Bötschi fragt FDP-Präsidentin Petra Gössi: «Ich muss nicht allen gefallen»

Von Bruno Bötschi

24.4.2018

Petra Gössi: «Ich verstehe natürlich auch, dass die Leute Freude haben, wenn sie jemanden, der im Fokus steht, in Alltagssituationen erleben und näher kennenlernen können.»
Petra Gössi: «Ich verstehe natürlich auch, dass die Leute Freude haben, wenn sie jemanden, der im Fokus steht, in Alltagssituationen erleben und näher kennenlernen können.»
SRF

FDP-Präsidentin Petra Gössi sagt, warum sie nicht allen Schweizern mit ihrer Politik gefallen will, äussert sich zum ersten Mal zur Sexismus-Debatte #MeToo und erklärt, weshalb sie ihr Privatleben konsequent abschottet.

Das Büro von Petra Gössi: Hohe Stuckdecke, an der Wand hängen drei grosse, blaue Bilder, vor dem Pult steht ein Huhn aus Metall. Der Journalist wartet am grossen, schwarzen Tisch und trinkt Kaffee.

Die FDP-Präsidentin kommt mit einer Viertelstunde Verspätung: Gössi, sie trägt eine helle Kurzarm-Bluse, strahlt über das ganze Gesicht. Die Geschäftssitzung, die länger gedauert hat als geplant, scheint mit einem positiven Resultat beendet worden zu sein.

Bluewin: Frau Gössi, wir machen heute ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen und Sie antworten möglichst schnell und spontan. Passt Ihnen eine Frage nicht, sagen Sie einfach «weiter».

Petra Gössi: Okay.

Matterhorn oder Mythen?

Natürlich die Mythen. Sie sind die Hausberge meines Heimatkantons Schwyz. Ich war schon auf dem Kleinen und dem Grossen Mythen. Die Mythen sind mindestens so markant wie das Matterhorn, einfach etwas weniger gut vermarktet (lacht laut).

Brot oder Rosen?

Brot esse ich fast täglich. Rosen sind schön anzuschauen und riechen fein, aber Brot ist wichtiger.

Angela Merkel oder Doris Leuthard?

Doris Leuthard. Sie ist schon sehr gewinnend mit ihrem Lachen.

Ihre konzentrierteste Tageszeit?

Meine unkonzentrierteste Tageszeit ist am Morgen gleich nach dem Aufstehen. Die konzentrierteste Zeit ist, wenn ich mich nach dem ersten Kaffee hinsetze und mit der Arbeit beginne (lacht).

Wann waren Sie das letzte Mal im Ausgang?

Am letzten Samstag.

Wie oft schaffen Sie es derzeit ins Fitnessstudio pro Woche?

Zweimal pro Woche und darauf bin ich richtig stolz. Ich mache auch gerne Sport im Freien, gehe joggen und bin in den Bergen unterwegs.

Wirklich wahr, dass Sie als Kind Meeresbiologin werden wollten?

Ja. Ich habe früh mit Tauchen angefangen. Im Wasser sieht und hört man ganz andere Sachen. Vieles in der Unterwasserwelt ist noch unbekannt. Das fasziniert mich.

Hopsa, sie lacht schon wieder. Petra Grössi scheint zufrieden mit sich und ihren sportlichen Aktivitäten zu sein. Das waren bisher alles brave Fragen. Na dann, erhöhen wir die Gangart, kommen wir zur Politik.

Welches war Ihre erste politische Handlung – und wann?

Im Gymi war ich Mitglied des Stufenparlamentes. Ich vertrat die Interessen der Schüler gegenüber der Lehrerschaft.

Kurz vor Ihrer Wahl zur FDP-Präsidentin vor zwei Jahren sagten Sie in einem Interview: «Ich kann dann vor allem Krallen zeigen, wenn es nötig wird.» Wann war das zuletzt nötig?

