79 Jahre nach Erschiessung98-Jähriger führt französische Experten zu Massengrab mit Wehrmachtssoldaten
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20.8.2023
79 Jahre nach der Erschiessung von 46 Wehrmachtssoldaten durch französische Widerstandskämpfer bricht ein 89-Jähriger sein Schweigen. Nun sollen die Leichen der Deutschen geborgen werden.
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20.08.2023, 00:00
20.08.2023, 08:04
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Im Juni 1944 erschossen französische Partisanen 46 Wehrmachtssoldaten sowie eine Kollaborateurin in Zentralfrankreich.
Kurz zuvor hatte die SS das schlimmste Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa begangen.
Ein heute 98 Jahre altes Mitglied der Partisanentruppe hat nun sein Schweigen gebrochen. Er beschrieb die Tat und nannte ein Gebiet, in dem er die Leichen vermutet.
Seit vergangenem Mittwoch wird nach den sterblichen Überresten der Soldaten gegraben.
79 Jahre ist es her, dass französische Widerstandskämpfer nahe der Ortschaft Meymac 46 Wehrmachtssoldaten sowie eine französische Kollaborateurin erschossen. 1967 wurden elf Leichen geborgen, die sterblichen Überreste der restlichen 36 Menschen blieben verschollen.
Das könnte sich jetzt ändern. Am vergangenen Mittwoch begannen Ausgrabungen an einer Stelle in einem Wald, in der ein Massengrab mit den restlichen Leichen vermutet wird.
Der Grund für die späte Suchaktion: Ein 98-jähriger Franzose namens Edmond Réveil hat sein Schweigen gebrochen – nacht fast acht Jahrzehnten.
Tat folgte zwei deutschen Massakern
Als er 19 Jahre alt war, war Réveil Teil einer Partisanengruppe, die gegen die deutschen Besatzer kämpfte. Die hatten gerade – im Juni 1944 – Massaker in den Orten Tulle und Oradour-sur-Glane begangen.
In Tulle hatte Réveils Truppe zahlreiche Wehrmachtssoldaten gefangen genommen. Man habe nicht gewusst, was man mit so vielen Gefangenen hätte tun sollen, sagte Réveil im vergangenen Mai der Zeitung «La Montagne» – es war das erste Mal, dass er sich an die Öffentlichkeit wandte.
Also sei der Befehl erfolgt, die Gefangenen zu erschiessen. «Wir haben sie alle gezwungen, ihr eigenes Grab auszuheben», schildert Réveil die Szene. Es habe nach Blut gerochen. Keiner der Partisanen habe die der Kollaboration bezichtigte Frau erschiessen wollen – also habe das Los entschieden.
«Es war ein Kriegsverbrechen»
«Danach haben wir nie mehr darüber gesprochen», so Réveil, der sein Schweigen erst brach, als er der letzte überlebende Augenzeuge der Tat war. «Es war ein Kriegsverbrechen», sagt er klar.
Réveils Geständnis sorgte für viel Aufsehen in Frankreich. Das mutmassliche Kriegsverbrechen steht einer Vielzahl an Gräueltaten gegenüber, die die deutschen Besatzer an der französischen Bevölkerung begangen hat.
So auch in Tulle. Dort hatte die SS am 9. Juli 1944 99 Zivilist*innen öffentlich erhängt. Am folgenden Tag ermordeten Nationalsozialisten 649 Menschen im zufällig ausgewählten Ort Oradour-sur-Glane.
Überreste sollen Familien übergeben werden
Von diesen Taten hatte die Partisanentruppe, der Réveil angehörte, vermutlich gehört. Die Tat in Oradour-sur-Glane gilt als schlimmstes Massaker, das während dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa begangen wurde.
Nun also wollen französische Expert*innen die Leichen der Wehrmachtssoldaten mithilfe des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf Réveils Angaben basierend ausfindig machen. Erste Analysen des Gebiets haben drei Flächen ergeben, die aufgrund von gefundenen «Bodenanomalien» als «Verdachtsflächen» gelten. Dort wird nun nach den Leichen gegraben.
Sollten sie dort gefunden werden, verkündete Meymacs Bürgermeister Philippe Brugère, würden «die sterblichen Überreste der seit 80 Jahren an diesem Ort vergessenen deutschen Soldaten» exhumiert und «wenn möglich ihren Familien» überbracht werden.