Neue Studie So stark setzt Hass im Internet Schweizer Jugendlichen zu

Von Michael In Albon

23.8.2021

Hatespeech im Internet geht an Jugendlichen nicht spurlos vorbei.
Hatespeech im Internet geht an Jugendlichen nicht spurlos vorbei.
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Der neue JamesFocus-Bericht der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom zeigt: Rund die Hälfte der befragten Jugendlichen sind mehrfach pro Woche Hatespeech ausgesetzt. Die Hasskultur im Netz könnte weitreichende Konsequenzen haben.

Von Michael In Albon

23.8.2021

Das Internet ist eine wunderbare Sache. Messenger-Dienste, Social-Media, Online-Shopping oder Streaming-Dienste gehören bei uns heute zum Alltag.

Doch das Netz hat auch seine Schattenseiten: Durch die Anonymität und Distanz, die das Internet bietet, werden auch Beleidigungen und Diskriminierungen einfacher. So wurde in den vergangenen Jahren die Hassrede vor allem in den sozialen Medien immer mehr zum Problem.

Wie oft Jugendliche von Hass im Internet betroffen sind und was sie als diskriminierend wahrnehmen, zeigt jetzt der neue JamesFocus-Bericht, der von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) und Swisscom herausgegeben wird.

Hassrede betrifft (zu) viele Jugendliche

Die Ergebnisse zeigen: Die heutige Situation ist besorgniserregend. Laut der Studie begegnen rund die Hälfte der befragten Jugendlichen mehrmals pro Woche Hasskommentaren im Internet, ein weiterer Viertel zumindest monatlich.

Vor allem ältere Jugendliche zwischen 16 und 19 müssen sich beim Zeitvertreib im Netz mit wuterfüllten Kommentaren herumschlagen. Mädchen sind dabei der Hate Speech öfter ausgesetzt als Jungs. Oft werden die Opfer aufgrund ihres Äusseren beleidigt, gefolgt von Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Herkunft und Hautfarbe.

Mädchen beschäftigen sich, so die Forscherinnen und Forscher im Bericht, stärker mit sozialen Netzwerken wie Snapchat und Tiktok. Diese Plattformen sind stark auf das Posten von Bildern ausgelegt. Dort passieren in der Folge oft Diskriminierungen aufgrund des Aussehens.

Hassrede hinterlässt Spuren

Zum Glück besteht bei den Jugendlichen breiter Konsens, dass Hasskommentare sowohl feige als auch eine Zeitverschwendung sind. Trotzdem zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Hasskommentare nicht spurlos an den jungen Menschen vorbeigehen. Vor allem Mädchen berichten von emotionalen Reaktionen auf hasserfüllte Beiträge: drei Viertel von ihnen geben an, dass die Kommentare sie entsetzt und traurig machen.

Und obwohl sich die Jungs scheinbar weniger davon beeindrucken lassen, bleibt Hatespeech ein grosses Problem: Die Studie kommt zum Schluss, dass der Unterschied der Geschlechter im erwarteten Bereich aufgrund der sozialen Rollenbilder liegt. Weil Jungs den «starken, dominanten Mann» geben wollen, berichten sie weniger über das emotionale Empfinden. Das schlägt sich in der Statistik nieder.

Alles nur Spass?

Doch nicht allen Jugendlichen gehen die beleidigenden Beiträge nahe. Rund ein Drittel der befragten Knaben gab an, die Kommentare interessant oder belustigend zu finden, während fast die Hälfte der Jungs sogar ein gewisses Verständnis für Hasskommentare aufbringen kann.

