Elektrizität Welcher Strom kommt bei mir aus der Steckdose?

Marius Schlegel, Nachhaltigkeitsblog

19.1.2018

Wir können es Ihnen verraten: Aus allen Schweizer Steckdosen kommt der gleiche Strom – egal, was Sie bestellt haben. Dennoch: Es gibt Möglichkeiten, wie man nachhaltigen Strom als Verbraucher fördern kann.

Strom muss immer in genügender Menge verfügbar sein. Alle Leitungen der Schweiz sind im gleichen Netz zusammengeschlossen. Dieses Netz wird von einer Vielzahl an Kraftwerken gespeist.

Sie liefern Strom aus Wasserkraft, Windkraft, Holzkraft, Erdwärme, Biomasse, Kernenergie, Kehrichtverwertung und Sonnenenergie. Der Mix fliesst dann in die Steckdosen unserer Haushalte – und zwar überall der gleiche:

Gemischte Dose

Für uns Verbraucher sind bezüglich Elektrizitätsproduktion keine Unterschiede festzustellen, die Lampe brennt unabhängig der Stromart immer gleich. Auch kann der Kunde nicht wählen, welcher Strom aus seiner Steckdose kommen soll. Selbst wenn er Solarstrom bestellt, enthält sein Strom viele Anteile anderer Stromarten. Das ist so, weil das Stromnetz ein Pool ist, der keine Unterteilungen kennt. Einen Unterschied kann der Kunde dennoch machen. Er entscheidet mit, aus welcher Quelle der Strom im Pool kommen soll, also welche Art der Stromherstellung er unterstützen möchte. Die Macht des Privatkunden besteht somit nur in der Wahl der Stromart, die in das Netz eingespeist wird, und der Menge an Strom, die er verbraucht.

Die richtige Stromwahl

Wählt man umweltgerechten Strom, wird damit der Bau von ökologischen Produktionsanlagen unterstützt. Somit macht man sich für erneuerbare Energie stark. Wird mehr Solarstrom nachgefragt, kaufen die Anbieter mehr Solarstrom bei den Kraftwerken ein bzw. müssen neue Anlagen gebaut werden, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Wir können als Stromkunden somit das Angebot der Stromhersteller beeinflussen.

Herkunftsnachweise

Um sicherzustellen, dass der bestellte Strom auch tatsächlich von den richtigen Anbietern und der bestellten Stromart in den Pool gelangt, gibt es sogenannte Herkunftsnachweise. Diese bestätigen, dass eine entsprechende Menge einer bestimmten Art Strom in einem festgelegten Zeitraum von einem Anbieter ins Netz eingespeist wird.

Die Energiewende mitgestalten

Wer die Energiewende aktiv mitgestalten möchte, kann sich alternativ auch gleich in die Genossenschaft eines Kraftwerks einkaufen. Um sich bei einem lokalen Kraftwerk beteiligen zu können, lohnt sich eine kleine Recherche im Internet. Genossenschafter zu werden ist inzwischen bei vielen Projekten erneuerbarer Energie möglich.

So gibt es zum Beispiel die Stromallmend, die sich genossenschaftlich organisiert und einen Zusammenschluss aus vielen Solardächern in der Schweiz zusammensetzt. All diese Dächer zusammen bilden ein riesiges Solarkraftwerk.

Oder das Projekt e-can, ein Crowdfunding-Projekt (Gruppenfinanzierung) mit dem Ziel, 10'000 Haushalten für die kommenden zehn Jahre Strom aus Wasserkraft zu einem festgelegten Preis zu garantieren.

Wir haben mit Bruno Vogler, Produktmanager und Einkäufer Elektrizität bei Swisscom, gesprochen:

«Bluewin»: Bruno Vogler, im Mai 2017 hat das Schweizer Stimmvolk die Energiestrategie 2050 des Bundes genehmigt. Wird es dereinst möglich sein, die Schweiz nur noch mit erneuerbarer Energie zu versorgen?

Bruno Vogler: Der Endenergieverbrauch der Schweiz lag 2015 bei rund 233 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Dabei war der Bedarf an Elektrizität bzw. Strom bei zirka 58 Milliarden kWh (25 Prozent). Rund 65 Prozent (150 Milliarden kWh) des Schweizer Energiemix ist fossil (Treib- und Brennstoffe). Der Energiemix zeigt, dass eine vollständige Versorgung der Schweiz mit erneuerbarer Energie aus heutiger Sicht ein äusserst schwer erreichbares Ziel wäre.

