Rätsel um Marjorie Taylor Greene Ausgerechnet seine enge Verbündete fällt Trump jetzt in den Rücken

Sven Ziegler

16.10.2025

Nicht mehr so beste Freunde: Marjorie Taylor Greene und Donald Trump.
Nicht mehr so beste Freunde: Marjorie Taylor Greene und Donald Trump.
KEYSTONE

Marjorie Taylor Greene war für viele auf der Linken jahrelang die perfekte Gegenspielerin. Nun erhält die Trump-Verbündete ausgerechnet von den Demokraten Applaus – weil sie ihre eigene Partei bei heiklen Themen brüskiert. Dahinter steckt mehr als ein spontaner Stimmungswechsel.

Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Marjorie Taylor-Greene unterstützt die Verlängerung der Obamacare-Steuergutschriften und macht damit Druck auf die eigene Fraktion.
  • Demokraten wie Hakeem Jeffries, Raphael Warnock und Jeanne Shaheen begrüssen ihre Aussagen öffentlich.
  • Gleichzeitig attackiert Greene Parteichefs, fordert Transparenz zu den Epstein-Akten und kultiviert plötzlich ein unabhängiges Profil.

Als Hakeem Jeffries vor Kameras gefragt wurde, wie er die jüngsten Auftritte von Marjorie Taylor Greene bewerte, wählte der demokratische Fraktionschef im Repräsentantenhaus auffällig bedächtige Worte. Greene habe «ein paar überraschend erhellte Wochen hinter sich», sagte Jeffries bei MSNBC.

Gemeint waren zwei Felder, auf denen die Republikanerin aus Georgia ihre Partei verärgert und den Demokraten Munition liefert: die erweiterten Steuergutschriften der Krankenversicherung Obamacare und die Veröffentlichung der sogenannten Epstein-Akte.

Greene, sonst verlässlich auf Linie mit Donald Trump, trat zuletzt mehrfach aus dem eigenen Schatten. Sie unterstützte eine parteiübergreifende Initiative, die vollständige Offenlegung der Ermittlungsakten im Fall Jeffrey Epstein zu erzwingen.

Marjorie Taylor Greene trifft einen Nerv

Sie sprach sich gleichzeitig dafür aus, die während der Pandemie ausgeweiteten Prämienzuschüsse der Affordable Care Act zu verlängern, weil sonst die Beiträge «sich verdoppeln» könnten.

«Ich bin keine Freundin von Obamacare», schrieb sie auf X. «Aber ich gehe hier gegen alle, weil die Prämien meiner erwachsenen Kinder sonst 2026 doppelt so hoch sind», wie «The Independent» dokumentiert.

Damit trifft Greene einen Nerv. Senatorin Jeanne Shaheen signalisierte umgehend Zustimmung und forderte, die Zuschüsse zu verlängern, um «Kostenexplosionen» zu verhindern.

Auch Arizonas Senator Ruben Gallego lobte die Wucht ihrer Botschaft. «Sie macht es besser als viele Demokraten», sagte er. Jeffries wiederum hob im Gespräch mit MSNBC hervor, Greene erkenne, dass es um die Gesundheitskosten der Menschen gehe. Die Führung der Republikaner sei «abgetaucht.»

Der Applaus von links irritiert nicht nur Beobachter, er entfacht in Greenes Lager offenen Ärger. Aktivistin Laura Loomer unterstellte ihr, sie bereite eine Kandidatur «als Demokratin» vor. Greene weist das zurück und verweist auf ihre bisherige Linie. «Ich will, dass Republikaner so regieren, wie sie im Wahlkampf reden», schrieb sie.

Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sagte bei Fox News, er habe mit Greene «gründlich» über die Zuschüsse gesprochen und ihr angeboten, sich in die Detailarbeit der zuständigen Ausschüsse einzubringen, wie Newsweek berichtet.

Politikwissenschaftler ordnen die Verschiebung nüchtern ein. Grant Davis Reeher von der Syracuse University spricht bei «Newsweek» von «opportunistischer Logik: Der Feind meines Feindes ist mein Freund». Demokraten nähmen jede Verbündete, die Trump schwäche, auch wenn sie Greene sonst ablehnen.

