Trump legt Schwächen offen4 Punkte, die Scholz und Macron den Schlaf rauben
Philipp Dahm
18.2.2025
Bundeskanzler: Europäische Truppen für die Ukraine stehen derzeit nicht zur Debatte
Olaf Scholz: «Wir müssen dafür sorgen, dass Europa stark, souverän, mit geradem Rücken die Herausforderungen der Zukunft bewältigt. Da geht es um die Frage, wie wir die Ukraine weiter unterstützen und sicherstellen, dass sie jetzt nicht alleine gelassen wird. Ich bin sicher, dass wir da eine klare Position entwickeln können. Und das Zweite ist die Frage, wie wir die transatlantischen Beziehungen weiterentwickeln und auch unsere eigenen Aufwendungen für Sicherheit und Zusammenarbeit für die Sicherheit in Europa voranbringen. […] Deshalb geht es jetzt um die Frage, wie ohne dass über die Köpfe der Ukrainer und Ukrainer hinweg entschieden wird, Frieden gewährleistet werden kann. Für mich ist ganz klar, dass im Mittelpunkt stehen muss eine sehr starke ukrainische Armee, auch in Friedenszeiten.»
17.02.2025
Donald Trumps Liebesentzug lässt in Europa die Alarmglocken läuten: Der US-Präsident legt mit seinem Rückzug Probleme offen, die hausgemacht sind und Scholz, Macron und ihre europäischen Partner umtreiben.
Europa unter Druck: Wenn sich in Paris die Staats- und Regierungschefs von Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark treffen, werden die fünf drängendsten Probleme – zumindest kurzfristig – nicht gelöst werden können.
Kaum Abschreckung
Pax americana ade: Die USA wollen sich aus Europa zurückziehen. Das zeigt sich auch in den jüngsten Ukraine-Vorschlägen aus Washington: US-Truppen werden explizit nicht abgestellt, um einen etwaigen Frieden abzusichern, betont Washington.
Es sei ein «neuer Sheriff in der Stadt», droht US-Vize J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz in München. «Man kann nicht annehmen, dass Amerikas Präsenz [in Europa] ewig währt», warnt Verteidigungsminister Pete Hegseth in Polen. Sein Land sei nicht mehr der «Hauptgarant» für die Sicherheit auf dem Kontinent, legt er nach.
Wladimir Putin (l.) und Donald Trump im Juni 2019 beim G20-Gipfel in Osaka.
Bild:Keystone
Diese Haltung bringt vor allem die Osteuropäer ins Schwitzen. Sie bauen auf die Abschreckungswirkung der Weltmacht: Mit einem entschlossenen US-Präsidenten legt sich auch in Moskau niemand an. Aber was ist, wenn Wladimir Putin glaubt, dass Washington kein nukleares Risiko eingeht, nur weil das kleine Estland überfallen worden ist?
Das befürchtete Szenario sieht so aus: Die russische Armee trennt an der Suwalki-Lücke die baltischen Staaten vom Rest der Nato ab und überrennt sie. Nach der Annexion warnt Russland, es werde Nato-Angriffe auf sein neues Territorium mit Atomwaffen kontern. Wagen würde der Kreml einen solchen Vorstoss aber wohl nur, wenn es auf Passivität des Weissen Hauses zählen könnte. Trumps Rückzug macht die Balten deshalb besonders nervös.
Über Belarus und die Suwalki-Lücke hat Russland Zugang zur Exklave Kaliningrad.
Commons/NordNordWest
Führungslos
Grönland-Gelüste, Zölle, Rüstungsausgaben: Ausgerechnet jetzt, da Trump Europa frontal angreift, steht der Kontinent ohne politische Führung da. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist durch Wahlniederlagen und Regierungschaos geschwächt und die Tage von Kanzler Olaf Scholz sind vor dem kommenden Wahlsonntag in Deutschland gezählt.
Der britische Premier geht zwar voran und zeigt sich noch vor dem Pariser Treffen offen für britische Friedenstruppen in der Ukraine. Andererseits ist es schwer für London, eine Führung in Europa zu übernehmen, wenn sein Land der EU ausdrücklich den Rücken gekehrt hat.
Kraftlos
Die Friedensdividende nach dem Mauerfall 1989 entpuppt sich im Jahr 2025 als teurer Fehler: Die europäischen Armeen sind zu stark geschrumpft. Zumindest wenn es darum geht, die Landesverteidigung zu garantieren, den internationalen Verpflichtungen nachzukommen und auch noch eine Ukraine-Friedenstruppe aufzustellen.