(Überlegt lange) Kürzlich bin ich am Telefon verbal mit einem Journalisten zusammengeprallt. Wir sind beide laut geworden. Aber am Ende haben wir das Problem miteinander so aufgleisen können, dass es das nächste Mal besser funktionieren wird. Wer Leute zusammenbringen will, muss bestimmt auftreten können. Das erlebe ich als Parteipräsidentin immer wieder.

Stimmungswechsel. Das fand sie jetzt die erste schwierigere Frage. Man spürt: Jetzt muss sie aufpassen, was sie sagt. Sonst steht es morgen in der Zeitung.

Haben Sie schon herausgefunden, mit welcher Ausrede man sich am besten bei langweiligen Sitzungen entschuldigt?

Langweiligen Sitzungen darf es eigentlich nicht mehr geben. Das wäre Zeitverschwendung und deshalb muss man in so einem Fall von Vornherein sagen: «Sorry, dann müssen wir uns nicht treffen.»

Wovon handelte Ihr letztes Telefonat mit Bundesrat Ignazio Cassis?

Das war an einem Sonntagnachmittag und es ging um eine Aussage in der Presse.

Petra Gössi: «Natürlich muss man für Probleme wie verstopfte Strassen in den Städten Lösungen finden. Aber deswegen die Zuwanderung zu verteufeln, geht schlicht und einfach nicht an.»
Petra Gössi: «Natürlich muss man für Probleme wie verstopfte Strassen in den Städten Lösungen finden. Aber deswegen die Zuwanderung zu verteufeln, geht schlicht und einfach nicht an.»
Keystone

So grundsätzlich: Sind Ihnen die Menschen sympathisch?

Ja sehr. Sonst dürfte ich nicht in der Politik tätig sein. Als Politiker muss man die Menschen gerne haben, egal welcher Partei man angehört.

Was ist das grosse Thema von Petra Gössi?

Politisch oder wie meinen Sie das? Ein Thema, das mich schon immer begleitet, ist, dass ich das Leben liebe. Ich will Freude haben, an dem was ich tue. Freude ist der grosse Antreiber meines Lebens.

Bei welchem Wahlkampfthema müssen Sie aufpassen nicht wütend zu werden?

Mir geht es weniger um das Themensetting. Denn ein Wahlkampfthema wird nur dann aufgenommen, wenn es auch tatsächlich seine Berechtigung hat. Was mich hingegen hässig macht, ist, wenn gelogen wird. Oder ein Thema wird so verdreht, dass es nichts mit der Realität zu tun hat.

Bei Ihrem Erfolg: Fällt Ihnen manchmal schwer, Ihren politischen Gegner überhaupt noch ernst zu nehmen?

Ich bin sehr geerdet und gehe mit jedem Menschen respektvoll um. Abgesehen davon: Was heisst schon Erfolg in der Politik? Wir haben gerade Wahlen gewonnen. Das freut mich sehr. Aber wir müssen extrem dranbleiben, dass das auch weiterhin so sein wird. Überheblichkeit ist mir fern.

SVP-Präsident Albert Rösti sagte kürzlich in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger»: «Verstopfte Strassen in Städten, Wohnungsnot, Arbeitsplatzgefahr: Das sind alles Folgen der hohen Zuwanderung.» Wahr oder nicht?

Natürlich muss man für Probleme wie verstopfte Strassen in den Städten Lösungen finden. Aber deswegen die Zuwanderung zu verteufeln, geht schlicht und einfach nicht an. Wir Schweizer haben unser Mobilitätsverhalten in den letzten Jahren verändert: Viele haben daheim zwei Autos. Man wohnt heute allein auf einer Fläche von 130 Quadratmetern. Früher lebte man zu fünft auf 70 Quadratmeter Fläche. Wir haben heute eine ganz andere Anspruchshaltung. Das alles hat nichts mit der Zuwanderung zu tun. Ohne Zuwanderung ginge es uns Schweizerinnen und Schweizern heute schlechter. Dass es unserer Wirtschaft gut geht und wir eine tiefe Arbeitslosigkeit haben, ist zu einem guten Teil der Zuwanderung zu verdanken.

