Ganz schön stylisch Ikea und Köttbullar – eine Reise durchs schwedische Designland

Simone Andrea Mayer, dpa

5.10.2019

Idylle und Ikea – Schweden bietet aber noch viel mehr. Denn man kann nicht über schwedische Möbel schreiben, ohne das Essen zu erwähnen. 

Am Anfang einer Geschichte soll immer das Wichtigste stehen: Natürlich gibt es auch im Ikea-Museum am schwedischen Hauptstandort Fleischbällchen. Mancher sagt sogar, es sind die Besten – auch wenn Pontus Johansson das nur bedingt bestätigen kann.

Denn in der Stadt Älmhult, wo einst Ingvar Kamprad den ersten Ikea eröffnete, gibt es die nach den gleichen Standards produzierten Fleischbällchen wie auch überall sonst in der Welt, berichtet der Event-Koordinator des Museums.

«Aber wir wissen von dem Mythos. Und vielleicht stimmt es ja auch, weil man es so möchte», sagt Johansson. «Wir machen uns da auch nichts vor: Ikea ist einfach mit dem Essen verbunden. In manchen Ländern geht man auch erst mal zum Essen in den Markt und nicht zum Einkaufen.»



Eine Reise ins Herz des Ikea-Imperiums ist auch eine Reise ins Herz des schwedischen Möbelreichs. In dieser Region findet sich nicht nur Ikea, hier sitzen auch viele andere Firmen und Designer wie Lammhults, Norrgavel, Svenssons und Nilssons. Immer geht es hier auch ums Essen. Und wenn es nur eine Fika, eine Kaffeepause mit Zimtschnecken ist.

Mehr als nur Köttbullar

Auch Ikea hat mehr als Köttbullar zu bieten, wie man im Ikea-Museum schnell lernt. Das Restaurant setzt vor allem auf regionale Spezialitäten, die vorzugsweise mit lokalen Produkten hergestellt werden. Zum Beispiel wird Kroppkakor serviert – mit Speck gefüllte Kartoffelknödel. Auch der in Schweden immer präsente Lachs darf hier nicht fehlen.

Das Museum selbst ist mehr als ein Schaukasten für die Unternehmensgeschichte, es ist ein kleiner Ausflug in die jüngere Geschichte Schwedens.



Der Aufstieg des Unternehmens ist eng verbunden mit der lokalen Geschichte und Wirtschaftsentwicklung. Die Dauerausstellung zeigt das in vielen Wohnwelten und Bildern. Doch keine Sorge: Das ist ganz und gar nicht dröge.

Sich auf einem Katalogcover verewigen 

Ikea beweist dort Humor – vor allem dabei, wie es seine Insignien aufarbeitet. Es gibt eine Vitrine, in der nur ein einziger der kleinen, winkeligen Inbusschlüssel zum Möbelaufbau hängt. Eine Vitrine weiter liegt nur eine Gabel, und darauf der sogenannte «signature dish»: Ein Fleischbällchen.

Und auch sonst wird hier alles gemacht und gezeigt, was die Marke gut repräsentiert – auf viel Unternehmensphilosophie und Werbung muss man sich hier einlassen, gerade wer eine Führung mitmacht.

Dennoch: Der Besuch des Museums ist ein launiger Ausflug im Urlaub. Vor allem für Familien: Kinder dürfen im bunten, fröhlichen Museum toben und werden spielerisch beschäftigt. Erwachsene verewigen sich selbst auf einem Katalogcover, im Shop gibt es teils einzigartige Produkte.

Nicht nur für Design- und Kunstfans

Småland hat für Kunstliebhaber und Design-Fans viel zu bieten. Zum Beispiel das Vandalorum in Värnamo – genau an der Schnittstelle der Strasse E4 und und 27. Das Kunstareal besteht aus vier roten Scheunen, in denen pro Jahr 12 bis 15 Wechselausstellungen zu sehen sind.

Und auch hier wieder: Auf jeden Fall einen Restaurantbesuch einplanen. Das «Syltan» wurde als eines der besten Kulturrestaurants Schwedens ausgezeichnet, ist aber nicht teuer – was der mittägliche Ansturm der Anwohner bestätigt.

Original-Tupperware aus den 50er-Jahren

Nur unweit weiter, in der Stadt Värnamo, findet sich ein weiteres Zentrum der schwedischen Kunst: Das Bruno Mathsson Center. Das ehemalige Geburtshaus und Atelier des berühmten Möbeldesigners ist heute ein Museum – vor allem voller Stühle und Liegen, die heute mindestens als Kopien weit bekannt sind.

Bodil Svensson hat bei einer Führung zur jedem der Stücke eine Geschichte parat, etwa zur geschwungene Chaiselongue Pernilla. «Dafür hat Bruno hier im Garten seine liegende Körperform im Schnee nachgebilet.»



Sie deutet noch auf ein paar vergilbte Plastikschüsseln im Regal: Original-Tupperware aus den 50er-Jahren «von Mr. Tupper persönlich», berichtet Swensson. Er schenkte sie Mathsson auf einer USA-Reise. Das Haus ist gelebte Geschichte.

