Vom Bub zum buddhistischen Mönch Die kleinen Prinzen verlieren erst ihr Haar und dann alles Weltliche

Von Claudio Sieber, Mae Hong Son, Thailand

4.9.2021

Innert fünf Tagen avancieren die Kinder zuerst zu Prinzen, um kurz darauf zu Novizen degradiert zu werden. Eine Fotoreportage aus Thailand.

Von Claudio Sieber, Mae Hong Son, Thailand

4.9.2021

Kirschblüten tanzen durch die Gassen von Mae Hong Son im gebirgigen Norden Thailands. Im Kloster Wat Klang Thung duftet es nach Frühling und Sandelholz. Die ersten Clans tröpfeln ein. Viele der Anwesenden wohnen in der hiesigen Provinz, ein paar fliegen von Bangkok ein, andere wiederum bewältigen die strapaziöse Anreise vom benachbarten Shan-Staat in Myanmar.

Sie alle kommen um das Momentum mitzuerleben, denn ihre Söhne, Brüder, Cousins, Enkel, oder Neffen sind dabei «befristet» das Erbe eines vergessenen Prinzen anzutreten. Kein Volk zelebriert den Einzug ihrer Buben ins Mönchskloster so wie die ethnischen Shan.

Extravagante Party mit Orchester

Während der fünftägigen Ordinationszeremonie Poy Sang Long feiern die Shan sowie thailändische Familien mit Shan-Wurzeln die spirituelle Transformation ihres Nachwuches – eine extravagante Party, welche jede Familie durchschnittlich 100’000 Baht (ca. 2'766 Franken) kostet.

Shan Volksgruppe

Die Volksgruppe der Shan bewohnt in Thailand vor allem die nördlichen Provinzen wie Mae Hong Son, Chiang Mai und Chiang Rai. Beim Versuch, sowohl der Tatmadaw (Streitkräfte von Myanmar) als auch einer gewaltsamen Einberufung in die Shan State Army zu entkommen, haben viele Shan-Flüchtlinge während der langen Diktatur in Myanmar und dem darauf folgenden Bürgerkrieg die Grenze nach Thailand durchquert. Da die Probleme entlang der Grenze bis heute anhalten, fühlen sich viele Shan hier wohler als im angrenzenden Shan State in Myanmar.

Dieses Budget deckt neben all den festlichen Speisen für die Sippe auch das Gehalt für das familieneigene 3-Mann Orchester inklusive deren exorbitanten Verschleiss an Whiskey und Zigaretten, sowie die persönlichen Träger der Juwelenkinder.

Kontrast zweier Leben

Die Theravada Buddhisten glauben, dass Gautama Siddhartha, der mit der Erleuchtung zu Buddha wurde, einst ein Prinz war und einen Sohn namens Rāhula hatte. Gemäss der Tripitaka (buddhistischer Almanach) genoss Rāhula weiterhin die Vorzüge des Adels und wurde offiziell ordiniert, wohingegen sein Vater die Selbstfindung bevorzugte. Mit Poy Sang Long erleben die Kinder nun hautnah den dramatischen Kontrast von Ansehen und Bescheidenheit.

Nach der Weihe zum Novizen ziehen die Kinder nach Belieben für mindestens eine Woche bis zu mehreren Monaten in das Kloster um buddhistische Philosophien und Tugenden zu erlernen. Von der Aussenwelt abgeschottet, wandeln sie die ersten Schritte auf dem Weg der spirituellen Entwicklung.

Zum Autor: Claudio Sieber
Bild: zVg

Der Multimedia-Journalist Claudio Sieber aus St. Gallen reist seit mehreren Jahren durch Asien, wo er über die Traditionen fremder Völker, Popkultur und den sozialen Wandel im Orient und Ozeanien berichtet.