Die SVP will mit tiefen Steuern reiche Ausländer und Firmen anziehen. Und das, obwohl die Partei mit der Zuwanderungs-Initiative gegen die Zuwanderung kämpft. Schizophren oder nicht?

Das passt tatsächlich nicht zusammen. Aber wieso die SVP das macht, müssen Sie die Verantwortlichen selber fragen.

Weil die SVP ein paar Wahlen und Abstimmungen verloren hat in den letzten zwei Jahren, will es die Partei auf die nächsten nationalen Wahlen hin mit Hausbesuchen versuchen. Die SP tut das schon länger wann geht die FDP von Tür zu Tür?

Es ist ein grosses Thema, wie publikumsgerichtet man seine Botschaften absetzen kann. Junge Menschen interessieren sich nicht für die gleichen Themen wie ältere Menschen. Wir bei der FDP sind da gut gerüstet. Der Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern zu Hause hat zum Teil auch schon stattgefunden. Ich denke da an einzelne FDP-Gemeinderatskandidaten in der Stadt Zürich, die das gemacht haben. Das ist Alltag in der Politik, das gehört mit dazu.

An der Delegiertenversammlung im März sagten Sie zum Parteiziel 2019: «Wir müssen nicht allen gefallen. Ich will nicht 100 Prozent. Aber ich will die SP überholen.» Bleibt die Frage: Wem wollen Sie gefallen?

Ich will jenen Leuten gefallen, die gerne in Freiheit leben, die gerne eigenverantwortlich und selbstbestimmt durch das Leben gehen und die nicht wollen, dass der Staat ihnen alles vorschreibt. Und ich will denen gefallen, die sagen: Ich bin bereit, meine Probleme selber zu lösen und dadurch den Gemeinsinn viel stärker leben. Ich bin überzeugt davon, dass die Solidarität so untereinander besser spielt. Ich warte nicht darauf, so wie es die SP tut, dass der Staat diese Rolle übernimmt. Der Staat ist anonym, und das hat nichts mit Gemeinsinn zu tun.

Und wem wollen Sie nicht gefallen?

Ich muss denen nicht gefallen, die wollen, dass ihnen der Staat alle Sorgen abnimmt und bestimmt, wie ihr Leben aussehen soll. Und ich muss auch denen nicht gefallen, die die Schweizer Grenzen hochziehen und sich abschotten wollen und nicht bereit sind, konstruktiv in die Zukunft zu sehen.

Sind die Schweizer jetzt eigentlich eher beliebt oder unbeliebt im Ausland?

Die Schweiz hat ein sehr gutes Ansehen im Ausland. Wir Schweizer sind auch die, die aufgrund unseres Wohlstandes in der ganzen Welt unterwegs sein können. Und darum trifft man auch immer und überall Schweizer. Wir sind beliebt.

Welcher typische Schweizer Minderwertigkeitskomplex geht Ihnen auf die Nerven?

Faszinierend finde ich, dass die Menschen in den Bergregionen, über die oft gesagt wird, sie hätten keine Ahnung vom Leben, meist offener und innovativer sind als andere.

2017 sagten Sie in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag»: «Unterschätzt zu werden, hilft in aller Regel.» Ist das nach wie noch Ihre Meinung?

Das ist immer noch so.

Ein typisches Männerspiel, bei dem Sie unschlagbar sind?

Ich mache zwar gerne Sport, bin aber keine Kanone. Ich glaube, ich würde überall geschlagen werden.

Was sind das für Fragen. Stimmt!

Ist es sexistisch, wenn ein Bauarbeiter einer Frau hinterherpfeift?

Wenn es humorvoll gemeint ist, kann es charmant sein. Aber natürlich weiss ich, dass es verschiedene Arten von Pfiffen gibt.

Petra Gössi: «Die Diskussion über #MeToo führt nicht zu einer Entspannung der Situation, sondern dazu, dass sich viele Männer heute fragen: Darf ich das überhaupt noch?»
Petra Gössi: «Die Diskussion über #MeToo führt nicht zu einer Entspannung der Situation, sondern dazu, dass sich viele Männer heute fragen: Darf ich das überhaupt noch?»
Keystone

Wie viel Altmännergehabe gibt’s in der Schweizer Politik?

