Sightseeing Warum ein kleines Schlüsselloch in Rom eine grosse Attraktion ist

Alvise Armellini, dpa

24.10.2020

Überall auf der Welt werden Touristen übers Ohr gehauen. In der Ewigen Stadt stehen Besucherinnen und Besucher sogar Schlange, um sich wissentlich täuschen zu lassen.

An jedem beliebigen Tag bildet sich eine Menschenschlange vor einem grossen grünen Tor auf dem Aventin, einem der sieben Hügel Roms – obwohl das Tor immer geschlossen bleibt.

Die Attraktion ist das Schlüsselloch des Tores, das einen spektakulären Blick auf die Kuppel des Petersdoms erlaubt, eingerahmt von einem dichten Tunnel aus Lorbeerbäumen. Das weltberühmte Bauwerk erscheint dadurch viel grösser, wie durch ein Fernglas betrachtet.

Diese optische Täuschung hat sich zu einem der Höhepunkte auf der Liste der Rom-Touristen gemausert. Sie ist das Werk von Giovanni Battista Piranesi, einem Architekten und Grafiker aus dem 18. Jahrhundert. Der in Venedig geborene Piranesi ist 300 Jahre nach seinem Geburtstag am 4. Oktober 1720 vor allem wegen seiner «Carceri»-Serie – Kerker-Szenen – in Erinnerung geblieben.

Der Aventin beherbergt indes sein einziges erhaltenes architektonisches Werk. Zwischen 1764 und 1766 schuf Piranesi die Lorbeerbaumallee, als er das auf dem Aventin gelegene Hauptquartier der Malteser-Ritter umgestaltete. Als Teil seines Auftrags entwarf er einen neuen öffentlichen Platz, die Piazza dei Cavalieri di Malta, geschmückt mit Obelisken und Trophäen. Genau dort sammeln sich heute Touristen, um Schlange für die Schlüssellochansicht zu stehen.

Eine besondere Kirche

Piranesi renovierte auch die hinter dem Tor im Innern des Komplexes liegende Kirche Santa Maria. Das Gotteshaus stammt aus dem 10. Jahrhundert und zählt zu den verborgenen Juwelen der Ewigen Stadt. Er gab der Kirche eine neue Fassade und gestaltete auch das Innere neu, mit Anleihen bei der antiken römischen und ägyptischen Ikonografie, um die Ritter und die Familie des venezianischen Kardinals zu ehren, der die Arbeiten in Auftrag gegeben hatte.

Zu den äusseren Verzierungen gehören Helme, Schwerter, Schilde und Halbmonde, die in Ketten gewickelt sind und die historische Niederlage des Osmanischen Reiches in der Seeschlacht von Lepanto gegen die Heilige Liga im Jahr 1571 symbolisieren.

Das Innere der Kirche ist ein Mausoleum, das die Gräber mehrerer ehemaliger Ordensführer beherbergt. Auch die Asche des grossen Mannes selbst – Piranesi – und eine Statue, die ihn in eine Toga gekleidet wie einen Römer aus der Antike darstellt, finden sich dort.

Die Kirche ist für gewöhnlich nicht öffentlich zugänglich, aber geführte Gruppenbesuche sind nach vorheriger Anmeldung möglich.

Verworrene Treppenhäuser

Piranesis grösstes Vermächtnis bleibt seine Grafikkunst: Sein Werk reicht von dramatisch epischen Landschaftsansichten des Roms des 18. Jahrhunderts bis zu den aufwühlenderen «Carceri»-Serien.

Diese Kerker-Zeichnungen und Stiche zeigen ein höllisches Durcheinander von Ketten sowie unmöglich hohen Gewölben und Treppen, die ins Nirgendwo führen, und haben Generationen von Architekten, Malern, Schriftstellern und Bühnenbildnern fasziniert.

Nach Ansicht mehrerer Kritiker hat sich selbst die Welt des Kinos nicht Piranesis Einfluss entzogen: Anklänge an seine «Carceri» sind in Metropolis, Blade Runner und Harry Potters beweglichen Treppenhäusern sichtbar.


Reise- und Sicherheitshinweise für Italien (Rom)

Anreise: Mit den SBB geht es durch den Gotthardbasistunnel bis in die Ewige Stadt. Flüge nach Rom gibt es an diversen Flughäfen der Schweiz. 

Coronalage: Aktuell gilt eine landesweite Maskenpflicht im Freien. Informationen zu Reisehinweisen bietet das EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten).

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