Pazifikinsel Bougainville Das wird der jüngste Staat der Erde – und China ist bereits dran

Von Philipp Dahm

16.12.2019

Bougainville will unabhängig werden – obwohl sich die Pazifikinsel das gar nicht leisten kann. Doch China hilft gerne, hat dabei aber nicht in erster Linie Freiheit und Unabhängigekit des Landes im Blick.

Die Nachricht, dass die Pazifikinsel Bougainville für die Unabhängigkeit gestimmt hat, hat viele Fragen aufgeworfen. Die beiden wohl häufigsten: Bougain-was? Und wo liegt das Eiland überhaupt?

Dass kaum einer die Insel auf dem Zettel hat, ist nicht verwunderlich: Bougainville liegt am anderen Ende der Welt und gehörte bisher zu Papua-Neuguinea. Und selbst diesen Staat fände wahrscheinlich nur eine Minderheit der Schweizer auf dem Globus.

Dabei ist die Gegend in mehrerlei Hinsicht interessant: Die Inseln liegen auf dem Pazifischen Feuerring, auf dem oft die Erde bebt und Vulkane ausbrechen. Das bedeutet aber auch, dass viele wertvolle Rohstoffe darauf warten, abgebaut zu werden.

China, der Dominator

Auch im Herzen von Bougainville steht eine Mine, die einer der Gründe war, dass sich die Bewohner zwischen 1988 und 1998 mit Gewalt vom Mutterland Papua-Neuguinea loslösen wollten. Der Bürgerkrieg endete mit dem Versprechen, ein Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen.

Die Pangunamine von Bougainville

Nach dem klaren Ja zur Unabhängigkeit wird Bougainville bald der jüngste Staat der Erde sein. Eine funktionierende Verwaltung wird es bis dahin nicht mal im Ansatz geben, dennoch streckt eine Grossmacht schon lange ihre Fühler nach der Insel aus. Die Rede ist vom grossen Dominator der Region: China.

Bougainville ist für Peking ein weiteres Puzzlestück auf dem Pazifik-Tableau: Inselgruppen wie Vanuatu, Kiribati, Samoa, Fidschi, Neu-Guinea und die Salomonen haben sich mit China arrangiert, bieten dem Reich der Mitte Stützpunkte an und unterstützen es auch diplomatisch: Im September erklärte etwa der Premierminister der Salomonen, sein Land erkenne Taiwans Unabhängigkeit nicht mehr an.

Die Einschläge kommen näher: Chinas Ausbreitung im Südpazifik.
Die Einschläge kommen näher: Chinas Ausbreitung im Südpazifik.
Screenshot: Youtube

Australien und USA lassen Peking den Vortritt

Und auch an Bougainville ist China bereits nah dran, wie Sam Kauona im australischen TV bestätigt. Der General war im Bürgerkrieg einer der Anführer der Separatisten und hat gute Chancen, der erste Premier des Landes zu werden.

In der Pangunamine schlummern Rohstoffe im Wert von geschätzten 60 Milliarden Dollar.
In der Pangunamine schlummern Rohstoffe im Wert von geschätzten 60 Milliarden Dollar.
Screenshot: Youtube

China ist hier gern gesehen, sagt Kauona. «Bougainville kann frei wählen, mit welchem Land wir den besten Deal machen können.» Tatsächlich hat Peking den Bewohnern bereits ein Angebot gemacht, das der General seinen Landsleuten vorstellt.

«Wir warten immer noch auf ein australisches oder ein amerikanisches Angebot», sagt Kauona. China dagegen hat bereits einen detaillierten Plan vorgelegt – inklusive Plänen für Strassenverbindungen und den Bau einer Brücke, eines Hafens und eines Flughafens.

«Chinas Expansionismus thematisieren»

«Man erkennt hier ein Muster», warnt Captain James Fanell, ein früherer Geheimdienstspezialist der Pazifikflotte der US Navy. «China übernimmt die Kontrolle im Südpazifik.» Erst jetzt würden die Verantwortlichen in Australien und den USA aufwachen: «[Sie] sagen: Wenn wir jetzt nicht aufstehen und Chinas Expansionismus thematisieren, werden wir in 25 oder 30 Jahren von ihnen beherrscht.»

Eine lange Schlange vor dem Wahllokal: 98 Prozent der Einwohner haben am Unabhängikeitsreferendum teigenommen.
Eine lange Schlange vor dem Wahllokal: 98 Prozent der Einwohner haben am Unabhängikeitsreferendum teigenommen.
Bild: Keystone

Das asiatische Grossreich selbst beteuert, nur Entwicklungshilfe zu leisten: Was könnte dagegen schon einzuwenden sein? Westliche Staaten verfahren immerhin genauso: Grossprojekte werden angestossen, ob die Bevölkerung nun profitiert oder nicht. Wenn dem Empfängerland das Geld ausgeht und es die Kredite nicht mehr bedienen kann, übernimmt das Geberland die Kontrolle über das Objekt oder mischt sich in den Staatshaushalt ein.