Rollenmuster gibt es in der Politik nach wie vor. Die Politik bildet die Gesellschaft ab, da gibt es keine Unterschiede. Geblieben ist mir eine  Geschichte, die ich nach meiner Wahl in den Schwyzer Kantonsrat 2004 erlebt habe. Nach der ersten Sitzung kam ein älteres Ratsmitglied auf mich zu und sagte: «Es ist schön, dass es jetzt mehr Frauen im Parlament hat. Vielleicht gibt es jetzt auch einmal selbstgebackenen Kuchen in den Pausen.» Die Aussage kam total von Herzen und deshalb fand ich sie schön.

Haben Sie jenseits von verunglückten Komplimenten im Bundeshaus auch Übergriffe erlebt? Also Dinge, von denen Sie sagen würden: Das ging zu weit.

Nein, solche Erfahrungen habe ich noch nie gemacht.

Verschlechtert oder verbessert sich das Zusammenleben von Frauen und Männern gerade?

Stirnrunzeln. Man muss wissen, Petra Gössi hat sich bisher noch nie zur Sexismus-Debatte #MeToo geäussert. Wenn dieses Interview von etwas handeln muss, dann von ihrem Schweigen über dieses viel diskutierte Thema.

Es verkompliziert sich. Vor allem, wenn man offiziell unterwegs ist. Ich glaube, die Diskussion über #MeToo führt nicht zu einer Entspannung der Situation, sondern dazu, dass sich viele Männer heute fragen: Darf ich das überhaupt noch? Oder wird es falsch aufgefasst?

Was halten Sie von der aktuellen Sexismus-Debatte mit dem Hashtag #MeToo?

Belästigungen oder sogar Gewalt zwischen Männern und Frauen darf es nicht geben, da gibt es keinen Spielraum. Die #MeToo Debatte ist wichtig. Wenn aber prominente Vertreterinnen der Debatte den Eindruck erwecken, als Frau grundsätzlich wehrlos zu sein und nicht für sich selber einstehen zu können, dann läuft etwas falsch.

Warum werden Frauen, die an die Macht wollen, so stark wegen Äusserlichkeiten angegriffen?

Frauen sind stark. Es ist einfacher, sich über Äusserlichkeiten auszulassen, als sich mit ihnen über Sachpunkte zu unterhalten.

51 Prozent der Menschheit sind Frauen. Rein rechnerisch sind die Frauen also selber schuld, dass Sie in wichtigen Gremien nicht die Mehrheit stellen. Wahr oder falsch?

Falsch. Was aber stimmt: Die breite Basis der Frauen muss sich mehr zutrauen. Ich sehe das auch in der Politik. Männer lassen sich mit grosser Selbstverständlichkeit für eine Wahl aufstellen, auch wenn sie nicht als Politiker geboren werden. Frauen hingegen wägen viel mehr ab: Kann ich das? Traue ich mir das zu? Politik ist learning by doing und Frauen können das genauso gut wie Männer. Allerdings ist die Vereinbarkeit von Kindern, Beruf und Politik für eine Frau praktisch unmöglich. Kinder und Beruf geht, Kinder und Politik auch, Beruf und Politik ebenfalls. Alle drei Herausforderungen zusammen sind kaum zu schaffen.

Und beim Mann?

Männer haben es in dieser Hinsicht oft einfacher, weil ihnen die Frauen den Rücken frei halten und zu den Kindern schauen.

Verdienen Sie als FDP-Präsidentin eigentlich gleichviel wie Ihr Vorgänger Philipp Müller?

Ich weiss nicht, was er verdient hat. Als Parteipräsident oder -präsidentin verdient man nicht viel. Diese Aufgabe übernimmt man nicht des Geldes wegen. Hingegen erhalte ich als Nationalrätin einen sehr guten Lohn.

Der Grundsatz der Lohngleichheit für Frau und Mann ist in der Bundesverfassung und im Gleichstellungsgesetz verankert. Trotzdem sind die Lohnunterschiede in der Schweiz gross. Frauen verdienen in unserem Land durchschnittlich 20 Prozent weniger. Warum lassen die Frauen sich das gefallen?

