Elefantastisches Erlebnis Auf Tuchfühlung mit südafrikanischen Dickhäutern 

Christian Selz, dpa

18.10.2020

Nicht nur im Porzellanladen, sondern auch im Naturschutzgebiet Lubombo wird das Aufeinandertreffen von Mensch und Elefant auf eine harte Probe gestellt. Dies, obwohl die sanften Kolosse wahre Touristenmagnete sind. 

Der Tembe Elephant Park hat ein Problem. Einbrecher machen dem Schutzgebiet im äussersten Nordosten Südafrikas zu schaffen, schwere Jungs, die über die nahe gelegene Grenze zu Mosambik kommen. Die Rede ist nicht von Wilderern.

Nein, der 1983 ursprünglich als Elefantenschutzgebiet eingerichtete Park wird geplagt von: Elefanten. Auf der Suche nach Wasser, Futter und paarungswilligen Damen durchbrechen vor allem Jungbullen aus dem Nachbarland immer wieder von aussen die Zäune, die eigentlich die Tiere im Inneren schützen sollen.

Ein ambitioniertes Projekt

Die Lösung soll ein grenzübergreifendes Schutzgebiet bringen. Zusammen mit weiten Arealen in Mosambik und dem ebenfalls angrenzenden Königreich eSwatini ist der Park schon heute Teil der Lubombo Transfrontier Conservation Area (TFCA). In dem grenzübergreifenden Schutzgebiet sollen auch die lokalen Gemeinden von der Natur profitieren, ohne sie zu zerstören.

Ein wichtiger Ansatz dabei ist, Reservate miteinander zu verknüpfen. Auf der Landkarte, die Catharine Hanekom auf den Tisch legt, sind der 30'000 Hektar umfassende Tembe Elephant Park und das gut dreimal so grosse Reserva Especial de Maputo in Mosambik bereits durch einen grün eingezeichneten Streifen verbunden. Durch diesen Korridor sollen sich die Tiere eines Tages frei bewegen können.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Noch durchtrennt ein doppelter Zaun auf der Staatsgrenze die Tierwelt – und der ist bei Weitem nicht die einzige Hürde.

Technokratische Herausforderungen

Die Ökologin Hanekom, die auf südafrikanischer Seite für die Naturschutzagentur Ezemvelo KZN Wildlife arbeitet, spricht mit der unaufgeregten Sachlichkeit einer Managerin über die Herausforderungen des Projekts, ohne jeden Hauch von Wildnis-Romantik. Ihr geht es weniger um offensichtliche Probleme wie die Wilderei, die hier eher eine geringere Rolle spielt, sondern vor allem um technische Fallstricke. So werden sämtliche Tiere in den Bilanzen des Tembe Elephant Parks als Werte der Naturschutzagentur aufgelistet.

«Wir müssen darüber Rechenschaft ablegen, wenn das Wild in ein anderes Land abwandert», erklärt Hanekom. Problematisch ist zudem, dass der Park auf mosambikanischer Seite noch nicht vollständig umzäunt ist. Da Tembe aber auch über eine Löwenpopulation verfügt, verbietet sich eine Grenzöffnung vorerst, auch aus Sicherheitsgründen.

Die Mosambikaner wollten ihre Aussenzäune noch in diesem Jahr fertigstellen, als nächster Schritt ist dann zumindest eine Teilöffnung des Korridors geplant, von der Grenze bis zur ersten Hauptstrasse, die den Park durchgequert.

Elefanten mit prächtigen Stosszähnen

Für die Südafrikaner geht es bei allen Chancen, die ein grösseres, grenzübergreifendes Schutzgebiet bietet, auch darum, einen seit Jahrzehnten funktionierenden Park weiterhin zu schützen.

Tembe erstreckt sich über die extrem artenreichen Küstenebenen unweit des Indischen Ozeans. Die Elefanten, die hier durch den stark bedrohten Sandwald ziehen, haben sich über die Jahrtausende an die Bedingungen angepasst. Anders als in vielen anderen Nationalparks wurden sie nicht wieder eingeführt, sondern haben von selbst bis heute in der Region überlebt. Von den Dickhäutern im weiter nördlich gelegenen Krüger-Nationalpark unterscheiden sie sich optisch vor allem durch längere Stosszähne und eine grössere Schulterhöhe.



Auch ihr Verhalten ist anders. «Hier fressen sie nicht ringförmig die Borke von den Bäumen wie im Krüger-Nationalpark, aber dafür können unsere Elefanten manchmal auch Bäume einfach komplett zerstören», erzählt Hanekom. Um das sensible Ökosystem zu schützen, sollten daher eigentlich nur 120 Elefanten im Park leben. Derzeit sind es 220.

Sehenswürdigkeit und Landplage

Für Touristen bedeutet dies häufige Sichtungen und spannende Erlebnisse, nachhaltig ist es allerdings nicht. Der Park gibt deshalb bereits jetzt immer wieder Elefanten an andere Schutzgebiete ab. Zudem werden vielen Elefantenkühen jährlich Verhütungsmittel per Pfeil gespritzt, um den Bestand zu regulieren. Vorübergehend schafft das Abhilfe, Kernproblem sind aber die begrenzten Lebensräume, die zu Konflikten zwischen Mensch und Tier führen.

Die Bauern, die in Mosambik in direkter Nachbarschaft zum Reserva Especial de Maputo leben, können davon ein Lied singen. Immer wieder kommen die Elefanten aus dem Park, um sich über ihre Felder herzumachen. Auch Affen und Warzenschweine langen bei der Ernte zu.

Die Kleinbauern, die hier in erster Linie zur Selbstversorgung Mais und Maniok anbauen, sehen die Tiere als Plage. Zwar können sie die Parkranger rufen, um die Elefanten zu vertreiben. Doch die Wildhüter seien oft zu beschäftigt und brauchen auf den unbefestigten Sandpisten in dem weiten Areal einfach zu lange.