Dass auch das kommunistische China so verfährt, hat etwa Sri Lanka am eigenen Leib erfahren müssen. 361 Millionen Dollar hat es die Insel gekostet, einen neuen Hafen in Hambantota zu bauen, der 2010 eröffnet wurde. 85 Prozent der Summe hat eine chinesische Bank vorgestreckt. Weil die Einnahmen der Anlage aber hinter den Erwartungen zurückblieben und die Rückzahlung des Kredits harzte, einigten sich die Parteien 2017 darauf, 70 Prozent des Hafens für 99 Jahre an China zu verpachten.

In der Schuldenfalle

Dasselbe Spiel in Sambia: Auch hier sprang eine chinesische Bank als Kreditgeber ein und streckte 360 Millionen Dollar für einen Ausbau des Flughafens von Lusaka vor, damit chinesische Firmen ein Terminal, ein Präsidentschaftsterminal, einen neuen Tower, ein Fluglotsengebäude und ein neues Hotel bauen konnten. Im September 2018 kapitulierte die Betreiberin des Flughafens vor den Rückzahlungen, heute ist der Airport in chinesischer Hand. Warum Sambia? Hier liegt der Kupfergürtel mit wichtigen Rohstoffen.

Im Lied «Yama Chinese» des sambischen Rappers PilAto heisst es: «Sie ziehen ihre schicken Anzüge an und fliegen nach China, um unser Land zu verkaufen. Die Strassen gehören China. Die Hotels sind für Chinesen. Die Hühnerfarmen sind chinesisch. Sogar die Ziegel kommen aus China.»

Video: Youtube

Auch Kenia steckt in einer derartigen Schuldenfalle: Das Land hat sich 3,3 Milliarden Dollar für den Bau einer Eisenbahntrasse von Nairobi nach Mombasa bei der chinesischen Exim Bank geborgt. Nun wird befürchtet, dass der lukrative Hafen von Mombasa an Peking gehen könnte, weil das Land den Schuldenberg von heute insgesamt fast 6,5 Milliarden Dollar bald nicht mehr stemmen könne.

Geplanter Mega-Hafen in Bagamoyo in Kenia: Für zehn Milliarden Dollar soll hier eine Sonderwirtschaftszone entstehen.
Geplanter Mega-Hafen in Bagamoyo in Kenia: Für zehn Milliarden Dollar soll hier eine Sonderwirtschaftszone entstehen.
Bild: PR

Nicht anders sieht es nach einem Eisenbahnbau in Äthiopien aus oder auf der Pazifikinsel Vanuatu. Dort wurde ein Kai gebaut, der einen Flugzeugträger versorgen kann – natürlich verfügt das Land über kein solches Schiff, der Kai wird also nicht gebraucht.

Neo-Kolonialismus?

Dass Länder wie Sri Lanka oder Kenia in Pekings Fokus sind, liegt auf der Hand: Über diese Stationen soll die Seeweg-Variante der sogenannten neuen Seidenstrasse führen, die von Fuzhou über Hanoi in Vietnam und Kuala Lumpur in Malaysia bis nach Venedig führt. Vanuatu liegt dagegen nicht auf dieser Linie – und doch ist China auch in Ozeanien schwer aktiv.

Je stärker China im Südpazifik wird, desto schwächer wird Australiens Verbindung zu den USA. Wie wichtig diese derzeit ist, hat eine andere, aufsehenerregende Reportage aus Australien enthüllt.

Dank eines chinesischen Überläufers machte die Sendung «60 Minutes» öffentlich, dass Peking versucht hat, sich einen Abgeordneten im australischen Parlament zu kaufen: Der Mann, der wahrscheinlich dafür angworben werden sollte, ist inzwischen tot.

Dass mit Peking nicht zu spassen ist, haben zuletzt die Färöer-Inseln erfahren müssen. Den Nordeuropäern wurde bedeutet, sie könnten ihren Lachs woanders verkaufen, wenn sie nicht den chinesischen Konzern Huawei mit dem Aufbau ihres neuen 5G-Handynetzes beauftragen.

Bougainville, aber auch der Rest der Welt sollte daraus eine Lehre ziehen: Wer sich in ökonomische, monetäre oder diplomatische Abhängigkeit begibt, wird dafür in China auch sicherlich bezahlen müssen. 

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