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Pro
Skifahren während der Pandemie? «Ja», sage ich – oder genauer: «Ja, aber.»
Auch mich schrecken die Fotos vom Gedränge vor gewissen Skiliften ab. In der Debatte ums Skifahren während der Pandemie sind deshalb vor allem die Fragen nach dem Wo und Wie entscheidend.
An einem prächtigen Sonntag würde ich die Pisten eines beliebten Skigebiets meiden. Dass es aber kleinere Orte gibt, an denen man nicht halb so lange anstehen muss wie vor einer Zürcher Migros-Kasse, weiss ich aus eigener Erfahrung. Und sind es nicht genau diese kleineren Gebiete, die man ohnehin stärker unterstützen sollte? Bei einer Schliessung sind sie die ersten, die untergehen.
Zudem ist das Skifahren an diversen Orten gut möglich, ohne sich vorab in eine Gondel quetschen zu müssen. Praktischerweise schützt die Maske vor der kühlen Luft auf den Sesselliften. Über Mittag muss ein Sandwich für einmal reichen – in diesem Jahr zieht man die Kälte den Menschenansammlungen doch sowieso vor.
Schwer tue ich mich allerdings mit dem Gedanken, dass ich verunfallen könnte und in ein ohnehin schon volles Spital eingewiesen würde. Dieses Risiko lässt sich zumindest minimieren, wenn man gut auf den eigenen Körper hört und – wie man so schön sagt – mit Köpfchen fährt: Rund 90 Prozent der Skiunfälle sind schliesslich selbstverschuldet.
So verlockend es auch sein mag – powdern ist in diesem Jahr nun mal keine gute Idee. Klar, sicher sein, das nichts passiert, kann man sich nie. Doch das Risiko, mich zu verletzen, ist etwa beim Inline-Skaten und Fussballspielen um einiges grösser als auf den Skiern. Ganz zu schweigen von der Gefahr beim Autofahren.
Kommt hinzu, dass viele von uns, teils seit März, im Homeoffice sitzen und sich strikt an alle Einschränkungen halten. Frische Luft, Bergsonne und Bewegung tun mehr als nur gut: Auch unsere seelische Gesundheit sollten wir in diesen Zeiten nicht vergessen.
Contra
Skifahren während der Pandemie? Das ist schlicht absurd, oder auf gut Schweizerdeutsch: «Irgendöppis!»
Kurz vorne weg: Ich quetsche mich für gewöhnlich noch so gerne in übervolle Gondeln, wenn sie mich dafür oben an einer Skipiste ausladen. Aber nicht dieses Jahr. Auch nicht, wenn sie nur halb voll sind.
Wie kann es sein, dass wir so tief dringende Massnahmen einleiten müssen, die uns selbst das Singen verbieten, gleichzeitig den Skifahrenden aber einen Freipass erteilen? Darüber hinaus laden wir ganz Europa herzlich dazu ein, auf unseren Skipisten die neusten Virus-Mutationen mit uns zu teilen. Grossartig.
Dass nicht jede Gondel überfüllt und jede Warteschlange endlos ist, hilft dabei leider auch nicht weiter. Wenn wir nämlich etwas aus dieser Pandemie gelernt haben, dann dass individuelle Achtsamkeit und Rücksichtnahme kein Argument machen. Nur weil Sie es fertigbringen, sich von Coronaviren und Intensivstationen fernzuhalten, heisst das leider nicht, dass es die Masse auch kann. Das gilt auch für spitalreif stürzende Tiefschnee-Genies, so traurig ihr Unglück erscheinen mag.
Wem in diesem Moment die Rechtfertigung durch den Schutz der unzähligen Arbeitsplätze einfällt, darf sich gerne einmal in anderen Wirtschaftssektoren umschauen. Im Kulturbereich zum Beispiel. Da gibt es auch keine Ausnahmen.
Aber was mir in dieser Skigebiet-Diskussion am meisten aufstösst, ist die soziale Ungleichheit. Skifahren ist ein Sport für Reiche. Ich sehe nicht ein, weshalb grosse Teile der Bevölkerung auf nahezu alles verzichten müssen, während sich die finanziell Bessergestellten in ihre gemütlichen, vorgeheizten Ferienwohnungen in die Berge zurückziehen und seelenruhig ihrem Luxus-Hobby nachgehen dürfen.
Es fühlt sich an, als wäre «H&M» geschlossen, «Louis Vuitton» und «Prada» aber weiterhin geöffnet.
Solidarität sieht anders aus.