über Avatare oder gar KI-Begleiter könnten schon bald neue Kapitel in der Geschichte des Liebens und Datens aufschlagen.

Fest steht: Die Liebe bleibt. Doch wie sie gelebt wird, ist im Wandel – und die Situationship ist nur eine Facette davon.

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