Clubs, Diskotheken, Bars – sie stehen in der Corona-Krise vor dem Abgrund. Die Aussichten auf eine baldige Öffnung sind gering. Und ein Fall in Südkorea zeigt: Für das Virus sind Gäste dort leichte Beute.
Bässe wabern über die Tanzfläche, es ist laut, stickig, eng. Hunderte schwitzende Menschen zappeln durch die Nacht und ... Moment. Regt sich da etwas im neu gelernten Abstandsbewusstsein?
In der Corona-Krise sind solche Szenen schwer vorstellbar geworden. Während es vielerorts Lockerungen gibt, blicken Clubs, Diskotheken und Bars weiter in eine düstere Zukunft. Ihr Problem: Das Virus hat es hier besonders leicht.
Beispiel Berlin: Von ersten 263 bestätigten Fällen gingen hier 42 auf Club-Besuche zurück. Pamela Schobess vom Vorstand der Clubcommission – dem Verband Berliner Clubveranstalter – prognostizierte schon zu Beginn der Corona-Krise: «Wir waren die ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die letzten sein, die wieder aufmachen können.»
Eine Meinung, die auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) teilt. Gerade in Clubs, Bars und Discos finde das Coronavirus perfekte Bedingungen für eine schnelle Verbreitung, sagt er. Es ist eng, man schwitzt, schreit einander mit geringem Abstand ins Ohr: «Das ist genau dieses Szenario, bei denen es in anderen Ländern bereits zu massenhaften Ansteckungen gekommen ist. Das sind die Viren-Hotspots – gerade für das Coronavirus.»
Ausserdem mache es die meist schlechte Belüftung der Räume dem Virus noch leichter. «Sie können da nicht für eine Belüftung sorgen. Sie haben vielleicht nur Anlagen, die das umwälzen oder ein bisschen verblasen. Aber eigentlich sind das kleine enge Räume.» Das sei der beste Zustand, den er sich für einen respiratorisch – also über die Atmung – übertragbaren Erreger vorstellen könne. «Also der schlimmste Zustand für den Menschen. Insgesamt ist die Situation einfach ideal, um sich dort infizieren zu können.»
Wie ideal die Tanzfläche für das Virus ist, mussten die Menschen in Südkorea Anfang Mai erfahren. In der Hauptstadt Seoul war ein 29-jähriger Corona-Infizierter durch mehrere gut besuchte Clubs und Bars im Ausgehviertel Itaewon gezogen. Es kam zu einer Cluster-Infektion: Fast 200 Infektionsfälle wurden mit dem Ausbruch in Verbindung gebracht, mehr als 65'000 Menschen mussten sich testen lassen. In Südkorea – wo sich die Lage eigentlich entspannt hatte – war die Angst vor dem Virus wieder da.
Die Behörden seien davon ausgegangen, dass es mehrere «Indexfälle in diesem Itaewon-Cluster gab», sagt Kim Dong Hyun von der Koreanischen Gesellschaft für Epidemiologie. «Und der 29-Jährige ist definitiv einer davon.» Mit Indexpatienten werden in der Regel Personen bezeichnet, von denen ein Ausbruch seinen Ausgang nimmt. «Das bedeutet, es gibt sicherlich noch unentdeckte, stille Fälle.»
Wenig Chancen auf Abstand, schwierige Lüftungsbedingungen und die stetige Angst vor dem nächsten grossen Ausbruch: Ist die Party in den Clubs jetzt endgültig vorbei? Das Sinnvollste wäre, in einen Club für sonst 100 Besucher nur fünf Gäste zu lassen, meint Virologe Schmidt-Chanasit. «Aber das will keiner und das macht auch keinen Sinn.» Er geht davon aus, dass Tanzen wie vor der Corona-Pandemie erst in vielen Monaten wieder möglich sein wird. «Erst, wenn wir einen Impfstoff haben oder die Pandemie vorbei ist und die Immunität in der Bevölkerung angestiegen ist.»
In Berlin kämpft die Szene derweil ums Überleben. Das Streaming-Format #UnitedWeStream bringt etwas an Spenden ein, an weiteren Alternativen wird gearbeitet. So will die Clubcommission mit Blick auf den nahenden Sommer draussen tanzen. Freiflächen sollen vorübergehend bis Mitternacht geöffnet, die Musik zwei Stunden früher abgestellt werden. Für Pamela Schobess, die selbst den Club «Gretchen» betreibt, stellt sich mit Blick auf die knappe Finanzdecke dennoch die Frage, «ob es uns alle überhaupt noch gibt, wenn wir wieder aufmachen dürfen».
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