Tierschutz Daunen liegen im Trend, doch sind sie auch tragbar?

Von Marjorie Kublun

24.12.2020

Keine Frage, Puffer Jackets sind diesen Winter angesagt. Über die Füllung lässt sich jedoch streiten.
Keine Frage, Puffer Jackets sind diesen Winter angesagt. Über die Füllung lässt sich jedoch streiten.
Bild: Getty Images

In der Daunenindustrie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, um Tierleid zu reduzieren. Aber auch genug, dass wir Daunen mit reinem Gewissen tragen können? Wir haben mit Nina Jamal, Leiterin der Nutztierkampagnen bei Vier Pfoten International, gesprochen.

Diesen Winter sind Daunenjacken und -Mäntel im Trend und überfluten die Social-Media-Kanäle. Kann man dank Zertifizierungen getrost Daunen tragen oder sollten wir doch besser auf Alternativen setzen? Optisch zumindest gibt es zwischen den beiden Füll-Varianten keinen Unterschied. Wir wollen mehr wissen.

Frau Jamal, unsere Winter sind gar nicht so kalt, ist es überhaupt gerechtfertigt, als Konsument Daunen zu beanspruchen?

Das ist eine gute Frage und trifft den Kern des Themas: Daunen haben eine höhere Füllkraft und wärmen stark. Aus meiner Sicht macht es hauptsächlich Sinn, auf Daunen zurückzugreifen, wenn man sich in einem sehr kalten Klima aufhält. Etwa wenn Temperaturen unter minus 10 Grad vorherrschen.

Wann wäre das Tragen von Daunen sonst noch angebracht?

Wenn das Gewicht der Kleidung eine Rolle spielen könnte. Bei einer arktischen Expedition zählt manchmal jedes Gramm. Das Besondere an Daunen ist nämlich nicht nur, dass sie gut Wärme speichern können, sondern auch, dass sie sehr leicht sind.

Was für eine Füllung wäre denn zum Skifahren geeignet?

Beim Skifahren ist wichtig, dass die Kleidung trocken bleibt. Da sind Daunen gerade nicht das bevorzugte Material, da Feuchtigkeit der Feind der Daune ist. Durch sie verkleben die feinen Verästelungen und die Daunen verlieren ihre Isolationskraft. Eine Daunenfüllung trocknet zudem sehr langsam.

Was sind gute Alternativen zu Daunen für unsere Breitengrade?

Primaloft besteht aus recycelten Kunstfasern, hat ein gutes Wärmepotenzial und ist ein umweltfreundliches Material, gerade die Bio-Variante. Es gibt auch Lyocell, das aus Holzzellulosefasern und Bambus besteht. Diese Materialien sind temperaturausgleichend und feuchtigkeitsregulierend. Der Flausch-Faktor gleicht dem einer Daunenfüllung.

Kann man ethisch betrachtet Daunen überhaupt tragen?

Es gibt qualvolle Praktiken, die mit der Daunengewinnung verbunden sein können. Zum Glück gibt es Massnahmen, die Firmen ergriffen haben, um die Stopfmast sowie Lebendrupf – bei dem Gänse bis zu viermal im Jahr bei lebendigem Leibe gerupft werden – auszuschliessen. Ein weiteres Problem ist, dass die Lieferketten sehr kompliziert sind. Das heisst, die Daune reist von der Tierfarm zum Schlachtbetrieb, dann zum Verarbeitungsbetrieb und von dort aus zum Abfertigungsbetrieb, wo etwa Jacken und Decken gefüllt werden. Bei jedem dieser Schritte kommt es zu Vermischungen. Zudem sind bei der Verarbeitung die qualitativen Eigenschaften wie zum Beispiel Gemische aus Enten- und Gänse-Daunen wichtiger, als Tierleid auszuschliessen.

Wo findet Lebendrupf noch statt und warum gibt es diese Praktik überhaupt noch?

Lebendrupf findet hauptsächlich auf Elterntier-Betriebsebene statt. Elterntiere leben länger, zirka vier bis fünf Jahre. Der Farmer verdient mit dem Verkauf der Küken Geld. Doch der Verkauf findet nur einmal pro Jahr statt. Der mehrmalige Lebendrupf im Jahr sichert eine zusätzliche Geldquelle. Die Daunen, die von Elterntieren gewonnen werden, weisen zudem eine höhere Qualität auf, sind grösser und haben eine höhere Füllkraft als die der jüngeren Masttiere, die nur 16 Wochen alt und erst nach ihrer Tötung gerupft werden.

Heute sieht man überall Produkte, die nachhaltig sein sollen. Hat sich denn wirklich etwas getan auf dem Gebiet?

Wir haben festgestellt, dass seit 2014 Marken mehr Wert darauf legen, qualvolle Praktiken bei der Gewinnung von Daunen auszuschliessen. Und da die Lieferkette so kompliziert ist, war eine Massnahme nicht nur, dass Kontrollen auf Farmen stattfinden, sondern auch, dass die Rückverfolgbarkeit – von der Farm bis zum Endprodukt – eine Rolle spielt.

Was sind die wichtigsten Zertifizierungen?

Es gibt zum einen den Responsible Down Standard (RDS). Hier geht es um die Rückverfolgbarkeit, Tierschutzkriterien und hauptsächlich um den Ausschluss von Lebendrupf und Stopfmastproduktion.

 Aber … gibt es ein Aber?

