Politik Auswärtiges Amt: Deutsche sollen Iran verlassen

SDA

13.4.2024 - 03:49

ARCHIV - Ein Mann, dessen Gesicht in den Farben der iranischen Fahne bemalt ist, skandiert Slogans, während er die iranische Fahne bei der jährlichen Kundgebung zum Al-Quds-Tag oder Jerusalem-Tag zur Unterstützung der Palästinenser schwenkt. Foto: Vahid Salemi/AP/dpa
ARCHIV - Ein Mann, dessen Gesicht in den Farben der iranischen Fahne bemalt ist, skandiert Slogans, während er die iranische Fahne bei der jährlichen Kundgebung zum Al-Quds-Tag oder Jerusalem-Tag zur Unterstützung der Palästinenser schwenkt. Foto: Vahid Salemi/AP/dpa
Keystone

Angesichts eines möglicherweise näher rückenden iranischen Vergeltungsschlags gegen Israel hat das Auswärtige Amt in Berlin alle deutsche Staatsangehörige im Iran aufgefordert, das Land zu verlassen. Zugleich warnte es vor Reisen in den Iran. «Die derzeitigen Spannungen in der Region, insbesondere zwischen Israel und Iran, bergen die Gefahr einer plötzlichen Eskalation», teilte das Auswärtige Amt am Freitagabend mit. Demnach kann sich die Sicherheitslage schnell und ohne Vorwarnung verschlechtern. «Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass von einer Eskalation auch Luft-, Land- und Seetransportwege betroffen sein könnten, mit entsprechenden möglichen Beeinträchtigungen von Ein- und Ausreisen nach Iran», hiess es weiter. Auch Österreich rief seine Landsleute auf, das Land zu verlassen. Zuvor hatten mehrere Länder, darunter Grossbritannien und Frankreich, Reisewarnungen ausgesprochen.

US-Präsident Joe Biden sagte am Freitag, seiner Erwartung nach stehe ein Angriff eher «früher als später» bevor. Er wolle sich aber nicht zu Geheimdienstinformationen äussern. Zudem warnte er den Iran. Auf die Frage einer Journalistin, was seine Botschaft an Teheran sei, sagte Biden in Washington: «Lasst es.» Die Führung in Teheran warnte wiederum einem Medienbericht zufolge Washington davor, sich in die Konfrontation zwischen Israel und dem Iran einzumischen. Die Sorge vor einer Ausweitung der Eskalation zu einem regionalen Flächenbrand wächst.

Mittlerweile verstärken die USA ihre Militärpräsenz in der Region. «Wir verlegen zusätzliche Mittel in die Region, um die regionalen Abschreckungsbemühungen zu verstärken und den Truppenschutz für US-Streitkräfte zu erhöhen», sagte ein US-Verteidigungsbeamter der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Washington.

Am 1. April waren bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet worden. Die iranische Führung hat seitdem mehrfach mit Vergeltung gedroht. Israel müsse bestraft werden, hatte Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei am Mittwoch bekräftigt. Derweil verlängerte die deutsche Lufthansa die Aussetzung geplanter Flüge in und aus der iranischen Hauptstadt Teheran bis Donnerstag.

Israel und USA: Schulter und Schulter

Vor dem Hintergrund der iranischen Bedrohung rücken Israel und die USA enger zusammen. Der Oberbefehlshaber des US-Regionalkommandos Centcom, General Michael Erik Kurilla, war bereits am Donnerstag zu einem Besuch in Israel eingetroffen. «Unsere Feinde glauben, sie können Israel und die USA auseinanderdividieren», sagte Israels Verteidigungsminister Joav Galant am Freitag nach einem Treffen mit Kurilla. «Aber das Gegenteil ist wahr», sagte er. «Sie bringen uns einander näher und stärken unsere Bande. Wir stehen Schulter an Schulter.» US-Präsident Biden hatte Israel bereits am Donnerstag Israel die «eiserne Unterstützung» der USA zugesagt, sollte der Iran seine Angriffsdrohungen wahr machen. «Wir haben uns der Verteidigung Israels verschrieben», sagte er am Freitag. «Wir werden helfen, Israel zu verteidigen, und der Iran wird keinen Erfolg haben.»