Auf ins gläserne Reich

So geht es einem auch, wenn man etwas weiter fährt in die Stadt Kosta. Sie ist Teil des sogenannten Glasreichs von Schweden, ebenfalls in Småland. Hier werden die Produkte der Marke Kosta Boda gefertigt, in der ältesten und noch aktiven Glashütte Schwedens.

Daneben steht eine kleinere Halle, in der Lars Andersson Besucher anleitet, selbst etwas Gläsernes zu blasen. «Du musst dich ganz nah an die Lehne setzen», erklärt der Meister. «Wenn ich das Glas bewege, bewegst du die Kelle mit.»

Dann sagt er dem eingeschüchterten Teilnehmer, jeder könne Glas blasen – man braucht nur etwas Anleitung. Und schneller als man schauen kann, kommt er mit einem auf 1’100 Grad erhitzten, rotglühenden Ball aus Glas an und fordert auf, ihn zu formen. Das geschieht erst in einer nassen Holzform, die fortlaufend bewegt wird.

Dann kommt die noch zähe Masse in einen Metallbehälter – durch die hohle Röhre, an der sie hängt, lässt es sich nun aufblähen. «Doch man darf auf keinen Fall fest blasen», betont Andersson. «Es ist eher ein zartes Hauchen.» Sonst reist das Glas.

Bis zum Glasmaster schaffen es nur wenige

Was bei Andersson und den Touristen, mit denen er täglich in nur ein- bis zweistündigen Kursen Vasen, Becker oder Dekokugeln anfertigt, so einfach erscheint, ist ein Handwerk, das jahrelanges Lernen erfordert. Zum Glasmaster in Schweden schaffen es nur wenige – und meist ist es auch eine stolze Familientradition.

In der Glashütte gleich neben Anderssons Studio werden zwar in Grossproduktion auch Alltagsprodukte wie Trinkbehältnisse gefertigt, aber auch besondere Stücke wie die Pokale für den Eurovision Song Contest. Wer mag, kann dabei zuschauen. Die Werkshallen stehen zu Teilen Besuchern kostenlos offen – man geht einfach hinein, stellt sich neben die Glasmacher an die Öfen und redet mit ihnen.

Wer noch näher ran möchte, also ganz nah ran an die kreativen Prozesse des Glasdesigns, sollte etwa 20 Minuten weiterfahren, nach Boda. In der stillgelegten Fabrik namens Glass Factory gibt es Designstudios, Mitmachwertstätten und eine Art Showbühne.

«Glas ist ein aufregendes Material»

Wann immer hier die Glasöfen vor einer Tribüne brennen, sind auch ansässige Künstler zugegen, die sich ausprobieren und Werke schaffen – das ist der Deal, berichtet Führerin Rigmor Nilsson. Die Künstler bekommen einen Arbeitsplatz, Zugang zu Öfen und Personal, dafür lassen sie das Publikum teilhaben.

Meistens bestehen die Kooperationen aus Designer und Glasmachern – der eine sagt, was er sich vorstellt, der andere setzt es um. Aber wenn Hanna Hansdotter in der Werkstatt ist, ist es echtes Teamwork. Die zierliche Jungdesignerin hat das Handwerk selbst gelernt, und bläst ihre Kunstwerke aus Glas, wann immer ihre Kraft es zulässt.



«Glas ist ein aufregendes Material» erklärt die Schwedin. «Es muss schnell verarbeitet werden und ich bin kein geduldiger Mensch.» Ihr Ansatz ist ein dekonstruktiver – ihre kunstvollen Behältnisse, aktuell häufig in zarten Pastellfarben und Gold, knickt sie am Ende immer ein wenig ein. «Wenn ich das tue, habe ich jedes Mal ein neues Erlebnis. Kein Stück gleicht dann dem anderen.»

Um in Boda gerade auf diese Weise – teilweise öffentlich – zu experimentieren und gestalten, zog sie extra aus der Grossstadt Stockholm mitten aufs Land. «Dieser Ort ist so fokussiert auf Glas, ich fühle mich hier aufgehoben und verstanden.»

Småland – ein Hotspot für Kreative 

Einen ähnlichen Eindruck hat man vielerorts im Reich der Glasbläser und im Reich der Möbeldesigner in Småland. Die Provinz ist etwa so gross wie Nordrhein-Westfalen und gilt als das kreative Epizentrum Schwedens. Auch Astrid Lindgren stammt von hier.

Auch manche deutschen Kreativen zieht es hier her. Zum Beispiel Julius Lehmann aus Berlin. Er kam 1926 in den bis heute winzigen Ort Bodafors und prägte ihn gemeinsam mit den nachfolgenden Generationen mit seinem Intarsienhandwerk und der Möbelfabrikation.

In Bodafors bilden heute sein Wohnhaus, das Atelier und die Werkstätten das Künstlerzentrum Kulturgatan mit wechselnden Ausstellungen – von Kunst, wie dessen Leiter Mikael Löfström betont. «Wir sprechen hier nicht einfach von Möbeldesign, wir nennen es Holzkunst.»

Daher legt das Zentrum auch Wert darauf, immer wieder Schaffende selbst einzuladen. «Es ist einfach etwas anderes, jemanden beim Arbeiten zu sehen als nur die Museumsstücke zu besichtigen.»

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