Woher haben Sie diese Zahl? Meines Wissens sind es fünf Prozent Lohnunterschied, die nicht erklärbar sind. Frauen getrauen sich oftmals nicht, Forderungen zu stellen. Sie müssen noch viel besser lernen, für ihre Interessen einzustehen. Das alleine reicht aber nicht. Ebenso wichtig ist, dass die Arbeitgeber der Lohngerechtigkeit höchste Bedeutung beimessen und Frauen in dieser Hinsicht auch unterstützen.

Wow. Viel phrasenhafter kann ein Mensch über Politik nicht reden. Gössi antwortet wie auf Knopfdruck. Liegt es an den Fragen? Wir bleiben dran.

Interessant ist: Berufe, in denen Frauen mit ihrem Aussehen punkten, lohnen sich fast immer für sie. Weibliche Models verdienen deutlich mehr als männliche Models, gleiches gilt für die Erotikbranche.

Bei den Models stimme ich Ihnen zu. Die Erotikbranche kann ich nicht beurteilen.

Abtreibung – ja oder nein?

Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ja.

Prostitution - ja oder nein?

Ja, solange die Gesetze eingehalten werden und Frauen und Männer frei entscheiden können. Nicht akzeptabel sind Armuts- und Zwangsprostitution sowie Menschenhandel. Das verurteile ich aufs Schärfste.

Drogen-Freigabe – ja oder nein?

In dieser Frage fuhr ich lange einen restriktiven Kurs. Unterdessen sehe ich dies etwas differenzierter, aber für eine Freigabe bin ich nicht.

Populismus bedeutet ja auch, angebliche Wahrheiten auszusprechen, die hässlich klingen können. Bitte kommentieren Sie die folgenden Sätze, die man in der Schweiz immer wieder hört: «Man darf in der Schweiz nicht stolz auf sein Vaterland sein.»

Diese Meinung teile ich überhaupt nicht und ich nehme es auch nicht so wahr. Die Schweizerinnen und Schweizer sind doch enorm stolz auf ihr Land. Und das darf man auch mit Freude und Stolz zeigen. Egal, wo ich bin, ob im In- oder Ausland, ich sage mit Freude: Ich bin Schweizerin.

«An manchen Schweizer Bahnhöfen sind kaum noch Männer ohne Migrationshintergrund unterwegs.»

Aus dieser Aussage spüre ich vor allem Angst. Dabei sagt die Hautfarbe nichts darüber aus, ob ein Mensch gut oder schlecht ist. Bei uns im Muotatal gibt es «Dr Einzig», ein Dunkelhäutiger. Er ist total stolz ein Muotataler zu sein, das ist seine Heimat. Im Muotatal ist man übrigens erst richtig integriert, wenn man einen Übernamen hat.

«Mit den arabischen Männern holen wir uns massenhaft Antisemiten und Schwulenhasser ins Land.»

Die Menschen, die in die Schweiz kommen, müssen bereit sein, sich zu integrieren. Wenn sie unsere Werte nicht respektieren, darf es für sie in der Schweiz keinen Platz geben.

Danke. Genug Politik. Nun: der private Check-up.

Stellen Sie sich gelegentlich die Sinnfrage?

Ja, ständig. Das braucht es, um sich selber zu hinterfragen und sich entsprechend aufzustellen. Und auch, um glücklich und voller Freude durchs Leben gehen zu können.

Was ist Ihnen heilig?

Genug Schlaf, der morgentliche Kaffee und mich in der Natur zu bewegen.

Ihr Lieblingsfluchwort?

Ähm … wahrscheinlich verreckt.

Endlich. Das Lachen ist zurück.

Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?

«Im eigenen Namen, in eigener Verantwortung» von Martin Grichting. In diesem Büchlein geht der Generalvikar des Bistums Chur der Frage nach, ob sich die katholische Kirche in der Alltagspolitik zu Wort melden soll. Ich bin dezidiert der Meinung, dass das nicht die Aufgabe der Kirche ist.