Das Verhältnis Bidens zu Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu war zuletzt schwer belastet. Der US-Präsident stiess sich an Netanjahus Weigerung, seine Politik in Hinblick auf den Gaza-Krieg zu ändern. Die israelische Führung macht aus US-Sicht zu wenig, um der Not leidenden palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen ausreichend humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Washington bemängelt zudem, dass Netanjahu keine Bereitschaft zeigt, eine schlüssige Konzeption für die – möglichst von Palästinensern getragene – Verwaltung des Gazastreifens nach Beendigung des Gaza-Kriegs vorzulegen.

Teheran droht auch den USA

Die Führung in Teheran sieht wiederum in Washingtons Engagement für Israel Potenzial für eine zusätzliche Eskalation. «Der Iran hat der Biden-Administration über Vermittlung mehrerer arabischer Länder Anfang der Woche eine Botschaft zukommen lassen», schrieb der gewöhnlich gut informierte israelische Journalist Barak Ravid am Freitagabend auf der Nachrichtenseite axios.com unter Berufung auf drei US-Beamte. Die Botschaft habe gelautet: «Wenn die USA in die Konfrontation zwischen Israel und dem Iran eingreifen, dann werden US-Streitkräfte in der Region zum Zielpunkt von Angriffen.»

Die USA unterhalten unter anderem Stützpunkte in Syrien, im Irak und in Jordanien, die im Zuge des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingerichtet worden waren. Nach Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober griffen mit dem Iran verbündete Milizen aus Syrien und dem Irak immer wieder diese Stützpunkte an. Der Iran selbst trat aber dabei nie in Erscheinung. Grössere US-Militärbasen befinden sich seit vielen Jahren in den Golfstaaten Bahrain und Katar. Bahrains Hauptstadt Manama ist der Heimathafen der 5. US-Flotte.

Israels Armee: «Jederzeit und für jedes Szenario gerüstet»

Israel gibt sich angesichts der Aussicht auf einen iranischen Angriff selbstsicher. «Die israelischen Streitkräfte sind bestens vorbereitet, sowohl in Hinblick auf ihre offensiven als auch ihre defensiven Fähigkeiten», sagte Militärchef Herzi Halevi am Freitag nach einer Lagebesprechung des Generalstabs. Die Armee beobachte permanent die Vorgänge im Iran und an anderen Schauplätzen und bereite sich in Abstimmung mit den USA darauf vor, «existierende und potenzielle Bedrohungen zu bewältigen». «Unsere Streitkräfte sind jederzeit und für jedes Szenario gerüstet», betonte Halevi.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich indes besorgt über einen möglicherweise bevorstehenden Vergeltungsangriff des Irans auf Israel. Man nehme die Situation «sehr ernst», sagte Scholz am Freitag in Berlin. Sowohl er als auch Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hätten alles unternommen, um dem Iran klarzumachen, «dass es hier nicht (...) zu einer militärischen Aktivität kommen darf».

Iranischer Top-Militär auf Botschaftsgelände in Syrien bei Angriff getötet

Die Konfrontation Israels mit dem Iran ist eine indirekte Folge des Gaza-Kriegs. Die mit dem Iran verbündete Schiiten-Miliz Hisbollah greift seit Kriegsbeginn aus dem Libanon heraus den Norden Israels an. Bei dem Israel zugeschriebenen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April wurden der iranische Brigadegeneral Mohammad Resa Sahedi, ein hochrangiges Mitglied der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), sowie weitere hohe iranische Militärs getötet. Sahedi war laut der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim als Kommandeur der IRGC-Auslandseinheit für Operationen in Syrien und im Libanon verantwortlich.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen steht Israel international immer stärker in der Kritik.