Deutsche Soldaten an der Übung Grand Quadriga im Mai 2024 in Litauen: 4000 Deutsche sollen 2027 in dem baltischen Land stationiert sein. Das könnte Lücken an der Heimatfront verursachen, warnte Generalleutnant Alfons Mais vor gut einem Jahr im «Spiegel».
Bild:Keystone
Allein das Personal der deutschen Bundeswehr ist von gut 486'000 1989 auf gut 215'000 im Jahr 2025 gesunken. Gut 181'000 davon sind aktive Soldaten. Grossbritannien führt gut 184'000 aktive Soldaten, Frankreich hat 200'000. In Italien dienen 165'000 Personen, in Spanien sind es knapp 72'000.
Zum Vergleich: Russland hat 1,32 Millionen aktive Soldaten.
Die Ukraine-Friedenstruppe soll 100'000 bis 150'000 Mann stark sein, fordert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Doch selbst wenn es nur 30'000 bis 40'000 Soldaten sein sollten, wie Medien spekulieren, wäre das Ausheben für die Europäer eine Herausforderung.
Substanzlos
Wladimir Putin hat 2024 13,1 Billionen Rubel in sein Militär gesteckt, was 130 Milliarden Franken entspricht. Das sind 40 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Das International Institute for Strategic Studies hält jedoch fest, dass der Wert um Aspekte wie die Kaufkraft bereinigt werden muss: Die Londoner Denkfabrik taxiert die Summe auf knapp 416 Milliarden Franken.
Russische Rüstungsmesse in Schukowski: Russland investiert mehr als der Rest Europas zusammen. (Archivbild)
Bild:Keystone
Europa habe dagegen nur knapp 412 Milliarden investiert, heisst es in dem Bericht weiter. Das wären dann zwar 11,7 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar 50 Prozent mehr verglichen mit 2014, aber insgesamt eben weniger, als der Kreml ausgibt. Und während Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, muss Europa im Ausland Mittel zur Verteidigung einkaufen.
«Viele europäische Beschaffungsaufträge werden an Anbieter aus Drittländern vergeben«, klagt ein Sprecher der Lobby-Organisation ASD bei «Euronews». «Dieser Trend muss umgedreht werden. Wir müssen mehr Geld ausgeben – und zwar in Europa.»
Am Ende wird ein – personelles wie materielles – Aufstocken von Europas Militär teuer. Es fällt der Politik aber immer noch schwer, das bei der eigenen Wählerschaft auch offen anzusprechen.
Trump will Putin «sehr bald» treffen
STORY: US-Präsident Donald Trump könnte sich nach eigenen Angaben «sehr bald» mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin treffen. Es gebe noch kein Datum, aber es könne sehr bald sein, sagte Trump auf die Frage eines Journalisten, wann er den Kreml-Chef in Saudi-Arabien treffen werde.Trump hatte am Mittwoch ein längeres Telefonat mit Putin geführt und im Anschluss erklärt, er habe mit ihm den «unverzüglichen» Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart. «Ich glaube, er will nicht mehr kämpfen. Das sehe ich. Wir haben lange und intensiv gesprochen, Ich glaube, er will die Kämpfe einstellen. Sie haben eine grosse, mächtige Maschine, das müssen Sie verstehen. Sie haben Hitler besiegt und sie haben Napoleon besiegt. Wissen Sie, sie kämpfen schon sehr lange. Sie haben es schon einmal geschafft. Aber ich glaube, er würde gerne aufhören zu kämpfen.» Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf am Sonntag gemeinsam mit seiner Frau zu einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein. Schwerpunkte des Besuchs seien die Bemühungen, – Zitat – «noch mehr unserer Leute aus der Gefangenschaft nach Hause zu holen», schrieb Selenskyj auf Telegram. Zudem gehe es um Investitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Vereinigten Arabischen Emiraten sind seit Kriegsbeginn als Vermittler zwischen Kiew und Moskau aktiv, um beim Austausch von Gefangenen und der Rückkehr ukrainischer Kinder aus Russland zu helfen. Selenskyj hatte wiederholt betont, dass Verhandlungen über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges ohne die Ukraine nicht möglich sind. Kanzler Olaf Scholz wird am Montag an der Ukraine-Konferenz teilnehmen, zu der Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Paris eingeladen hat. Auf der Konferenz wollen die Europäer ihre Linie für die weitere Unterstützung der Ukraine und die Position gegenüber den von den USA und Russland geplanten Friedensgesprächen festlegen. Die EU dringt darauf, ebenso wie die Ukrainer am Verhandlungstisch zu sein.