AbwärtsspiraleWenn das Glas immer halb leer ist: So gewinnen Pessimisten mehr Gelassenheit
dpa
9.2.2018
Pessimisten richten den Blick auf alles, was schief gehen kann. Doch sie können lernen, sich optimistische Gedanken und damit das Leben leichter zu machen.
Schon die Definition im Duden klingt traurig. «Lebensauffassung von Menschen, die alles von der schlechten Seite betrachten», heisst es dort unter dem Stichwort Pessimismus. Besonders glücklich wirken Menschen mit einer solchen Einstellung tatsächlich nicht. Pessimisten trauen sich nur wenig zu und hadern lange mit Niederlagen. Das macht das Dasein zwar scheinbar sicherer, doch auch deutlich schwerer.
Denn Pessimisten befinden sich in einer verhängnisvollen Spirale. Weil sie sich wenig zutrauen, haben sie eher schlechtere Jobs und unbefriedigende Beziehungen. Das macht sie noch unzufriedener und bestätigt sie letztlich in ihrer trostlosen Auffassung vom Leben. «Hinzu kommt, dass sie auch für körperliche Krankheiten anfällig sind», erklärt der Psychologe Hans Onno Röttgers. Denn die schlechte Stimmung wirkt sich auch auf das Immunsystem aus.
Allerdings ist die Unterteilung in Optimisten und Pessimisten nicht ganz einfach. Man müsse sich am besten eine Skala vorstellen, rät Röttgers. Auf der einen Seite ist die Depression, auf der anderen zum Beispiel die Manie - solche Menschen kennen überhaupt keine realistischen Grenzen mehr. Beide Extreme sind krankhaft. Gesunde Menschen bewegen sich im mittleren Bereich der Skala, und zwar je nach Persönlichkeit im optimistischen oder pessimistischen Bereich.
Pessimismus hat kaum Vorteile
Fachleute sind sich einig, dass der Pessimismus nur sehr wenige Vorteile hat. «Sie sind vorsichtiger, bereiten sich besser auf mögliche Gefahren vor oder meiden diese von vornherein», erklärt Psychologe Rolf Merkle und ergänzt: «Wenn man nichts Positives erwartet, kann man auch nicht enttäuscht werden.» Allerdings bringen sich Pessimisten damit auch um die Vorfreude. Die Nachteile dieser Lebensanschauung überwiegen also bei weitem. Pessimismus hindert die Menschen daran, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.
Aber warum gibt es überhaupt Menschen, die mit einer negativen Einstellung durchs Leben gehen? Die Gründe sind vielfältig und zum Teil komplex. Es gibt Studien, nach denen eine Veranlagung zum Pessimismus vererbbar sein könnte. «Aber ganz entscheidend sind natürlich die Lebenserfahrungen in der frühen Kindheit», sagt Röttgers.
Ein wichtiger Begriff ist hier die erlernte Hilflosigkeit. Das Kind erfährt, dass es keinen Einfluss hat. Bei Erwachsenen sitzen solche prägenden Erfahrungen aus der Kindheit tief. Auch übertriebene Warnungen der Eltern oder anderer Bezugspersonen vor möglichen Gefahren des Lebens bleiben haften.
Doch jeder Mensch ist in jedem Alter lernfähig - und Optimismus kann gelernt werden. «Gut ist es, in seine Gedankenwelt erstmal Neutralität reinzubringen», rät Coach und Achtsamkeitslehrerin Elke Nürnberger. «Denn dann ist man in der Realität angekommen.» Es hilft auch sehr, in der Gegenwart zu leben - also sich nicht Horrorszenarien für die Zukunft auszumalen oder schlechte Erlebnisse immer wieder im Kopfkino zu wiederholen.
Körperhaltung gegen trübsinnige Gedanken
Wer in der Gegenwart lebt und sich immer mal wieder fragt: «Wie ist jetzt gerade, in diesem Moment, meine Situation?» wird oft zu der Antwort kommen: «Gut.» Zudem hilft es, bei beängstigenden Gedanken an die Zukunft auch immer an das Gegenteil zu denken. So malt sich etwa jemand voller Angst aus, er könne an Krebs erkranken. Eine solche Erkrankung ist natürlich möglich - doch genauso gut könnte er bei guter Gesundheit 90 Jahre alt werden.
Eine weitere gute Möglichkeit ist es, sich Verhaltensweisen von Optimisten abzuschauen. Diese sind zum Beispiel gut darin, mit Niederlagen umzugehen. Solche haken sie schnell ab. Ihre Erfolge würdigen sie dagegen ausgiebig. «Sie denken, dass sie das gut gemacht haben», erklärt Röttgers. Pessimisten handeln genau umgekehrt: Niederlagen wälzen sie aus. Immer wieder sagen sie sich, dass sie daran Schuld haben. Gelingt ihnen dagegen etwas, reden sie sich diesen Erfolg klein - etwa mit den Argumenten, dies hätte jeder gekonnt oder sei eben einfach nur Zufall gewesen.
«Begegnen Sie Misserfolgen mit der Einstellung: "Dieses Mal hat es nicht geklappt. Ich gebe mir eine zweite Chance und konzentriere mich darauf, wie ich es besser machen kann"», rät Merkle. Ausserdem sollten pessimistisch veranlagte Menschen die Gesellschaft von Pessimisten besser meiden. Denn sie bestätigen sich gegenseitig in ihrem Denken, das macht Änderungen der Sichtweise unnötig schwer.
Denn solche Veränderungen werden ohnehin nicht problemlos ablaufen. Innere Widerstände sind programmiert. Optimismus als «neues Denken» wirkt fremd und irgendwie nicht richtig. «Das ist ein langer Weg, das geht nicht von heute auf morgen», sagt Röttgers. Er hat noch einen Tipp für die richtige Körperhaltung für angehende Optimisten parat: Wer sich gut fühlen will, sollte sich aufrecht hinstellen und sich im Spiegel anlächeln. Das hilft zumindest ein bisschen gegen trübsinnige Gedanken.
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