Wo liegt die vollends entspannte Petra Gössi?

Im eigenen Bett.

Sie schotten Ihr Privatleben konsequent ab. Warum?

Ich will nach Hause kommen, die Türe aufmachen und denken können: Das ist mein Reich. Es interessiert doch niemanden, wie das Brünneli in meinem Bad aussieht. Ich stehe als Politikerin oft im Fokus. Damit ich mich als Mensch wohlfühlen kann, brauche ich meinen privaten Bereich.

Als Sie sich einmal vom Schweizer Fernsehen SRF beim Traktorfahren filmen liessen, bekamen Sie – laut eigener Aussage – «so viele positive Reaktionen wie selten».

Ich verstehe natürlich auch, dass die Leute Freude haben, wenn sie jemanden, der im Fokus steht, in Alltagssituationen erleben und näher kennenlernen können. Damit habe ich kein Problem. Das finde ich gut, das gehört dazu. Deswegen muss ich aber noch lange keine Homestory bei mir zu Hause machen.

Welche Ecke Ihrer Heimat würden Sie mir zeigen, wenn wir einen halben Tag hätten?

Die Mythen.

Wo gehen Sie lieber hin: Zum Arzt oder zum Coiffeur?

Zum Coiffeur. Dort bekomme ich eine Kopfmassage und wenn ich den Salon verlasse, denke ich jeweils: Wow!

Petra Gössi kocht Abendessen. Was gibt es?

Uhhh, ich mache den Kühlschrank auf, nehme ein Joghurt und ein Stück Käse raus und schneide ein Stück Brot ab.

Ihr Fazit nach zwei Jahren Zusammenarbeit mit der SVP?

Wir arbeiten sehr gut zusammen bei Themen, bei denen sich unsere Positionen überschneiden. Und wir zoffen uns dort, wo wir gegenteiliger Meinung sind. Das gehört zum politischen Alltag. Wären wir überall gleicher Meinung, könnten wir grad so gut fusionieren.

Ihr Urteil über die CVP?

Ich würde gerne mehr mit der CVP zusammenarbeiten. Dafür müsste sie aber ein verlässlicherer Partner sein, der klar auf bürgerlicher Seite politisiert.

Ihr Urteil über die SP?

Die SP und die FDP haben grundsätzlich eine andere DNA. Ich teile in aller Regel die Meinung nicht mit der SP und die SP teilt in aller Regel die Meinung nicht mit der FDP. Aber die Zusammenarbeit funktioniert und das ist das Wichtigste.

Zum Schluss noch der grosse Talenttest: Schätzen Sie jetzt bitte, liebe Petra Gössi, Ihr Talent von null Punkten, kein Talent, bis zehn Punkte, Supertalent, ein: als Verliererin?

Ich bin eine gute Verliererin. Acht.

Schauspielerin?

Schauspielern kann ich nicht gut. Zwei.

Köchin?

Sechs. Es gibt ein paar Gerichte, die ich gut kann. Ich mag Fisch und Gemüse und ich mache hervorragend Pizzen. Was ich nicht kann, sind Saucen. Davon habe ich keine Ahnung.

Rednerin?

Sechs. Das Entwicklungspotential nach oben ist in diesem Bereich immer offen. Als Rednerin kommt es darauf an, wie ich gerade im Fluss bin und wie nah mir das Thema ist. Schaffe ich es, meine Persönlichkeit einzubringen und die Leute hin und wieder zum Lachen zu bringen? Manchmal funktioniert das sehr gut, manchmal überhaupt nicht.

Zur Person: Petra Gössi

Petra Gössi ist seit April 2016 Präsidentin der FDP Schweiz. Die 42-jährige Juristin kommt aus dem Kanton Schwyz und arbeitet als Rechts-, Steuer- und Unternehmensberaterin in Zürich. Sie war Fraktionschefin der FDP im Schwyzer Kantonsparlament und wurde 2011 in den Nationalrat gewählt. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er viele Jahre die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er viele Jahre die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
zVg

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