International 50 Jahre Greenpeace: «Schaffen wir es schnell genug?»

SDA

30.8.2021 - 09:07

Die Besatzung der Phyllis Cormack (auch "Greenpeace" genannt)im Jahr 1971 an Bord des Schiffes. Im Uhrzeigersinn von oben links: Hunter, Moore, Cummings, Metcalfe, Birmingham, Cormack, Darnell, Simmons, Bohlen, Thurston, Fineberg. Foto: Robert Keziere/Greenpeace United States of Amer/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
Die Besatzung der Phyllis Cormack (auch "Greenpeace" genannt)im Jahr 1971 an Bord des Schiffes. Im Uhrzeigersinn von oben links: Hunter, Moore, Cummings, Metcalfe, Birmingham, Cormack, Darnell, Simmons, Bohlen, Thurston, Fineberg. Foto: Robert Keziere/Greenpeace United States of Amer/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
Keystone

Am Anfang war es nur eine spontane Idee: «Wir hoffen, dass wir mit einem Boot nach Amchitka segeln und uns der Bombe entgegen stellen werden», sagte der amerikanische Ingenieur Jim Bohlen 1970 zu einem Reporter der «Vancouver Sun».

Genau das hatte kurz zuvor Bohlens Frau Marie vorgeschlagen, als beide überlegten, wie sie gegen die Atomtests der USA auf der Aleuteninsel Amchitka im Nordpazifik protestieren könnten. Ein Boot hatten die Bohlens da noch gar nicht. Gemeinsam mit Freunden trieben sie den alten Fischkutter «Phyllis Cormack» auf. Sie nannten ihn «Greenpeace» und machten sich damit am Mittwoch (15. September) vor 50 Jahren auf die abenteuerliche Reise Richtung Aleuten.

Die Aktion sorgte für so viel Aufmerksamkeit und internationale Empörung, dass das Atomwaffentest-Programm schliesslich abgebrochen wurde. Und: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace (dt: Grüner Frieden) war gegründet. Der 2010 gestorbene Mitgründer Bohlen sollte noch viele Jahre aktiv bleiben.

Ein halbes Jahrhundert später ist Greenpeace eine der grössten Umweltschutzorganisationen der Welt, in mehr als 55 Ländern aktiv, mit rund drei Millionen Unterstützern. Allein in Deutschland, wo es 1980 die erste Aktion gab, hat Greenpeace nach eigenen Angaben mehr als 600 000 Mitglieder.

Greenpeace will mit gewaltfreien Aktionen für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kämpfen. Das sei auch ein Kampf für soziale Gerechtigkeit weltweit, betont Galit Gun im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Gun ist Leiterin der Globalen Kampagnen für Klima und Energie am Hauptsitz von Greenpeace in Amsterdam.

Greenpeace will finanziell unabhängig sein von Regierungen, Parteien, Wirtschaft, aber auch von EU und UNO. Mit Hilfe zahlreicher Experten prangert die Organisation Umweltprobleme nicht nur an, sondern hat viele überhaupt erst aufgedeckt. Und sie scheut den Kampf gegen grosse Konzerne nicht. Greenpeace will Verursacher und Regierungen zum Handeln zwingen – etwa im Kampf gegen den Klimawandel. «Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, wer verantwortlich ist», sagt die Kampagnen-Leiterin. «Wir wollen sie zur Rechenschaft ziehen.»

Und das geschieht auch vor Gericht oft gemeinsam mit anderen Umweltschützern. Mit zunehmendem Erfolg. Zuletzt wurde im Mai der Öl- und Erdgaskonzern Shell von einem niederländischen Gericht dazu verurteilt, seine Kohlendioxid-Emissionen drastisch zu senken. Das Klima-Urteil gilt als historisch und kann weitreichende Folgen haben.

Gerade in den 1980er und 1990er Jahren machte Greenpeace vor allem mit spektakulären und auch oft umstrittenen Aktionen Schlagzeilen. International bekannt wurde der Kampf um die Versenkung des schwimmenden Öl-Tanks «Brent Spar».

Berühmt wurden die Einsätze der «Rainbow Warrior»: Aktivisten zogen mit dem grün angemalten Schiff und dem fröhlichen Regenbogen in den Kampf gegen die Aufbereitung von Atommüll, gegen das Schlachten von Robben-Babies, den Walfang und gegen französische Atomtests auf dem Mururoa-Atoll. Dann ereignete sich 1985 das Drama: Der französische Geheimdienst brachte die «Rainbow Warrior» vor Auckland in Neuseeland mit zwei Sprengladungen zum Sinken. Ein Greenpeace-Fotograf starb.

Greenpeace erhält viel Lob – für den Einsatz für bleifreies Benzin oder für schadstofffreie Kühlschränke etwa. Aber gefährliche Aktionen sorgen auch für Kritik.

Zuletzt war das die missglückte Aktion beim Spiel Deutschland gegen Frankreich bei der Fussball-Europameisterschaft in München im Sommer. Ein Gleitschirm-Flieger hatte bei einer Bruchlandung im Stadion zwei Männer verletzt. Eigentlich sollte er nur einen Ball in die Arena werfen und gegen Sponsor Volkswagen protestieren. Greenpeace entschuldigte sich.

Spektakuläre Aktionen werde es aber weiterhin geben, sagt Kampagnen-Chefin Gun. «Und sicher auch mit Schiffen», sagt Gun. So wie es vor 50 Jahren angefangen hatte. «Wir müssen gerade jetzt im Kampf gegen die Klimakatastrophe alles und jeden einsetzen – es ist: alle Mann an Deck.» Inzwischen ist Greenpeace Teil einer weltweiten Bewegung. Gerade die junge Generation wie etwa die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, so sagt die Kampagnen-Chefin, sorgten für «wunderbaren frischen Wind.»

Der weltweite Druck der Bürger werde nicht verschwinden, sagte jüngst auch die Exekutiv-Direktorin von Greenpeace, Jennifer Morgan, der Zeitschrift «Rolling Stone». «Die Demonstrationen werden immer weiter anwachsen.» Sie betonte, dass direkte Aktionen und gewaltlose Proteste zur Identität von Greenpeace gehören. «Aber ich rede seit 25 Jahren mit den Menschen darüber, und manche hören nicht zu und handeln nicht. Und dann muss man auf andere Art und Weise deren Aufmerksamkeit bekommen».

Die Greenpeace-Chefin ist überzeugt, dass man im Kampf gegen den Klimawandel das Ruder herumreissen kann: «Die Frage ist nur: Schaffen wir es schnell genug?»