Holocaust-Eklat in Berlin Heftige Kritik an Scholz, Abbas rudert zurück

dpa/uri

17.8.2022 - 13:32

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wirft Israel bei einer Pressekonferenz in Berlin vielfachen «Holocaust» vor und löst einen Eklat aus. Auch Bundeskanzler Scholz muss wegen seiner Reaktion viel Kritik einstecken.

17.8.2022 - 13:32

Nach scharfer Kritik aus Deutschland, Israel und Europa hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas versucht, die Empörung über seine umstrittenen Äusserungen zum Holocaust zu dämpfen.

«Präsident Abbas bekräftigt, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist», schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Mittwoch. Abbas sagte demnach, er habe in Berlin nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich in einer Pressekonferenz mit Abbas am Dienstag zunächst nicht zu dessen Holocaust-Vergleich geäussert. Dafür war er von Oppositionspolitikern heftig kritisiert worden.

Nach der PK hatte Scholz der «Bild»-Zeitung abends gesagt: «Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel.» Am Mittwochmorgen schrieb der Kanzler dann auf Twitter, er sei «zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen» von Abbas. «Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocaust zu leugnen.»

Abbas hatte Israel bei der Pressekonferenz einen vielfachen Holocaust an den Palästinensern vorgeworfen. «Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen», sagte er und fügte hinzu: «50 Massaker, 50 Holocausts.» Er war von einem Journalisten gefragt worden, ob er sich zum 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen verübten Attentats auf die israelische Olympiamannschaft in München bei Israel entschuldigen werde. Mit seiner Antwort endete die Pressekonferenz.

Israelischer Ministerpräsident: «Ungeheuerliche Lüge»

Am Mittwoch sagte Abbas laut Wafa, gemeint habe er mit seinen Äusserungen «die Verbrechen und Massaker gegen das palästinensische Volk, die Israels Streitkräfte seit der Nakba begangen haben». «Diese Verbrechen haben bis zum heutigen Tage nicht aufgehört.» Der historische Hintergrund: Aus einem Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina wurde 1948 Israel. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an. Im Zuge der darauf folgenden Kämpfe flohen rund 700'000 Palästinenser oder wurden vertrieben. Daran gedenken die Palästinenser jährlich als Nakba (Katastrophe).

Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid kritisierte auf Twitter: «Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, «50 Holocausts» begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge.» Er verwies auf die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen. Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte, mit der Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik trete Abbas das Andenken an sechs Millionen ermordete Juden mit Füssen. Gleichzeitig übte Schuster deutliche Kritik an Scholz: «Dass eine Relativierung des Holocaust gerade in Deutschland bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös.»

Empörung auch bei der EU-Kommission

Auch in der EU-Kommission sorgte Abbas mit seinem Holocaust-Vergleich für Empörung. Die Aussagen seien inakzeptabel, schrieb der für den Kampf gegen Antisemitismus zuständige EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas auf Twitter. Der Holocaust sei ein «unauslöschlicher Schandfleck» in der europäischen Geschichte.

Scholz hatte die Äusserungen von Abbas mit versteinerter Miene verfolgt und Anstalten gemacht, sie zu erwidern. Sein Sprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz aber unmittelbar nach der Antwort von Abbas für beendet erklärt.

Die Christdemokraten kritisierten Scholz scharf. «Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt», schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstagabend auf Twitter. Der Kanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten «klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen!»

Der aussenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sprach von einer Scheindebatte. «Das Problem ist nicht die Reaktion des Kanzlers, das Problem ist die Haltung von Palästinenserpräsident Abbas», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte, eine breitere Öffentlichkeit erfahre endlich, «wie die Palästinenser und Abbas – Israels angebliche ‹Partner› – drauf sind. Das ist wichtiger als Kritik am @Bundeskanzler, dessen Empörung klar sichtbar war».

dpa/uri