Machtwechsel in Australien Sozialdemokraten gewinnen Parlamentswahl in Down Under 

dpa

21.5.2022 - 15:37

Eine Wählerin gibt ihren Stimmzettel in einer Wahlkabine in Sydney ab.
Eine Wählerin gibt ihren Stimmzettel in einer Wahlkabine in Sydney ab.
Bild: dpa

Seit fast zehn Jahren regierte in Australien die konservative Liberal Party. Doch das Land leidet unter vielen Problemen – vor allem unter dem Klimawandel. Nun bekommt Down Under einen neuen Premier.

Australiens konservativer Premierminister Scott Morrison hat seine Niederlage bei der Parlamentswahl eingeräumt.

Er habe Oppositionsführer Anthony Albanese von der Labor Party angerufen und zu seinem Sieg gratuliert, sagte Morrison am späten Abend (Ortszeit). Der 54-Jährige, der seit 2018 Regierungschef war, sprach von einer «schweren Nacht für die Liberalen».

Nach Berechnungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ABC kehrt Labor erstmals seit zehn Jahren wieder an die Macht zurück. Unklar ist noch, ob Albanese eine Minderheits- oder eine Mehrheitsregierung führen wird.

Beide Kandidaten reisten während des sechswöchigen Wahlkampfs kreuz und quer durch den fünften Kontinent, um Wählerstimmen zu gewinnen. Dabei machten sie sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Wichtigstes Thema war die Wirtschaftslage. Speziell geht es um die Frage höherer Löhne, die Labor verspricht.

Dürren und zerstörerische Buschbrände

Viele Australier betrachten auch die Klimakrise als enormes Problem – vor allem nach den jüngsten verheerenden Überschwemmungen an der Ostküste. Das Land leidet seit Jahren unter Dürren und zerstörerischen Buschbränden, unter Korallenbleichen und Baumsterben. Der konservative Premier Morrison ist ein Unterstützer der einflussreichen Kohleindustrie, und viele Mitglieder der Liberalen gelten als Leugner des Klimawandels. Die Corona-Pandemie kam hingegen nur am Rande als Wahlkampfthema vor – obwohl die Fallzahlen weiter hoch sind und das Land am Freitag mehr als 50.000 Neuinfektionen verzeichnete.

«Wir brauchen unbedingt einen politischen Richtungswechsel hin zu einer Verbesserung der Reallöhne, sofortigen und direkten Klimaschutzmassnahmen und einer humaneren Flüchtlingspolitik», sagte der IT-Berater Jeff Scicluna aus Melbourne der Deutschen Presse-Agentur vor der Stimmabgabe. Der 55-Jährige wollte sein Kreuz deshalb bei Labor machen. «Eine Labor-Regierung würde mein Vertrauen in Australien als eine Gesellschaft, in der ich leben möchte, erheblich stärken.»

Demokratie-Würstchen für alle

Ganz anders sieht das Mark Westfield, Wahlkampfhelfer der Liberalen in Manly, einem Vorort von Sydney: «Morrison muss man hoch anrechnen, wie gut Australien wirtschaftlich dasteht – wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit Jahrzehnten. Viel mehr kann eine Regierung nicht leisten.»

Morrison und Albanese gaben ihre Stimme am Vormittag (Ortszeit) in Vororten von Sydney ab. In der grössten Stadt Australiens bildeten sich schon am Morgen Schlangen vor den Wahllokalen. Die grossen Parteien hatten dort noch einmal Plakate aufgestellt. Wahlkampfhelfer verteilten vor den Türen Flugblätter, um unentschiedene Wähler in letzter Minute für sich zu gewinnen.

Eine Besonderheit bei australischen Wahlen sind die sogenannten Demokratie-Würstchen (Democracy Sausages). Traditionell steht vor vielen Wahllokalen ein Grill, an dem sich die Bürger mit einer Art Hot Dog (Knackwurst im weichen Brötchen mit Senf und Ketchup) stärken können. «Happy Democracy Sausage Day!», hiess es denn auch im australischen Frühstücksfernsehen. Mittlerweile gibt es zudem vegetarische Alternativen und Stände mit Kaffee und Kuchen. «Wo diese Tradition herkommt, weiss ich gar nicht. Das wurde immer schon gemacht, solange ich denken kann», sagte ein freiwilliger Helfer hinter einem Grill in Sydneys Kerry Street.