Der Park versucht, die Bauern mit Ausbildungsprogrammen für schonendere Landwirtschaft auf kleineren und damit leichter zu schützenden Flächen zu unterstützen. «Naturschutz-Landwirtschaft» haben sie die Methode genannt, bei der Komposterde und Kombinationen verschiedener Feldfrüchte den sandigen Boden ertragreicher machen.

Die Hoffnung dahinter ist auch, dass die Bauern deshalb weniger Wald für neue Flächen roden. Doch wirklich harmonisch scheint die Beziehung zwischen dem Park und seinen Anrainergemeinden noch nicht.

«Ihr könnt viel erzählen, aber das hilft uns nichts – bitte repariert eure Zäune», fordert der Kleinbauer Fernando Maneca bei einem Treffen mit Parkoffiziellen. Touristen könnten gerne kommen und die Tiere bestaunen, erklärt er – aber bitte innerhalb des Reservats.

Die Wildtierbestände haben sich erholt

Im Park hat die Verwaltung in den vergangenen zehn Jahren dafür gesorgt, dass die Wildbestände heute wieder auf einem guten Weg sind. 5'000 Wildtiere, darunter Giraffen, Büffel und verschiedene Antilopen-Arten, wurden wieder angesiedelt. In den weiten Ebenen grasen Zebras in der Sonne, als hätte es hier nie anders ausgesehen.

Doch nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs war das 1960 ausgerufene Reservat um die Jahrtausendwende nahezu leer. Lediglich ein paar Elefanten, Flusspferde und Krokodile sowie einige kleine und scheue Antilopen hatten das Wüten von bewaffneten Banden und Wilderern überlebt. Inzwischen kommen wieder Touristen. Eine neue Teerstrasse von der Hauptstadt Maputo zur südafrikanischen Grenze hat den Park wesentlich leichter erreichbar gemacht.

Grosser Vorzug des Parks ist, dass er bis an die Strände des Indischen Ozeans reicht. Im warmen Wasser über den farbenfrohen Riffen tummeln sich zahlreiche Meeresschildkröten, die an der nahen Küste nun wieder effektiv geschützt ihre Eier im Sand vergraben können.

Der Tourismus soll den Menschen Geld bringen

In der paradiesischen Idylle soll schliesslich auch der Schlüssel zum Erhalt der Naturlandschaft liegen. Eine erste luxuriöse Lodge hat bereits im Park eröffnet, zwei weitere sollen folgen. Denn zum Selbstzweck wird die Natur nicht geschützt. Das wäre angesichts der weit verbreiteten Armut im südlichen Afrika gar nicht möglich.

Die Parks sollen Ferienhungrige anziehen, der Tourismus soll Arbeitsplätze und Aufschwung bringen. «Das ursprüngliche Ziel war, sozioökonomische Entwicklung zu ermöglichen» – so nüchtern beschreibt Seth Maphalala, der seit 2009 als Programmmanager für die Lubombo TFCA arbeitet, die Beweggründe für die Ausrufung des Schutzgebiets.

Der stämmige Endvierziger wuchs selbst in einem Township im damals noch unter dem Namen Swasiland firmierenden Königreich eSwatini auf. Er weiss, dass Naturschutz nur in Kooperation mit den Menschen vor Ort funktionieren kann, in deren traditionellem Besitz ein Grossteil der Wildnisareale ist.

«Die Gemeinden fragen: Wie profitieren wir als Eigner?», erklärt Maphalala und gesteht ein, dass es schwierig sei, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen.

«Der Umwelttourismus wird gerne als Zauberstab angesehen, mit dem sich sämtliche Probleme lösen lassen, aber die Realität ist: Das kann er nicht leisten», sagt der Naturschützer – und reisst damit ganz bewusst ein in der Tourismusbranche beliebtes Luftschloss ein.

Alles nur eine Illusion?

Zu hohe Erwartungen, weiss Maphalala, sind insbesondere in verarmten ländlichen Gemeinden Gift. Sehr wohl aber könne die Branche in strukturschwachen Regionen als Katalysator dienen und über die direkten Arbeitsplätze hinaus auch Folgejobs in der Landwirtschaft und anderen Versorgungsbranchen schaffen – also einen Beitrag zu wirtschaftlichen Entwicklung leisten.

In Maphalalas Heimatland gibt es dafür bereits einige Beispiele. Mit Unterstützung durch ihn und seine Kollegen haben Gemeinden eigene Tourismusprojekte aufgebaut, kleine Lodges, die wiederum kulturelle Führungen durch ihre Gemeinden oder Touren durch die Wildnis auf ihrem kommunalen Land anbieten. Die Lebensmittel für die Verpflegung der Urlauber werden dabei grösstenteils aus den Gemeinden selbst bezogen, was noch mehr Familien an den Einnahmen teilhaben lässt.

Maphalala arbeitet nun daran, diese Projekte durch mehrtägige Wanderrouten miteinander zu verbinden, grenzüberschreitend von eSwatini bis nach Mosambik. Der Gedanke dahinter: Die Menschen vor Ort schützen das, was ihnen etwas wert ist.

«Unsere grösste Angst ist, dass wir das Interesse der Gemeinden verlieren können, weil sie denken, dass sie nicht genug profitieren – dann stünden wir wieder am Anfang», sagt Maphalala.

Corona-Pandemie in Südafrika

In Südafrika grassierte das Coronavirus in den vergangenen Monaten besonders stark. Der Luftraum des Landes soll im Oktober wieder geöffnet werden. Bitte beachten Sie die Hinweise des EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) für die Staaten Südafrika, Mosambik und eSwatini.

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