Ist Greenes Schwankung mehr als eine Momentaufnahme?

Stephen Farnsworth von der University of Mary Washington meint gegenüber dem Portal indes, Greene habe erkannt, dass die Epstein-Causa «nicht verschwindet». Der Ruf nach Transparenz könne ihr helfen, ein eigenständigeres Profil zu schärfen, auch wenn das in einer republikanischen Vorwahl schaden könnte.

Joshua Kennedy von der Georgia Southern University verweist auf den gemeinsamen populistischen Grundton beider Lager: Misstrauen gegen Eliten und der Verdacht, das System sei «manipuliert».

Greene selbst giesst Öl ins Feuer. In einem Interview mit der «Washington Post »bezeichnete sie Führungsfiguren ihrer Partei als «schwach» und sagte, viele republikanische Männer hätten Angst vor «starken republikanischen Frauen».

Frauen wie Elise Stefanik würden in der Partei benachteiligt, während Männer mit Loyalität belohnt würden. Parallel drängte sie den Senat öffentlich, das Filibuster-Quorum zu kippen, um den Shutdown zu beenden. 

In Washington wird dieser Kurs als mehr als nur Momentaufnahme gelesen. Das US-Medienportal Puck analysiert, Greene stelle sich sichtbar «neben die Partei» und suche eine Bühne jenseits der Trump-Orthodoxie.

ARCHIV – Repräsentantin Marjorie Taylor Greene bei einer Wahlkampfveranstaltung in Waco, Texas. Foto: Nathan Howard/FR171771 AP/dpa
ARCHIV – Repräsentantin Marjorie Taylor Greene bei einer Wahlkampfveranstaltung in Waco, Texas. Foto: Nathan Howard/FR171771 AP/dpa
sda

Das passe zum Muster der vergangenen Monate: Sie unterstützte einen parteiübergreifenden Vorstoss von Thomas Massie und Ro Khanna zur Freigabe der Epstein-Akten, sie attackierte Luftschläge gegen iranische Nuklearanlagen, sie stellte sich zeitweise gegen harte Positionen zu Israel und Gaza und kritisierte zudem eine Klausel, die bundesstaatliche Regeln für Künstliche Intelligenz aussetzen sollte. 

Ob das Kalkül aufgeht, ist offen. Ihr Einfluss im Kapitol sei kleiner, als ihre Reichweite in den Netzwerken vermuten lasse, sagen republikanische Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand, wie Puck weiter schreibt. Zugleich bezweifelt Professor Reeher in seiner «Newsweek»-Analyse, dass sie kurzfristig ernsthaft gefährdet ist. «Sie müsste von rechts, aus dem Trump-Kern, herausgefordert werden», erklärte er. «Würde Trump dieses Risiko eingehen?» 

Entsteht für Taylor Greene eine neue Rolle?

Für die Demokraten ist Greene unterdessen eine paradoxe Verbündete. Solange die Haushaltskrise andauert und die Obamacare-Zuschüsse zur roten Linie werden, ist jede Stimme, die Druck auf Johnson erhöht, willkommen.

«Man hört mich Worte sagen, von denen ich nie dachte, dass ich sie sage: Marjorie Taylor Greene hat recht», bekannte Senator Raphael Warnock. Der Satz wirkt wie ein Zeitdokument der politischen Gegenwart: Fronten lösen sich, wenn es taktisch nützt. Und Greene zeigt, dass Provokation und Positionierung sich nicht ausschliessen.

Am Ende bleibt die Frage, ob hier eine neue Rolle entsteht oder nur ein Kapitel in einem langen Taktikspiel. Greene besteht darauf, sie sei «kein blinder Sklave des Präsidenten» und niemand sollte das sein. Ihre Partei dürfte diese Unabhängigkeit anders lesen.

Ihre Wähler werden entscheiden, ob sie sie belohnen. Bis dahin gilt: Solange sie auf zwei der wahlentscheidenden Reizthemen drückt, sind die Schlagzeilen ihr sicher – und der Beifall aus ungewohnter Richtung ebenfalls.