Ja. Denn obwohl diese Standards die Industrie sehr weit gebracht haben, haben sie nicht alle Probleme lösen können. Es gibt grosse Schwächen. Zum Beispiel, dass nicht alle Elterntier-Betriebe mit kontrolliert werden. Man kontrolliert zwar die Herkunftsfarmen der Federn, die meist tatsächlich von den jüngeren Masttieren stammen, die erst nach ihrer Tötung gerupft werden, doch Lebendrupf passiert bei den Elterntieren. Wir fordern darum, dass beim Responsible Down Standard sowie bei anderen Daunenstandards wie dem Downpass auch immer die Elterntier-Betriebe mit kontrolliert werden. Das ist zwar verlangt, passiert momentan nur stichprobenartig. Unter dem Downpass ist es sogar nur optional, die Betriebe zu kontrollieren. Aus Tierschutzsicht ist das ein Problem. Denn es bedeutet, dass man im Produkt selber Tierqual ausschliesst, doch dass Tierqual in dieser Lieferkette bleibt – leider momentan auch bei RDS und Downpass-Daunenprodukten. Wir hoffen, dass die Entwicklung dahingeht, dass die gesamte Lieferkette Lebendrupf ausschliesst.

«Wir fordern, dass alle Elterntier-Betriebe beim RDS und Downpass mit kontrolliert werden.»

Würden Sie die Aussage, dass Standards reines Marketing sind, unterschreiben?

Erst einmal war der Responsible Down Standard, der 2014 dank der Marke The North Face entstand und allen Marken zur Verfügung gestellt wurde, ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Denn plötzlich etablierte sich bei den Marken eine neue Denkweise. Sie fingen an, ihre Daunenherkunft und Lieferketten zu hinterfragen. Das führte dazu, dass auch andere vom Tier abstammende Materialien wie etwa Wolle, Kaschmir und Mohair-Lieferketten hinterfragt wurden.

Das klingt erst einmal gut …

Das Label schliesst die schlimmsten Praktiken aus und ja, die verpflichtenden Kriterien – Ausschluss von Lebendrupf und Stopfmast – sind erfüllt. Daneben darf man allerdings nicht vergessen, dass es sich um eine industrielle Tierhaltung handelt. Man mästet schnell und schlachtet schnell. Manche Geflügel haben keinen Zugang zu Wasserstellen, wo sie baden können, was ein natürliches Bedürfnis der Tiere ist. Eine längere Lebensdauer oder Zugang zu Badestellen etwa sind keine verpflichtenden Kriterien.

Gibt es keinen höheren Standard für Daunen als RDS?

Es gibt noch den Tracable Down Standard, was ein Rückverfolgungs-Standard ist. Der TDS geht einen Schritt weiter und hierbei werden wirklich alle Elternbetriebe streng kontrolliert. Doch lediglich eine Marke – nämlich Patagonia ­– bietet diesen an. Wenn Konsumenten mit reinem Gewissen einkaufen wollen, rate ich zu pflanzlichen Naturfasern.

«Zugang zu Badestellen etwa sind keine verpflichtenden Kriterien.»

Was recht verwirrend ist: Es gibt noch weitere Labels für Daunen. Was ist von ihnen zu halten?

Es gibt Ecolabels und Biosiegel … Tierwohl ist bei ersteren kein Thema und sie schliessen Stopfmast und Lebendrupf nicht aus. Die Einzigen, die das tun, sind die vorher erwähntem TDS, RDS und der Downpass Standard, der in der Bettwaren-Industrie verwendet wird.

Manche Marken versichern, dass ihre Daunen ausschliesslich von Tieren stammen, die für die Nahrungsmittelindustrie gezüchtet wurden und somit nach ihrem Tod gerupft wurden. Wie können sie das sicherstellen?

Bevor es den Responsible Down Standard gab, haben sich die Marken auf ihren Lieferanten verlassen, der gesagt hat, dass alles stimmt. Das war aber letzten Endes nicht der Fall, wie sich herausgestellt hat. Solche Marken werden von Vier Pfoten kontaktiert und um Stellungnahme gebeten.

Wenn an einem Produkt nicht dransteht, woher die Daunen stammen und es weder mit RDS, TDS noch Downpass gekennzeichnet ist, ist das also ein schlechtes Zeichen.

Definitiv ist es kein gutes Zeichen. Marken sollten den Konsumenten gegenüber transparent sein. In manchen Fällen steht nichts auf dem Produkt, aber zumindest auf der Website der Marke sollte man die Informationen bekommen.

Was halten Sie von recycelten Daunen?

Da steht der Nachhaltigkeitsfaktor im Vordergrund. Was Tierqual angeht, kann man diese nicht ausschliessen, ausser natürlich die recycelten Daunen stammen von zertifizierten Daunen.

Womit decken Sie sich nachts zu?

Ich schlafe unter einer Bambusbettdecke. (Lacht) Das klappt gut.

Ihr Tipp für die Konsumenten zum Schluss?

Immer nachfragen und die Frage stellen: Was unternimmt die Marke, um Tierleid auszuschliessen? Es muss eine Antwort gegeben werden können. Etwa: Wir kontrollieren die Farmen selber einmal im Jahr. Oder: Wir haben eine der anerkannten Zertifizierungen wie TDS, RDS oder Downpass. Eine Lieferketten-Kontrolle wäre das Beste. Eine Lieferantenbestätigung allein ist keine ausreichende Antwort.

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