Machtkampf eskaliert Dutzende Tote nach heftigen Gefechten im Sudan

DPA, gbi

16.4.2023 - 13:33

Dutzende Zivilisten bei Machtkampf im Sudan getötet

Dutzende Zivilisten bei Machtkampf im Sudan getötet

Die Kämpfe zwischen der im Sudan herrschenden Armee und der paramilitärischen Gruppe «Rapid Support Forces» (RSF) halten an. Die RSF buhlen mit der regulären Armee um die Macht.

16.04.2023

Bei heftigen Kämpfen zwischen dem Militär und mächtigen paramilitärischen Kräften in Sudan sind Berichten zufolge Dutzende Menschen getötet worden. Die Gewalt dauert weiter an.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bei der Gewalteskalation im Sudan sind Berichten zufolge über 50 Menschen ums Leben gekommen. Rund 600 Verletzte wurden gezählt, weshalb die Opferzahl noch weiter steigen könnte.
  • Hintergrund des Konflikts ist ein Machtkampf zwischen dem Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der paramilitärischen Gruppe RSF.
  • Die Gewalt hielt auch am Sonntag an. Wer die Oberhand hatte, war zunächst unklar.

Der am Samstag eskalierte Kampf um die Macht im Sudan fordert einen hohen Blutzoll und stürzt das nordostafrikanische Land in eine schwere Staatskrise. Ärzten zufolge gab es bis Sonntag schon Dutzende Tote und Hunderte Verletzte zu beklagen – wobei die Zahlen weiter steigen dürften.

Mehr als 24 Stunden nach Beginn der Gefechte konnten bis Sonntagmittag scheinbar weder das Militär noch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) die Oberhand gewinnen. Beide Seiten berichteten über einzelne Erfolge und eingenommene Militärstützpunkte. Die Angaben liessen sich aber meist nicht unabhängig überprüfen.

Internationale Aufrufe zu einem Ende der Gewalt

Der UNO-Sicherheitsrat forderte alle Konfliktparteien in seltener Einigkeit auf, das Blutvergiessen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Ausserdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UNO-Mitarbeiter geschützt werden, forderte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen.

Auch UNO-Generalsekretär António Guterres, US-Aussenminister Antony Blinken, der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und Aussenministerin Annalena Baerbock forderten ein sofortiges Ende der Gewalt im Sudan. Guterres forderte die Konfliktparteien auf, «die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten». Guterres telefonierte am Samstag mit dem Anführer des RSF.

Besonders umkämpft war in der Hauptstadt Khartum am Sonntag das Gebäude des Hauptkommandos des Militärs, Teile davon gerieten in Brand. Die RSF teilten mit, bestimmte Bereiche des Hauptquartiers unter Kontrolle zu haben.

Das sudanesische Militär wies dies als Falschmeldung zurück. Stattdessen teilte die Armee mit, der Brand sei gelöscht. Es habe keine Verletzten gegeben. Augenzeugen berichten jedoch, dass die Kämpfe dort unvermindert weiter gingen. Dabei sollen schwere Artillerie und Kampfjets eingesetzt worden sein.

Auch in anderen Teilen des Landes wie in den Provinzen Darfur und Nord-Kordofan soll es zu Kämpfen gekommen sein. Schwere Gefechte wurden auch aus der Stadt Merowe im Norden des Landes gemeldet.

Einst noch Seite an Seite, jetzt verfeindet

Hintergrund des Gewaltausbruchs ist ein erbitterter Machtkampf zwischen dem sudanesischen Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, der Anführer der bewaffneten Miliz RSF.

Seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir 2019 und einem weiteren Putsch gegen eine daraufhin eingesetzte, faktisch aber vom Militär kontrollierte Zivilregierung 2021 hat die Armee die Kontrolle im Sudan.

RSF und das sudanesische Militär hatten bei beiden Machtübernahmen noch Hand in Hand gearbeitet. Im Zuge des im April geplanten Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die Paramilitärs in die Streitkräfte eingegliedert werden. Das führte zu einem Machtkampf zwischen den einstigen Verbündeten.

Daglo wirft al-Burhan vor, sein Amt als De-Facto-Staatschef nicht aufgeben zu wollen und sich entgegen aller Absprachen an die Macht zu klammern.

General Abdel Fattah al-Burhan – hier bei einem Auftritt im Jahr 2019 – liefert sich einen erbitterten Machtkampf mit seinem Stellvertreter.
General Abdel Fattah al-Burhan – hier bei einem Auftritt im Jahr 2019 – liefert sich einen erbitterten Machtkampf mit seinem Stellvertreter.
Bild: EPA

Der Konflikt in dem Land mit 46 Millionen Einwohnern eskalierte am Samstag, binnen weniger Stunden kam es zu heftigen Gefechten. Aus Khartum wurde unter anderem Artilleriebeschuss gemeldet, ausserdem gab es Berichte über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf RSF-Stützpunkte. Wer in Khartum aktuell die Oberhand hat, ist unklar.

Rund 600 Verletzte in Spitälern behandelt

Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am Sonntagmorgen über Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer zu beklagen und Dutzende getötete Soldaten. Ausserdem seien in Spitälern und anderen Versorgungsstellen rund 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten.

Die RSF behaupteten am späten Samstagabend auf Twitter, 90 Prozent der vom Militär kontrollierten Gebiete im Sudan erobert zu haben und in die Kommandozentrale der Armee eingedrungen zu sein. Die Armee wies auch dies als Falschbehauptung zurück.

Die Rhetorik der Kontrahenten macht wenig Hoffnung auf ein schnelles Ende der Gewalt: Al-Burhan hatte den RSF am Samstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira Angriffe auf strategische Ziele und auf sein Haus vorgeworfen. RSF-Anführer Daglo forderte, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen.

Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen «oder wie ein Hund sterben», sagte Daglo. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hiess, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Die RSF hatten vor wenigen Tagen ihre Einheiten mobilisiert, nachdem das Militär die Ernennung eines Premierministers und damit die Machtübergabe erneut verzögert hatte. Beobachter werteten die Mobilisierung als Drohgebärde Daglos gegen den Oberbefehlshaber al-Burhan. Zuletzt hatte Daglo einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung gefordert und sich damit gegen al-Burhan gestellt.

Jahrzehntelanger Konflikt

Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber al-Burhan, der Generalinspekteur der Streitkräfte. Daglo wurde später al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.

DPA, gbi