Nach über 100 Jahren Zürcher Traditionsclub Mascotte schliesst – sind daran wirklich Jugendliche schuld?

Lea Oetiker

9.5.2025

Der Club Mascotte ist eine Zürcher Institution und gilt als einer der ältesten Clubs der Schweiz.
Der Club Mascotte ist eine Zürcher Institution und gilt als einer der ältesten Clubs der Schweiz.
Bild: Keystone

Nach über 100 Jahren ist Schluss: Der Zürcher Club Mascotte schliesst im Juni 2025 für immer. Grund dafür: Rückläufige Bar-Einnahmen und das veränderte Ausgehverhalten Junger. Das sagt ein 16-Jähriger dazu.

Lea Oetiker

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der traditionsreiche Zürcher Club Mascotte schliesst im Juni 2025 nach über 100 Jahren endgültig.
  • Grund dafür sind unter anderem die rückläufigen Einnahmen an der Bar: Das Ausgehverhalten der jüngeren Generation macht dem Club zu schaffen.
  • Ein 16-Jähriger erklärt blue News, warum er auf Alkohol verzichtet.

Der traditionsreiche Zürcher Club Mascotte wird im Juni 2025 endgültig seine Türen schliessen. Nach mehr als einem Jahrhundert am Bellevue lassen die Betreiber den Mietvertrag zum Jahresende auslaufen.

Grund für die Schliessung sind laut Mitbetreiber Alfonso Siegrist rückläufige Einnahmen an der Bar, die um bis zu 30 Prozent gesunken sind, wie er dem «Tages-Anzeiger» erklärt. Besonders das veränderte Ausgehverhalten der jüngeren Generation, die weniger Alkohol konsumiert, mache dem Club zu schaffen

Hinzu kommen strukturelle Herausforderungen: Der denkmalgeschützte Standort im Corso-Haus bietet keine Möglichkeit für einen Aussenbereich, was den Sommerbetrieb erschwert.

Eine geplante Renovation des Gebäudes hätte so oder so einen zweijährigen Auszug bedeutet. Gleichzeitig ist das Angebot an Clubs, Outdoor-Events und Pop-ups in Zürich in den letzten Jahren stark gewachsen, was den Wettbewerb weiter verschärft.

Vorbilder beeinflussen Lebensstil

Weniger Alkoholkonsum, gesünderer Lebensstil. Immer wieder sind Jugendliche deswegen in den Medien. Was steckt dahinter? Linus ist 16 Jahre alt, er gehört noch knapp zur Generation Z. blue News erzählt er, dass er noch nie Alkohol getrunken habe. Der Grund dafür ist simpel: «Weil es gesünder ist, keinen zu trinken.»

Sport und einen gesunden Lebensstil spielen im Leben von Linus eine grosse Rolle. Fussball ist seine grösste Leidenschaft, dafür trainiert er fünfmal in der Woche. Jedes Wochenende Fussballmatch.

«Fitness und Gesundheit sind mir einfach wichtig, das will ich für den Alkohol nicht aufgeben. Entweder ganz – oder gar nicht», erzählt er weiter. Zudem habe er vom vielen Sport Knieprobleme bekommen und ab und an Schmerzen: Alkohol würde es nur noch schlimmer machen.

«Cristiano Ronaldo hat mir gezeigt, dass es auch ohne Alkohol geht»

Linus

Lehrling

Linus hat ein Vorbild, das ihm zu solch einem Lebensstil inspiriert hat: der Fussballstar Cristiano Ronaldo. «Er hat mir gezeigt, dass es auch ohne geht. Er hat in der Öffentlichkeit gesagt, dass er keinen Alkohol trinkt.» Doch keinen Alkohol zu trinken, hat für den 16-Jährigen noch weitere Vorteile: «Ich habe nie einen Hangover und viel mehr Geld im Kässeli», sagt er.

Jugendliche wollen lieber Zuhause trinken

Doch er gibt zu: «Natürlich habe ich auch schon Alkohol probieren wollen, aber nicht, weil ich etwas verpassen wollte. Einfach, weil es mich Wunder nahm.» Er liess es trotzdem sein. «Ich will einfach fit sein», fügt er hinzu.

Bei seinen Freunden ist es mal so und mal so: «Viele trinken ebenfalls nichts. Ein paar von ihnen nur ab und zu ein Bierchen, andere trinken wiederum mehr», erzählt er. 

Zum Clubsterben in Zürich und dazu, dass Junge daran Schuld sein sollen, sagt er: «Ich denke, junge Menschen wollen ihren Alkohol lieber selbst kaufen und ihn draussen oder bei jemanden Zuhause trinken. Es ist chilliger und flexibler.»

