Kolumne Sonntagsverkauf – muss das wirklich sein?

Marianne Siegenthaler

25.11.2018

Je nach Kanton muss das Verkaufspersonal auch immer mehr an Sonntagen ad Seck – beispielsweise vor Weihnachten.
Je nach Kanton muss das Verkaufspersonal auch immer mehr an Sonntagen ad Seck – beispielsweise vor Weihnachten.
Bild: Keystone

Es ist noch keiner verhungert, nur weil er am Sonntag nicht einkaufen konnte. Trotzdem werden die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz immer mehr liberalisiert. Sehr zum Ärger von «Bluewin»-Kolumnistin Marianne Siegenthaler.

Vor 100 Jahren fand in der Schweiz der Landesstreik statt. Eine Viertelmillion Menschen legte die Arbeit nieder und forderte unter anderem eine Reduktion der Arbeitszeit – mit Erfolg: Die Wochenarbeitszeit von rund 57 Stunden ging auf 48 Stunden zurück. Im Idealfall verteilt auf die Werktage, die ja nicht umsonst so heissen. Der Sonntag ist Ruhetag. Natürlich nicht für alle. In manchen Branchen muss auch am Sonntag gearbeitet werden. Im Spital zum Beispiel. Bei der Feuerwehr. Oder in der Gastronomie. Halt dort, wo es nicht anders geht.

Dazu gehört aber der Detailhandel definitiv nicht. Es ist noch keiner verhungert, nur weil er am Sonntag nicht einkaufen konnte. Das kümmert allerdings die Detailhändler beziehungsweise Einkaufscenterbetreiber nicht.  Der Druck, die Ladenöffnungszeiten immer mehr zu liberalisieren, ist gross. Früher war am Samstagnachmittag um vier Uhr fertig mit Einkaufen. Heute kann man selbst in manchen Landgemeinden bis um acht Uhr shoppen.

Der Sonntag ist kein Ruhetag mehr

Und auch der Sonntag ist längst nicht mehr ein Ruhetag. Je nach Kanton muss das Verkaufspersonal auch an einigen Sonntagen im Jahr ad Seck. Beispielsweise vor Weihnachten.

Das sei wichtig, heisst es von deren Arbeitgebern, weil manche Menschen ohne den verkaufsoffenen Sonntag ihre Weihnachtseinkäufe niemals schaffen würden. Und dann bei der Bescherung womöglich ganz ohne Päckli dastehen. Die Armen. Immerhin können sie gemeinsam mit ihren Lieben Heiligabend feiern.

Das so genannte Night-Shopping bedeutet für das Verkaufspersonal, dass es bis um 23 Uhr ausharren muss. Wozu?
Das so genannte Night-Shopping bedeutet für das Verkaufspersonal, dass es bis um 23 Uhr ausharren muss. Wozu?
Bild: Keystone

Nicht so das Verkaufspersonal. Manche von ihnen müssen am 24. Dezember bis um 20 Uhr arbeiten. Für all die Konsumentinnen und Konsumenten, die erst in letzter Minute merken, dass noch ein Geschenk fehlt. Oder der Saucenrahm. Oder das Klopapier. Bis dann die Angestellten nach Ladenschluss auch wirklich zuhause sind, ist es schon zu spät, um mit der Familie gemeinsam zu essen und zu feiern. Und die meisten sind dazu wohl auch zu müde.

Verkaufspersonal will sonntags frei haben

Aber es geht noch schlimmer: Das so genannte Night-Shopping bedeutet für die Angestellten, dass sie bis um 23 Uhr ausharren müssen. Wozu? Familien dürften kaum mehr am Shoppen sein sein, denn kleine Kinder gehören um diese Zeit ins Bett. Wer sonst? Einsame Singles, die ein bisschen unter die Leute kommen wollen? Gelangweilte Jugendliche, die sonst nichts mit sich anzufangen wissen?

Aus den Befragungen der Gewerkschaft Unia hat sich eindeutig ergeben: Die allermeisten Verkäuferinnen und Verkäufer wollen am Sonntag frei haben. Zeit für sich. Zeit für die Familie. Und das gilt wohl auch für den Abend. Ich finde, uns Konsumentinnen und Konsumenten ist durchaus zuzumuten, einmal für ein paar Stunden aufs Shoppen zu verzichten.

Wenn etwas wirklich Wichtiges fehlt im Haushalt, hilft die Nachbarin sicher gern aus. Oder ein Kollege. Oder man lässt sich eine kreative Lösung einfallen. Aber dass wegen eines vergessenen Weihnachtsgeschenks oder des noch fehlenden Klopapiers eine ganz Einkaufscenter-Infrastruktur inklusive Personal aufrechterhalten werden muss, ist komplett überflüssig.

Erst recht am Heiligabend.

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