Von Demonstranten gefordertNobelpreisträger Muhammad Yunus wird Übergangsregierung in Bangladesch führen
dpa/afp/toko
6.8.2024 - 22:01
Bangladesch: Militärchef sucht Dialog mit Studenten für Übergangsregierung
Die Studentenbewegung, die Ministerpräsidentin Hasina zum Rücktritt gedrängt hatte, machte unterdessen deutlich, dass sie eine Übergangsregierung unter Führung des Wirtschaftswissenschaftlers und Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus anstrebt.
06.08.2024
Nach dem Rücktritt der Ministerpräsidentin Sheikh Hasina in Bangladesch fordert einer der Protestführer den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus dazu auf, eine Übergangsregierung anzuführen.
Keystone-SDA, dpa/afp/toko
06.08.2024, 22:01
06.08.2024, 22:02
SDA
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In Bangladesch ist derzeit die Armee an der Macht. Die Ministerpräsidentin zurückgetreten, das Parlament aufgelöst.
Nach entsprechenden Forderungen der Studentenführer der Proteste wird Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung anführen.
Nach den wochenlangen Demonstrationen, die am Montag mit dem Sturm des Palastes von Regierungschefin Hasina und ihrer Flucht ins Ausland einen Höhepunkt erreichten, war die Lage auf den Strassen der Hauptstadt Dhaka am Morgen vorwiegend ruhig.
Nun soll Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus die Übergangsregierung in Bangladesch leiten. Dies teilte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) mit. Yunus hatte sich zuvor bereiterklärt, nach der Flucht von Regierungschefin Scheich Hasina aufgrund von Massenprotesten das Amt des Übergangsregierungschefs zu übernehmen.
Die Macht in dem Land mit der zweitgrössten Textilindustrie der Welt liegt nach Angaben von Beobachtern derzeit bei der Armee. Das Parlament ist aufgelöst.
Es war nach Angaben des Studentenführers Nahid Islam der explizite Wunsch der Demonstranten, dass Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung anführt. Sie soll so lange an der Macht bleiben soll, bis Neuwahlen angekündigt werden. Wann dies passiert, ist unklar.
«Yunus wird von den Studenten als unabhängiger Mann gesehen, der die Interessen des Volkes am besten vertreten kann», sagte Bangladesch-Experte Thomas Kean von der regierungsunabhängigen Crisis Group der Deutschen Presse-Agentur.
Yunus und seiner Grameen Bank wurden im Jahr 2006 der Friedensnobelpreis verliehen, weil sie mit kleinen Darlehen vielen Menschen geholfen hatten, der Armut zu entfliehen.
Nach den wochenlangen Demonstrationen, die am Montag mit dem Sturm des Palastes von Regierungschefin Hasina und ihrer Flucht ins Ausland einen Höhepunkt erreichten, war die Lage auf den Strassen der Hauptstadt Dhaka am Morgen vorwiegend ruhig. Eine von Hasina verhängte Ausgangssperre wurde wieder aufgehoben. Auf den Strassen waren aber nur wenige Menschen - auch aus Sorge, es könnte erneut zu Zusammenstössen kommen.
Noch in der Nacht davor soll es Berichten zufolge zu weiterer Gewalt gekommen sein. Mehr als hundert Menschen seien im ganzen Land getötet worden, berichteten lokale Medien unter anderem unter Berufung auf örtliche Behörden. Bei den Opfern soll es sich demnach vorwiegend um Gefolgsleute von Hasina gehandelt haben.
Protestierende haben den Berichten zufolge auch Häuser von Parteiangehörigen von Hasinas Awami-Liga gestürmt und geplündert.
Ex-Premierministerin aus Hausarrest entlassen
Hasina war die vergangenen 15 Jahre ununterbrochen Regierungschefin. Menschenrechtsorganisationen warfen ihr vor, gezielt gegen Kritiker vorgegangen zu sein. Tausende wurden verhaftet. «Ein Grund für die breite Unterstützung der Protestbewegung ist die Tatsache, dass das Land seit 15 Jahren keine Wahlen mit echter Konkurrenz gesehen hat», erklärte Experte Kean.
Die jetzige Krise sei eine Möglichkeit, das Land wieder in Richtung echte Demokratie zu führen. Auch hoffe er auf Reformen.
Unterdessen teilte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin mit, dass die frühere Regierungschefin und politische Rivalin von Hasina, Khaleda Zia, nach Jahren unter Hausarrest wieder frei sei - nur Tage vor ihrem 79. Geburtstag. Sie war 2018 nach Vorwürfen der Veruntreuung von Geldern, die für Waisen gedacht waren, zunächst ins Gefängnis gekommen.
Später war sie im Hausarrest. Es wurde auch angekündigt, dass im Zuge der Proteste festgenommene Demonstranten freigelassen werden sollen. Örtlichen Medienberichten zufolge wurden mehr als zehntausend Menschen in den vergangenen Wochen festgenommen.
Bei den Protesten seit Juli hatten zunächst Studierende die geplante Wiedereinführung einer kontroversen Quotenregelung für Jobs im Öffentlichen Dienst kritisiert, die später vom Obersten Gericht zurückgedreht wurde. Aber auch danach weiteten sich die Unruhen aus.
Mehr und mehr Bevölkerungsgruppen forderten den Rücktritt Hasinas. Die Regierungschefin versuchte, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Sie ordnete Ausgangssperren an, blockierte zeitweise das Internet und schicke Polizei sowie Armee durch das Land. Bei Zusammenstössen mit Demonstranten wurden örtlichen Medienberichten zufolge mehr als 300 Menschen getötet.
«Hasina besiegelte ihr Schicksal, als sie beschloss, auf die Proteste mit Brutalität und Arroganz zu reagieren, anstatt einen ernsthaften Dialog mit den Protestführern zu führen», sagte Crisis Group-Experte Kean.