Deutschland 28 verletzte Polizisten bei Eritrea-Festival

dpa/tpfi

9.7.2023 - 17:32

Giessen: Verletzte und Festnahmen bei umstrittenem Eritreafestival

Giessen: Verletzte und Festnahmen bei umstrittenem Eritreafestival

Bei massiven Ausschreitungen mit Stein- und Flaschenwürfen rund um ein Eritreafestival in Giessen sind am Wochenende Dutzende Einsatzkräfte verletzt worden.

09.07.2023

Gewaltsame Ausschreitungen rund um das umstrittene Eritrea-Festival haben eine Debatte um die Zukunft der Veranstaltung ausgelöst. Nach der Gewalt vom Samstag blieb es am Sonntag friedlich.

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  • Gewalt, Proteste und 28 verletzte Polizisten waren am Samstag die Bilanz zum Eritrea-Festival in Giessen.
  • Am Sonntag geht das Festival nach einer ruhigen Nacht und mit hoher Polizeipräsenz weiter.
  • Am frühen Nachmittag hatten bereits zahlreiche Besucher das Festivalgelände verlassen, ohne dass es dort zu Protesten gekommen war.

Bei Ausschreitungen am Rande des umstrittenen Eritrea-Festivals in Giessen sind am Wochenende 28 Polizisten verletzt worden. Gegner der Veranstaltung attackierten am Samstag Beamte mit Stein- und Flaschenwürfen und zündeten Rauchbomben. Sie durchbrachen Absperrungen und versuchten, auf das Festivalgelände zu gelangen. Die Polizisten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Auch in der Stadt kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei. Am Sonntag blieb die Lage friedlich.

Veranstalter des Festivals war der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika als umstritten gilt. In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt von schweren Missständen berichtet. Schon im August 2022 war es bei der vorangegangenen Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen.

Die Stadt Giessen hatte vergeblich versucht, gerichtlich ein Verbot des Festivals durchzusetzen, auch weil die Polizei zuvor Kenntnis davon bekommen hatte, dass womöglich gewaltbereite Störer anreisen würden. Am Samstag waren mehr als 1000 Polizisten in Giessen im Einsatz, zwischenzeitlich wurden weitere Kräfte aus ganz Hessen alarmiert. Auch ein Wasserwerfer stand bereit.

Platzwunden, Bänderrisse und Zerrungen

Von den 28 verletzen Beamten trugen sieben schwerere Verletzungen davon, am Sonntag hatten sie das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Es habe sich überwiegend um Platzwunden, Bänderrisse oder Zerrungen gehandelt, sagte ein Polizeisprecher. Der Polizei lagen keine Erkenntnisse über unbeteiligte Verletzte oder Schwerverletzte in den Reihen der Festivalgegner vor.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Gewalt. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte die Bundesregierung auf, den Botschafter des Landes einzubestellen. «Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen», sagte er am Samstag. «Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.»

Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte ein «Ende der Naivität in der Migrationspolitik». Er sagte der dpa: «Wer ungesteuerte Migration akzeptiert oder – wie die Grünen – sogar regelmässig befördert, sollte sich über die Konsequenzen nicht wundern.» Der AfD-Vizevorsitzende Stephan Brandner kritisierte, dass das Eritrea-Festival in Deutschland stattfinden dürfe. «Die Diktatur möge sich selbst in Eritrea feiern. So etwas hat in unserem Land nichts verloren.»

Rund 100 Personen in Gewahrsam genommen

Nach Polizeiangaben vom Samstag wurden 100 Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch eingeleitet. Die Polizisten hätten mehr als 400 Personen kontrolliert und gegen einen grossen Teil von ihnen Platzverweise verhängt. Rund 100 Personen seien in Gewahrsam genommen worden, die zum Teil aus dem europäischen Ausland angereist seien.

Trotz der ruhigeren Lage blieb die Polizei am Sonntag mit zahlreichen Kräften vor Ort – «so lange es nötig ist», wie ein Sprecher sagte. Am frühen Nachmittag hatten bereits zahlreiche Besucher das Festivalgelände verlassen, ohne dass es dort zu Protesten gekommen war.

Das Festival war nach Angaben der Stadt vor mehr als zehn Jahren von Frankfurt nach Giessen gezogen, wohl wegen der zentralen Lage der mittelhessischen Stadt und der für das Fest geeigneten Halle, die ausserhalb der Innenstadt liegt.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, Heike Hofmann, sprach sich dafür aus, nicht nur das Sicherheitskonzept, sondern den Fortbestand des Festivals insgesamt kritisch zu hinterfragen. Es stelle sich die Frage, «ob die als «Familienfest» deklarierte Veranstaltung, die von Kritikerinnen und Kritikern als Propagandaveranstaltung des diktatorischen Regimes in Eritrea eingeordnet wird, noch einmal stattfinden könne».

Auch der Giessener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) fordert eine Aufarbeitung der Geschehnisse. «Die Bilder, die aus unserer Stadt am Wochenende durch die Welt gingen, sind unerträglich», wurde Becher in einer Mitteilung der Stadt zitiert. Tausende unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger seien in ihrem alltäglichen Leben mehr als einen ganzen Tag massiv eingeschränkt worden. «Man muss angesichts dessen tatsächlich die Frage stellen: Stehen diese Einschränkungen noch im richtigen Verhältnis zu dem Wunsch des Veranstalters, ein Fest zu feiern? Diese Frage gehört auf allen Ebenen – politisch wie juristisch – aufgearbeitet», erklärte das Stadtoberhaupt.

Die Stimmung war in sozialen Netzwerken teils aufgeheizt. Die Polizei warnte vor Falschmeldungen. Ein Sprecher sagte, dass ein Teil der im Internet kursierenden Videos, die Ausschreitungen zeigten, mutmasslich aus dem Vorjahr stammten.

dpa/tpfi