Jugendliche trinken tatsächlich weniger Alkohol

«Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren trinken in der Schweiz heute tatsächlich weniger Alkohol als früher. Seit dem Jahr 2010 ist ihr Konsum stark zurückgegangen», schreibt Markus Meury von der Stiftung Sucht Schweiz auf Anfrage von blue News. 

So sank der Anteil der Jugendlichen, die im letzten Monat Alkohol getrunken haben, von 29,9 Prozent auf 19,4 Prozent. Auch das Rauschtrinken im letzten Monat ging von 29 Prozent auf 17,6 Prozent zurück. Allerdings zeige sich laut Meury, dass jene Jugendlichen, die Alkohol konsumieren, teilweise auch riskant beziehungsweise viel trinken würden.

«Der Rückgang könnte auf das gesteigerte Gesundheitsbewusstsein der Erwachsenen zurückzuführen sein, das auf die jünger Generation abfärbt», sagt Meury. Anonyme Schülerbefragungen würden diesen Trend bestätigen. 

«Die Reduktion des Alkoholkonsums bei den Jugendlichen ist kaum schuld am Clubsterben. »

Markus Meury

Stiftung Sucht Schweiz

Zwischen 2002 und 2012 nahm der Alkoholkonsum bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren sowie jungen Erwachsenen in der Schweiz deutlich zu. In den Jahren danach sank er jedoch wieder fast auf das Niveau von 2002. 

Rauschtrinken immer noch verbreitet

Während der tägliche Alkoholkonsum in dieser Altersgruppe kaum noch eine Rolle spielt, bleibt das Rauschtrinken weiterhin verbreitet: 2022 gab etwa jeder fünfte Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren an, mindestens einmal pro Monat riskant viel Alkohol zu trinken, bei den 20- bis 24-Jährigen war es sogar rund ein Drittel. Das zeigt das «Schweizer Monitoring-System».

«Die Reduktion des Alkoholkonsums bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist also kaum schuld am Clubsterben. Es ist eher das Ausgehverhalten», erklärt Meury weiter.

Soziale Medien haben einen wechselseitigen Einfluss auf das Trinkverhalten von Jugendlichen. Laut Meury sind Jugendliche durch Werbung empfänglicher als Erwachsene – das gilt auch für Alkohol-Werbung und die damit verbundene Normalisierung des Konsums im Alltag.

«Wer mit mehr Alkoholreizen konfrontiert ist, trinkt im Schnitt auch mehr Alkohol», so Meury. Die Rolle der Influencerinnen sei deshalb sehr unterschiedlich: «Gewisse stellen ohne Bedenken ihren Alkoholkonsum zur Schau, einige sind sogar dafür bezahlt, ohne es zu deklarieren. Andere wiederum promoten einen gesunden Lebensstil und die Reduktion des Alkoholkonsums respektive die Abstinenz.»

Konzerte werden im Plaza stattfinden

Der Club Mascotte ist eine Zürcher Institution und gilt als einer der ältesten Clubs der Schweiz. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1916 im Corso-Haus am Sechseläutenplatz hat der Club die kulturelle Geschichte Zürich massgeblich mitgeprägt. 

Über vier Generationen hinweg war das Mascotte ein Treffpunkt für Musikliebhaber, Tanzbegeisterte und Nachtschwärmer, an dem internationale Grössen wie Louis Armstrong, Josephine Baker oder Sammy Davis Jr. auftraten.

Die aktuellen Betreiber des Clubs, darunter Alfonso Siegrist, führten den Club 21 Jahre lang. Sie veranstalteten zahlreiche Partys und rund 800 Konzerte – oft mit Bands, die später weltbekannt wurden. Beispielsweise Arcade Fire oder MGMT. Künftig sollen vermehrt Konzerte im ebenfalls von der Betreibergruppe geführten Plaza stattfinden.


Mehr Videos aus dem Ressort

Noah di Bettschen: «Das Trinken von Alkohol fühlte sich wie eine Umarmung meines Vaters an»

Noah di Bettschen: «Das Trinken von Alkohol fühlte sich wie eine Umarmung meines Vaters an»

Noah di Bettschen ist Maler. Der 22-Jährige schaffte innert Kürze, was andere Künstler*innen nie gelingt: Er lebt vom Verkauf seiner Bilder. Ein Gespräch über den Kunstmarkt, schwierige Familienverhältnisse und zu viel Alkohol.

10.07.2024