Frankreichs Weingüter Wenn Rotweintrinken auch zum Kunstgenuss wird 

Sabine Glaubitz, dpa

15.9.2019

Frankreichs Weine sind weltberühmt. Manche Winzer setzen aber nicht mehr nur auf Weingenuss: Sie bauen ihre Châteaus zu Kunstmuseen aus.

Die Frage, ob zuerst die Liebe zum Wein da war oder die zur Kunst, erinnert auf dem Château Chasse-Spleen im Südwesten Frankreichs an das Henne-Ei-Problem.

«Das ist schwer zu sagen», erklärt Jean-Pierre Foubet. «Beides sind Leidenschaften von mir und meiner Frau Céline. Und beide vereinen wir hier.»

Es gibt viele Ecken auf dem Weingut, in denen sich auch Kunst findet. Selbst der unterirdische Keller, in dem der Rotwein 12 bis 18 Monate lagert, ist von einem Künstler gestaltet worden: Mit geometrischen Formen, die über den Fässern tanzen, spielt der Schweizer Maler Félice Varini mit der Wahrnehmung des Betrachters.

Die Weine, die Künstler inspirierten 

Chasse-Spleen liegt rund 45 Minuten von Bordeaux entfernt zwischen Margaux und Saint-Julien. Schon die Herkunft des Namens verrät, dass hier Wein und Kunst eng verbunden sind: Er soll auf das 1857 erschienene Gedicht «Spleen et Idéal» (etwa: Spleen und Ideal) des Schriftstellers Charles Baudelaire zurückgehen, das vom Maler Odilon Redon (1840-1916) illustriert wurde, einst Nachbar des Weinguts.

Eine andere Version geht auf Lord Byron zurück. Der britische Dichter soll bei seinem Besuch 1821 gesagt haben: «Dieser Wein verjagt wie kein anderer die düsteren Ideen.»

Ex-Präsident Georges Pompidou scheint diese Meinung geteilt zu haben, denn die Chasse-Spleen-Weine sollen die bevorzugten des Staatschefs gewesen sein. Mit rund 105 Hektar Terrain gehört das Gut zu den grossen Domänen der Region Médoc.

Weingut von den Eltern übernommen

Nahe der Einfahrt zum Schloss ragen zwei etwa fünf Meter hohe Gärtnerstiefel in die Höhe. Die Skulptur stammt von dem französischen Künstler Lilian Bourgeat und steht hier aus sehr persönlichen Gründen, verrät Jean-Pierre: Bevor Céline das Weingut übernahm, war sie auch als Landschaftsarchitektin tätig.

Vor rund zwei Jahren hat das Ehepaar ein Kunstzentrum eingeweiht mit dem Credo: Auch wenn der Wein Emotionen erzeugt, sind doch die, welche die Kunst auslöst, um ein Vielfaches stärker. Eröffnet wurde der 300 Quadratmeter grosse, im zellenartigen White-Cube-Stil renovierte Bau mit Arbeiten des 2011 verstorbenen Klangkünstlers Rolf Julius.

Peyrassol: von der Herberge zur Kunstoase

In der gut 700 Kilometer entfernten Provence im Südosten Frankreichs liegen die Weinberge der Commanderie de Peyrassol, einer Domäne am Fuss des Gebirgszugs Massif des Maures. Ihr Ursprung geht auf das 13. Jahrhundert zurück: Mitglieder des Templerordens hatten dort für Pilger auf dem Weg ins Heilige Land eine Herberge gegründet. Ein Dokument auf Pergamentpapier aus dem Jahr 1256 zeugt bereits von einem «bon vin franc», einem guten, freimütigen Wein.

Dass Kunst und Wein sich auch hier gut ergänzen, ist schon auf dem schmalen Weg zu erkennen, der sich durch die Reben zum Anwesen schlängelt. Links von ihm stehen zwei monumentale Weingläser des US-amerikanischen Künstlers Dennis Oppenheim (1938-2011), die sich in ein rotes Blumenfeld ergiessen. Die Skulpturen sind mit dem Unternehmer Philippe Austruy eingezogen, der die Domäne 2001 erwarb.

Skulpturenpark mit mehr als 60 Werken

Die gepressten Trauben gären auf Peyrassol in riesigen Edelstahlbehältern, auf die man durch den Glasboden der Terrasse des Hauptgebäudes hinuntersehen kann. Von dem Anbau aus hat man zudem einen herrlichen Blick auf die Reben und den Skulpturenpark, in dessen Mitte «Clément» thront, eine zwölf Meter hohe Messingplastik von Jean-Jacques Tosello. Sie stellt einen Tempelritter dar – in Anspielung an die jahrhundertalte Geschichte von Peyrassol.

Heute besteht der Skulpturenpark aus mehr als 60 Werken, darunter ist auch eine Arbeit von Daniel Buren, die einer Laube aus bunten Farben gleicht und den Eingangsbereich des Anwesens in ein Kaleidoskop verwandelt. Ausstellungen und einen Einblick in die Sammlung von Austruy bietet das 2016 eröffnete, rund 800 Quadratmeter grosse Kunstzentrum mit einem Wasserbecken als Dach.

Château La Coste ist ein Touristenmagnet

Dem Wein und der Kunst gibt sich auch der Ire Patrick McKillen auf dem Château La Coste hin, das sehr auf Touristen eingestellt ist. Das Weingut, das für seinen «Rosé d’une nuit» bekannt ist, liegt in Richtung Aix-en-Provence knapp 130 Kilometer von Peyrassol entfernt. Jährlich werden 700 000 Flaschen produziert, davon 60 Prozent Rosé, 30 Prozent Rotweine und 10 Prozent Weissweine.

Seit der Geschäftsmann das Land erworben hat – rund die Hälfte sind dem Weinanbau gewidmet –, sorgt La Coste für Schlagzeilen, zuletzt 2016 wegen der Eröffnung eines Fünf-Sterne-Hotels mit Blick auf den Skulpturenpark und wegen des von Japans Stararchitekten Tadao Ando entworfenen Kunstzentrum aus dem Jahr 2011.

La Coste besitzt auch einen Musikpavillon, der vom US-Stararchitekten Frank O. Gehry stammt. Mit dem Weinkeller, der einem Hangar gleicht, hat sich Frankreichs Baumeister Jean Nouvel auf La Coste verewigt und mit einem Ausstellungspavillon der renommierte Italiener Renzo Piano.

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite