Millionenfach angeklicktBasler Fasnachtsclique wird gerade weltweit berühmt – wegen eines Missverständnisses
Jenny Keller
19.3.2025
Sujet des Central Club Basel am Cortège, dem ersten der «drey scheenschte Dääg» an der Fasnacht in Basel, am Montag, 10. März 2025.
KEYSTONE / Georgios Kefalas
Ein Basler Fasnachtsumzug kritisierte die Spaltung der Gesellschaft. Auf Social Media wird die Botschaft nun verdreht: Ein Video des Umzugs geht weltweit viral und wird als Anti-Trump-Demonstration interpretiert.
Jenny Keller
19.03.2025, 14:42
19.03.2025, 14:56
Jenny Keller
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Central Club Basel (CCB)-Fasnachtsclique thematisierte mit «Mit diir reed y nit!» die Filterblasen-Kommunikation unserer Zeit.
Ein TikTok-Video des CCB-Umzugs erhielt über 23 Millionen Views. Viele glaubten, es handle sich um eine politische Kundgebung in der Schweiz.
Die US-Debatte machte aus einer Fasnachtssatire damit ein echtes Beispiel für fehlgeleitete Diskurse.
Eigentlich wollte der Central Club Basel (CCB) mit seinem Sujet «Mit diir reed y nit!» die zunehmend verhärtete Gesprächskultur kritisieren – sowohl im Alltag als auch in der Weltpolitik. Doch in den sozialen Medien wurde die Botschaft verzerrt. Ein Video des CCB-Fasnachtsumzugs ging auf TikTok viral und wurde in den USA als Anti-Trump-Demonstration missverstanden.
Eine CCB-Laterne stellte den US-Präsidenten Donald Trump auf einem ausgestreckten Mittelfinger dar – als Sinnbild für die raue Gesprächskultur in der Weltpolitik. Passend zum Sujet trugen die Mitglieder der Clique als Larve ebenfalls überdimensionale Mittelfinger auf dem Kopf, eine zugespitzte Darstellung der heutigen Kommunikationsweise, die oft mehr Provokation als echten Dialog beinhaltet.
Innerhalb weniger Tage wurde der Clip über 23 Millionen Mal angesehen. Auf Plattformen wie Reddit, X und Instagram verbreiteten es User weiter – oft mit eigenen Kommentaren, die den satirischen Fasnachtsbezug ignorierten.
Ironie des Missverständnisses
Für Andi Meier, Sujet-Obmann der Clique, hätte die Entwicklung des Missverständnisses kaum passender sein können: «Wir wollten zeigen, dass Menschen nur noch mit Gleichgesinnten sprechen – oder eben gar nicht mehr diskutieren. Jetzt erleben wir genau das: Ein Bild wird in eine Blase geworfen, verstärkt die bestehende Meinung – und niemand hinterfragt es», sagt er gegenüber blue News.
Die Clique «Central Club Basel» am Cortège der Basler Fasnacht.
KEYSTONE / Georgios Kefalas
Besonders brisant: Der Mittelfinger auf der Laterne, auf dem Trump abgebildet war, liess viele glauben, es handle sich um eine gezielte politische Aktion gegen den US-Präsidenten. Manche Nutzer*innen fragten sich empört, wie eine solche «Demonstration» in der neutralen Schweiz stattfinden könne. «Manche Leute in den USA dachten, die Schweiz veranstalte eine grosse Anti-Trump-Demo mit Masken, Trommeln und Pfeifen», so Meier.
Lokal verankerte Fasnachtssatire
Die Basler Fasnacht hat eine lange Tradition, gesellschaftliche und politische Entwicklungen kritisch zu kommentieren. Doch Fasnachtssatire ist oft vielschichtig, lokal verankert und nicht auf den ersten Blick verständlich – besonders für Menschen ohne Bezug zu dieser Form des Brauchtums.
Donald Trump als Motiv an der Fasnacht in Basel, 10. März 2025.
Screenshot TikTok @javier.camacho475
Andi Meier erklärt, dass die Satire der Fasnacht oft ein Zusammenspiel aus Sprache, Ironie und Tradition ist: «Die Basler Fasnacht funktioniert mit Schnitzelbänken, Laternen, Dialekt – das sind Feinheiten, die ausserhalb der Schweiz schwer einzuordnen sind. Selbst in der Schweiz versteht nicht jeder jedes Sujet sofort. Aber weil unser Sujet ein so starkes Bild hatte, hat es sich für eine virale Verbreitung angeboten.»
Was in Basel als subtile Kritik an der Filterblasen-Kommunikation gedacht war, wurde in den USA zur eindimensionalen politischen Aktion umgedeutet. Besonders ironisch ist dabei, dass genau das eingetreten ist, was die Fasnachtsclique kritisieren wollte: «Jemand sieht ein Bild, interpretiert es aus seiner Perspektive, teilt es in seiner Bubble – und schon gibt es eine neue Realität. Genau das war unser Punkt.»
Die Schweiz als Projektionsfläche für US-Politik
Die Wut über eine vermeintliche Anti-Trump-Demo zeigt auch, wie stark die US-Politik das Denken vieler Menschen dominiert. Der Basler Mittelfinger wurde in amerikanischen Social-Media-Kreisen als direkte Provokation gegen die eigene politische Position wahrgenommen.
«Wir hatten nicht die Absicht, uns nur auf Trump zu konzentrieren. Es ging um das generelle Problem, dass Menschen nicht mehr miteinander reden. Trump war nur eine Facette, aber plötzlich wurde unser Sujet zur globalen Anti-Trump-Botschaft.»
Der CCB hat mittlerweile eine Erklärung auf Englisch auf seiner Website veröffentlicht, um den Kontext des Sujets zu erläutern. Ob das reicht, um den Diskurs zu korrigieren, ist fraglich. Im Netz gilt oft: Das Missverständnis verbreitet sich schneller als die Richtigstellung.
Umgang mit plötzlicher Aufmerksamkeit
Ob die Fasnachtsclique dieses Missverständnis als Anerkennung oder als verzerrte Darstellung wahrnimmt? Andi Meier sagt dazu: «Zuerst waren wir einfach überrascht, wie weit das gegangen ist. Es zeigt uns, dass wir mit unserer Sujetwahl einen Nerv getroffen haben. Fasnacht soll provozieren und zum Nachdenken anregen – das haben wir wohl mehr als erreicht.»
Dass internationale Medien den direkten Kontakt mit der Clique bisher nicht gesucht haben, ist für Meier ebenfalls eine interessante Beobachtung: «Es gab keine Anfragen von Journalist*innen aus den USA. Das zeigt auch, wie solche Social-Media-Dynamiken funktionieren: Es geht weniger um die Wahrheit, sondern darum, was ins eigene Weltbild passt.»
Und nun? Wird die Fasnacht in Zukunft vorsichtiger mit Sujets umgehen? «Wir ändern unsere Themen nicht, nur weil es diesmal viral ging. Die Fasnacht lebt davon, Dinge ironisch und überspitzt darzustellen. Es gibt natürlich Tabus – Dinge wie Krieg oder menschliches Leid werden nicht verherrlicht. Aber Angst vor Social-Media-Missverständnissen? Die dürfen wir nicht haben.»
Der aktuelle «Zeedel» des CCB: Mit Diir Reed Y Nit!
Bisch du no im Dialog? Vo Gsicht zu Gsicht, ganz analog? Fiersch du Gspröch und Diskussione? Zum Bischpil über Spägg und Boone? Oder über Religione? Oder s Spände vo baar Droone?
Loosisch du no offe zue? Handlisch du no us dr Rue? Wäggsch no ab, brobiersch z verstoo? Überleggsch, wies au könnt goo? Suechsch du no noch Kompromiss? Mol geduldig, mol mit Biss? Doch so, ass trotz de Differänze und hoche Diskussions-Kadänze, au bi fäärne Meinigs-Wälte, Aastand und Respäggt dien gälte?
Denn ghörsch du zue dr Minderheit… Will hüt die wichtig Fertigkeit, de Meischte zweenig gläufig isch – me setzt sich nit an gliiche Disch: Ob Cis mit Trans, ob Mehmet mit Hans, ob Russ mit Ami, ob Papi mit Mami, ob Maager mit Fett, ob Boomer mit Z, ob Arm mit Riich, d Haltig isch gliich: Ob Mensch mit Mensch, ob Land mit Land – me redet nümme mitenand! Egal was für e Reegle herrscht, Me, Myself and I kunnt zerscht!
Dr Dialog isch überholt, si Wirggigsformle übermoolt. Es überwiegt dr dunggli Soog, vom sälbschtverliebte Monolog! Jede rotzt perfid beschränggt, das wo grad im Hirni hänggt, völlig plump und ungeniert, in d Wältgschicht uuse – unfiltriert! Ohni mit dr Wimpre z zugge, duet me schnäll uf «sände» drugge. Ob hetze, drohe, diskriminiere – Hauptsach me duet polarisiere…
Dr Wildi Weschte duet so walte und d Gsellschaft immer tiefer spalte. So gfallts im Doggter Algorith, härzlos wirggt är fliissig mit: Dääglig wirsch du ohni s z mergge, zum di eige Meinig z stergge, gfietteret mit neuem Bricht, wo diner Haltig scho entspricht.
Hänggsch dur das am stete Tropf und füllsch mit Daate still di Kopf. Wie dr Mogli wirsch verwandlet und mit de böse Mächt verbandlet: Statt in de Fäng vo Schlange Kaa, wirsch glänggt vo Social Media.
Eso wirsch langsam leer und stumpf, es bliibt dr nur dr hooli Rumpf, gstüürt vo Hass und total kalt – e Wärte-Abbau ohni Halt. Blind gäärsch in dim eigne Saft, mit Gältigsdrang als Aatriibskraft. Es fiert dä Wääg mit Sicherheit, zue weenig Gwünn an Menschlichkeit.
Us däm Grund dien mir appelliere, euer Hirni z aktiviere! Lösed euch vo Zwäng und Sucht, entziend euch vo dr pralle Wucht vo Missmuet und vo falschem Dängge und diend euch heim zum Ursprung rängge, euch vom Monolog entbinde… …und so mit Härz zum Gspröch zruggfinde!