Kolumne Yoga für Übergewichtige? Na klar!

Von Michelle de Oliveira

26.8.2019

Yoga ist auch für Übergewichtige eine Wohltat. Und zwar nicht, weil sie dadurch schlank und rank werden. Das ist nicht das Ziel. Sondern um sich in ihrem Körper wohlzufühlen.
Yoga ist auch für Übergewichtige eine Wohltat. Und zwar nicht, weil sie dadurch schlank und rank werden. Das ist nicht das Ziel. Sondern um sich in ihrem Körper wohlzufühlen.
Bild: Getty Images

Yoga ist zu einem Lifestyle für dünne Influencer geworden. Menschen, die nicht diesem vermeintlichen Ideal entsprechen, gehen nicht ins Yoga – aus Angst vor Body Shaming.

Yoga ist eine traditionelle philosophische Lehre aus Indien. Bei uns sind vor allem die Asana, die Körperübungen, bekannt. Wer dazugehören will, klemmt sich eine Yogamatte unter den Arm und trägt die Yogapants – so teuer wie eine Designer-Jeans – auch nach der Stunde noch, etwa um sich einen Sellerie-Saft für zwölf Franken oder eine Acai-Bowl für 18 Franken zu gönnen.

Yoga ist ein Lifestyle geworden. Und daran gibt es ganz und gar nichts auszusetzen. Je trendiger Yoga wird, umso mehr Leute machen Yoga. Das finde ich grossartig. Denn ich bin davon überzeugt, dass Yoga die Welt zu einem besseren Ort machen kann.

Der respektvolle Umgang mit sich selbst und anderen (Stichwort: Karma); die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen (Stichwort: Ausgeglichenheit) sowie die wissenschaftlich belegte Wirkung bei vielen Zivilisationskrankheiten (Stichworte: Rückenschmerzen und Stress) sind nur einige Aspekte, welche nachhaltige Veränderungen bei jeder Einzelnen und jedem Einzelnen auslösen können. Und damit die Welt ein Stück besser machen können.

Lifestyle für superdünne Influencer

Ein Problem gibt es aber dennoch: Yoga ist vor allem zu einem Lifestyle für superdünne Influencer geworden. Auf Social Media posten sie Bilder, auf denen sie ihre durchtrainierten, makellosen Körper zu Brezeln verrenken und scheinbar mühelos in unmenschlichen Positionen verharren.

Leider gehöre ich auch dazu, musste ich mir eingestehen: Als Yogalehrerin eifere ich herausfordernden Posen nach und bitte manchmal jemanden, ein Foto davon zu machen. Ganz klar Ehrgeiz und Eitelkeit, die im Yoga eben genau nichts verloren haben sollten. Der bekannte Yogi Sri K. Pattabhi Jois brachte es auf den Punkt: «Yoga is an internal practice. The rest is just circus.»

Und dieser Zirkus verdirbt Menschen, die nicht dem vermeintlichen Idealbild des superdünnen Yogis entsprechen – also ganz normalen Menschen – die Lust auf Yoga. Noch härter trifft es Übergewichtige.

Vor einiger Zeit schrieb mir eine übergewichtige Frau, dass dieser Körperwahn dafür sorge, dass dicke Menschen überhaupt nicht in Erwägung ziehen würden, Yoga zu machen. Sie hätten Angst, ihrer Körperfülle wegen diskriminiert zu werden. Sie fürchteten sich vor Body Shaming. Und das ist wirklich eine Schande.

Denn auch für Übergewichtige ist Yoga eine Wohltat. Und zwar nicht, weil sie dadurch schlank und rank werden – das ist nicht das Ziel. Sondern um sich in ihrem Körper wohlzufühlen, ihn wertzuschätzen und Selbstvertrauen zu gewinnen. Und dadurch gesünder zu werden.

Es ist an der Zeit, sich wieder auf den Ursprung zu besinnen: Yoga soll für alle zugänglich sein und das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist herstellen. Und damit mehr Gleichgewicht in die Welt bringen und sie so zu einem besseren Ort machen.

Zur Autorin: Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – im Leben und auf der Yogamatte. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich. www.michelledeoliveira.com

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