Late Night USA Amerika Extrem – zwei Fälle, die zeigen, wie gespalten die USA sind

Philipp Dahm

22.2.2019

«The Late Show with Stephen Colbert» erklärt uns die amerikanische Seele.
«The Late Show with Stephen Colbert» erklärt uns die amerikanische Seele.
Screenshot: YouTube

Zwei Verhaftungen, zwei völlig verschiedene Täter, zwei Extreme – und das alles zur selben Zeit im gleichen Land: Stephen Colbert zeigt an einem Horror-Duo auf, wie tief gespalten die USA sind.

«Es ist ein seltsamer Tag. Es ist ein sehr seltsamer Tag», beginnt Stephen Colbert den Monolog in seiner «Late Show». «Es ist der Tag, der seltsamen und verstörenden News in Amerika. Der Igitt-Teil [dieses Tages] hat mit ‹Empire›-Darsteller Jussie Smollett zu tun.» Ein Raunen geht durchs Publikum.

«Was für ein Volltrottel!!!»

Denjenigen, die aus Unwissenheit still geblieben sind, erklärt der Gastgeber: «Er wurde heute wegen einer Falschaussage verhaftet, nachdem die Polizei herausgefunden hat, dass er letzten Monat einen rassistischen und homophoben Angriff auf sich inszeniert hat.»

Schauspieler Jussie Smollett bei der Arbeit.
Schauspieler Jussie Smollett bei der Arbeit.
Bild: Keystone

Er müsse sich zurückhalten, sagt Colbert – deshalb nur so viel: «Was für ein Volltrottel!!! Einfach … Ohhh … Nein …» Es ist dem 54-Jährigen anzumerken, dass ihn der Vorfall aufregt – und der New Yorker erklärt auch gleich, warum: «Smollett hat für die Rolle des Fake-Nationalsymbols für unsere echte rassische und politische Teilung vorgesprochen.»



Der 36-jährige Schauspieler hat laut «Vox» angegeben, er sei im Hotel Loews in Chicago von zwei Maskierten angegangen und rassistisch und homophob beleidigt worden. Die Männer hätten «Make America Great Again» gerufen, in rassistischer Manier eine Schlinge um Smolletts Hals gelegt und ihn mit einer Flüssigkeit bespritzt, die Bleichmittel gewesen sein soll. Ermittler fanden dann jedoch heraus, dass der Darsteller zwei schwarze Brüder angeheuert hatte, die den Übergriff inszeniert haben.

Warum Hassverbrechen, wenn es auch Sextapes gibt?

«Schaut, ich bin kein Experte», verwirft Colbert die Arme, «aber wenn Sie ein Hass-Verbrechen von weissen Rassisten vortäuschen: Nehmen Sie zwei weisse Typen. Das ist eine Sache, bei der Sie keine Vielfalt brauchen. Und ich habe mal in Chicago gelebt: Es gibt dort Weisse. Gehen Sie mal zu einem [Eishockey-] Spiel der Black Hawks. Und Smollett hat die Brüder – ein No-Go bei Verschwörungen – auch noch mit einem Cheque bezahlt …»

Amerika krankt, Colbert leidet mit.
Amerika krankt, Colbert leidet mit.
Screenshot: YouTube

Doch der dreifache Familienvater erkennt auch klar den Ernst der Lage. «Die ganze Sache ist einfach deprimierend. Sie ist ein schrecklicher Angriff auf die echten Opfer von Hassverbrechen. Sie untergräbt deren Glaubwürdigkeit. Für so eine Sache gibt es keine gute Begründung, aber Smollett hatte auch eine besonders schlechte.»



Anschliessend gibt ein Polizist in einem Filmausschnitt zu Protokoll, das Motiv des Fake-Opfers sei Unzufriedenheit mit seinem Lohn gewesen. «What??? Er hat ein Hassverbrechen inszeniert, um seine Karriere voranzubringen? Es gibt doch legale Wege, sowas zu tun: Hat er noch nie was vom Sex-Tape gehört?»

Ordentlich Amok

Es sei aber nicht die einzige Igitt-News gewesen, wechselt Colbert nun das Thema. Auch in Silver Spring, Maryland, gab es eine Verhaftung, wie «CNN» berichtete: Ein Beamter der Küstenwache soll einen Amoklauf gegen Demokraten, Wissenschaftler und Journalisten geplant haben.

Die Waffen, mit denen Christopher Paul Hasson angeblich viele Menschen töten wolte.
Die Waffen, mit denen Christopher Paul Hasson angeblich viele Menschen töten wolte.
Bild: US District Court via AP

«Als [das FBI] sein Apartment durchsucht hat, fand man ein grosses Geheim-Lager mit Munition und Waffen. Sehen Sie sich mal an, wie ordentlich das daherkommt: Wer behauptet eigentlich, Männer mögen [die japanische Ordnungsberaterin] Marie Kondo nicht?»

Die imaginäre Handgranate entzündet den Funken des Humors in Colbert.
Die imaginäre Handgranate entzündet den Funken des Humors in Colbert.
Bild: YouTube

Der verhinderte Massenmörder sagte der «New York Times», er sei seit über 30 Jahren Skinhead. Mit so vielen Dienstjahren sei Christopher Paul Hasson nah an seinem 401 KKK, witzelt Colbert – 401 (k) ist in den USA quasi ein Synonym für Pensionskasse. «Ich träume davon, so gut wie jeden auf der Welt zu töten», wird Hasson zitiert. «Sorry, aber da hat die Käsekuchen-Fabrik einen Riesenvorsprung», feixt der Moderator.

Vereinigt die Staaten von Amerika

Zwei Fälle, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und doch stehen sie beide für ein und dasselbe Problem: Die amerikanische Gesellschaft ist gespaltener denn je. Wer nun glaubt, die Regierung habe Schuld an diesem Zustand, greift zu kurz.



Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Spaltung, mit der die totale Ignoranz der Gegenargumente einhergeht, hat erst möglich gemacht, was sich nun im Weissen Haus abspielt. Und so, wie die US-Politik im Moment verfährt, werden die Gräben eher tiefer, als dass sich etwas bessert.

Colberts ganzer Monolog.

Apropos Washington: Eine Reaktion von höchster Stelle gab es zu den beiden Verhaftungen nicht. Nur zu der Ersteren. Und zum Zustand des amerikanischen Handynetzes, bei dem so mancher nach den fünf G-Punkten sucht und doch nie zum Höhepunkt kommt. Die USA stecken im Tief – und das nicht erst seit 2016: Was das Land dringend braucht, ist ein Präsident, der das Volk eint: Make America Whole Again!

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten die wohl beste Navigationshilfe: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Die Bilder des Tages

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