Betrachtet man nur den Strom, so sind gegenwärtig rund 60 Prozent der Schweizer Produktion mit erneuerbaren Herkunftsnachweisen hinterlegt, davon hauptsächlich Wasserkraft. Werden die Richtwerte der Energiestrategie 2050 eingehalten und entwickelt sich die Bevölkerung gemäss den Annahmen des Bundes, würden die Wasserkraft und andere erneuerbaren Energien im Jahr 2035 rund 80 Prozent des Strombedarfs in der Schweiz decken. Der Rest des Verbrauchs müsste mit europäischen Herkunftsnachweisen gedeckt werden.

Je nach Stromversorger können noch nicht alle Kunden selber wählen, ob sie Strom aus nachhaltigen Quellen beziehen resp. fördern möchten. Ist das eine Frage der Zeit oder sollten Konsumenten Druck machen?

Die allermeisten lokalen Stromversorger bieten Stromprodukte aus 100 Prozent erneuerbarer Energie an. Somit ist es trotz der heutigen Monopolsituation für Haushalte und kleinere Unternehmen möglich, in ihren Versorgungsgebieten den Produktemix selber zu bestimmen. Zu beachten gilt es, dass gegenwärtig nur 60 Prozent der Schweizer Produktion auch wirklich erneuerbar ist. Hier stellt sich die Frage, ob die Kunden bereit sind, deshalb auf den Kauf ausländischer Herkunftsnachweise auszuweichen.

Bruno Vogler ist Produktmanager und Einkäufer Elektrizität bei Swisscom.
Bruno Vogler ist Produktmanager und Einkäufer Elektrizität bei Swisscom.
Bild: Swisscom

Sollte es seitens der Stromlieferanten nicht normal sein, dass sie nachhaltigen Strom liefern und der Kunde nur auf seinen expliziten Wunsch hin mit nicht erneuerbarem Strom wie Atomenergie versorgt wird?

Bereits heute liefern einige Stromversorger als Standard und ohne Widerruf erneuerbare Energie. Wo dies nicht der Fall ist, kann der ökologische Mehrwert vom Kunden bestellt werden.

Wenn dereinst der Strommarkt komplett liberalisiert sein wird, ist das gut oder schlecht für die Nachhaltigkeit unseres Elektrizitätskonsums?

Das kann man so nicht beantworten, denn Endverbraucher haben bereits heute die Wahlfreiheit. Sprich sie können sich auch für nicht erneuerbare Energie entscheiden. Dennoch gehe ich davon aus, dass die vollständige Liberalisierung den nachhaltigen Stromkonsum weiter fördern wird. Denn mit der Nachfrage steigt auch der Wert von erneuerbaren Energien.

Viele Unternehmen – auch Swisscom – schmücken sich damit, ihren Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Solche «Herkunftsnachweise» sind doch bloss moderner Ablasshandel, um sich «grüner» zu geben.

Jeder Herkunftsnachweis garantiert die entsprechende Produktion und Einspeisung der ausgestellten Menge an erneuerbarer Energie in das Netz. Unternehmen, welche sich auf diesem Weg erneuerbare Energie beschaffen, leisten einen wichtigen Beitrag an die Umweltverträglichkeit der Stromproduktion. Ist die Nachfrage nach bestimmten Herkunftsnachweisen gross, so steigt deren Preis, was die entsprechenden Produktionstechnologien fördert – so auch die erneuerbaren. Von einem Ablasshandel würde ich in diesem Zusammenhang also nicht sprechen.

Was können Unternehmen tun, damit der Stromverbrauch der ganzen Schweiz nachhaltiger wird?

Die Effizienz steigern und das ganze Potential von möglichen Produktionen in Anspruch nehmen (Wärmepumpen, PV-Anlagen, Abwärmenutzung usw.). Auch ist es seit 2018 möglich, Eigenverbrauchsgemeinschaften zu bilden, die ihren Strombedarf zumindest teilweise selber produzieren. Als Teil dieser Gemeinschaften weiss der Konsument genau, woher sein Strom stammt. Nur wenn es uns gelingt, dass Bewusstsein in der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf erneuerbare Energien zu steigern, können wir die ambitionierten Ziele der Energiestrategie 2050 erreichen.

Über den Nachhaltigkeitsblog

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Marius Schlegel ist Experte für klimafreundliche Services, Mobile Aid sowie Energie- und Klimapolitik im Corporate-Responsibility-Team von Swisscom.
Marius Schlegel ist Experte für klimafreundliche Services, Mobile Aid sowie Energie- und Klimapolitik im Corporate-Responsibility-Team von Swisscom.
Bild: Swisscom
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