Die Forschenden konnten im Rahmen der Studie zwar nicht eruieren, weshalb diese Akzeptanz für den Hass so hoch ist, doch sie wagen die Prognose, dass auch hier das männliche Rollenbild seinen Teil dazu beiträgt. Céline Külling von der ZHAW sagt diesbezüglich: «Zum einen könnte es sein, dass sich Knaben an der Rolle des ‹starken, dominanten Mannes› orientieren, der auch mal einstecken können muss und dem solche Kommentare nichts anhaben können, sondern ihn sogar noch belustigen. Zum anderen zeigen Studien, dass Männer eher zur Täterschaft von Hasskommentaren zählen, was auch das Verständnis für solche Kommentare erhöhen könnte.»

Der Anteil der Mädchen, die über Hatespeech lachen können, liegt dagegen mit 10, beziehungsweise 14 Prozent ein ganzes Stück tiefer.

Weitreichende Folgen von Hatespeech

Die Studienautorinnen und -autoren gehen in ihrer Analyse schliesslich so weit, dass sie konstatieren: «Das Thema kann also durchaus als besorgniserregend eingestuft werden, denn Hassbotschaften haben nicht nur für die persönlich Betroffenen weitreichende Folgen, sondern können auch dazu führen, dass selbst nicht direkt Betroffene durch die Beobachtung von Hassrede sich weniger trauen, online ihre (politischen) Meinungen zu äussern.» Dies könne dazu führen, dass der Anschein einer Mehrheitsmeinung entsteht. Der Hass erhalte so zu viel Gewicht und schade dem politischen Diskurs.

Der fehlende Respekt in manchen Bereichen der Online-Kommunikation ist also bedenklich für unsere Gesellschaft und riskant für die Kinder. Viele Jugendliche lernen fälschlicherweise, dass es in Ordnung ist, im Netz respektlos zu kommunizieren. Daher bietet Swisscom Betroffenen, Eltern und Lehrpersonen auf ihrer neuen Ratgeberseite Tipps und Unterstützung an.


Was du gegen Hass im Netz unternehmen kannst:

Obwohl Hassrede inzwischen zum Alltag vieler Jugendlichen gehört, ist man ihr nicht machtlos ausgesetzt. Die Swisscom hat kürzlich mit «Mute The Hate» eine Online-Kampagne gegen Hass im Netz lanciert und zeigt, was man gegen hasserfüllte Kommentare und deren Verfasserinnen und Verfasser unternehmen kann.

Auch der JAMESFocus-Bericht bietet sechs Tipps zum Umgang mit Hatespeech:

  • Zuerst überlegen, dann posten: Jede und jeder sollte sich bewusst sein, dass am anderen Ende der digitalen Kommunikation wieder ein Mensch steht. Es gelten online die gleichen Verhaltensregeln wie offline.
  • Für andere einstehen: Man kann Hatespeech-Opfern helfen, indem man beispielsweise Screenshots anfertigt, um später Beweismaterial vorweisen zu können. Wer betroffen ist von Hass im Netz fühlt sich oft verunsichert und ist froh um Unterstützung.
  • Gegenrede: Hatespeech darf nicht so stehengelassen werden, sonst entsteht fälschlicherweise der Eindruck, dass Hatespeech eine Mehrheitsmeinung darstellt – tut sie nämlich nie. Dabei will man nicht die Hater umstimmen, sondern setzt ein Zeichen für alle anderen, die mitlesen.
  • Technische Hilfsmittel wie der «Bot Dog» von Alliance F helfen, Hassrede aufzuspüren und zu melden.
  • Unangebrachte Inhalte melden: Hassrede, die Personen diskriminiert, sollte gemeldet werden. Wie man das tut erfahrt ihr hier oder im neuen Instagram-Guide von Swisscom.
  • Weitere nützliche Tipps im Umgang mit Hatespeech bietet auch die Seite «stophatespeech.ch».

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Michael In Albon leitet «Schulen ans Internet» und ist Jugendmedienschutz-Beauftragter sowie Medienkompetenz-Experte.
Michael In Albon leitet «Schulen ans Internet» und ist Jugendmedienschutz-Beauftragter sowie Medienkompetenz-Experte.
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