Regierungspartei Forza Italia Berlusconis Tod wird zur Herausforderung für Italiens Rechtskoalition

dpa

13.6.2023 - 05:35

Reaktionen auf den Tod Berlusconis

Reaktionen auf den Tod Berlusconis

STORY: Der Tod des ehemaligen italienische Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi mit 86 Jahren am Montagmorgen in einem Krankenhaus in Mailand hat auf den Strassen der italienischen Hauptstadt Rom für Überraschung gesorgt: «Ist es wahr? Ich dachte, er sei unsterblich. Auf jeden Fall tut es mir leid. Auch, wenn ich eine andere Meinung habe. Er ist eine historische Figur geworden in all den Jahren. Auch ausserhalb der Politik war er ein grosser Geschäftsmann. Sein Tod überrascht mich.» «Er hatte ein gewisses Alter. Er war zu einer absoluten Randfigur in der Politik und in der Gesellschaft geworden. Aber er ist ein Teil unserer Geschichte.» «Sehen Sie, was mich betrifft, gehört er zum negativen Teil unseres politischen Lebens. Aber ich bin nicht sicher, wie schlimm es war. Ich denke aber, dass seine Partei 'Forza Italia' dadurch bestimmt stark destabilisiert wird.» Der Medienunternehmer und Milliardär Berlusconi ging 1994 in die Politik und war im Verlauf der Jahre vier Mal italienischer Ministerpräsident. Berlusconis polarisierendes Auftreten sorgte immer wieder für Kopfschütteln seiner Kritiker. So wurde er 2011 beschuldigt, auf einer seiner «Bunga-Bunga»-Partys Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben. In der Berufung wurde er 2015 freigesprochen, nachdem ein Richter entschieden hatte, Berlusconi habe nicht gewusst, dass sie minderjährig war. Seine Nähe zu Putin stiess vielerorts auf Kritik, vor allem nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine. 2003 lieferte sich Berlusconi als Regierungschef im EU-Parlament mit dem SPD-Abgeordneten Martin Schulz einen verbalen Schlagabtausch. So regte Berlusconi an, der Deutsche könne in der Rolle als KZ-Aufseher (Kapo) in einem italienischen Film mitwirken. Kritiker warfen Berlusconi wiederholt sprachliche Ausrutscher und eine abwertende Rhetorik gegenüber Minderheiten vor. 2011 trat er als Regierungschef zurück, als Italien vor einer Schuldenkrise wie in Griechenland stand. Seit den Wahlen im vergangenen September war er Senator und feierte damit ein Comeback. Vor seiner Karriere in der Politik hatte Berlusconi mit dem Aufbau des grössten Fernsehimperiums in Italien begonnen. Die Mediengruppe MediaForEurope, früher Mediaset, wird von Berlusconis Familie kontrolliert. Doch zunächst blieb offen, wer von seinen fünf Kindern das Erbe weiterführen dürfte. Und genauso unklar ist vorerst, wie das politische Erbe Berlusconis weitergeführt wird. Forza Italia ist Junior-Partner in der Rechts-Koalition unter Giorgia Meloni. Sie ist Chefin der postfaschistischen Partei «Fratelli d'Italia».

13.06.2023

Silvio Berlusconi tat sich in Italiens Rechtsregierung zuletzt als Vermittler zwischen den Parteien hervor. Ohne ihn fehlt nun der «Klebstoff». Das ist eine Herausforderung für Ministerpräsidentin Meloni. Vor noch viel grösseren Problemen steht Berlusconis Partei.

Keystone-SDA, dpa

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  • Silvio Berlusconi ist am Montag im Alter von 86 Jahren gestorben. 
  • Sein Tod wird zur Herausforderung für den Zusammenhalt der italienischen Regierung.
  • Der verstorbene Chef der Regierungspartei Forza Italia galt in der Rechtskoalition in Rom als Moderator und Schlichter – ohne ihn droht mehr Zwist im Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Der Tod von Politikveteran und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird zur Herausforderung für den Zusammenhalt der italienischen Regierung. Weil der im Alter von 86 Jahren gestorbene Chef der Regierungspartei Forza Italia in der Rechtskoalition in Rom als Moderator und Schlichter galt, droht ohne ihn mehr Zwist im Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. «Es wird sicher schwieriger werden, denn er schaffte es, alle in Einklang zu bringen, bei der Stange zu halten und an alle zu denken», sagte Matteo Salvini, Vize-Premier und Parteichef der rechtspopulistischen Lega.

In der Koalition ist Salvinis Lega deutlich kleiner als Melonis Fratelli d'Italia, aber etwas grösser als die von Berlusconi gegründete und bis zuletzt von ihm geführte Forza Italia.

Eine italienische Flagge auf Halbmast weht vor einer Nachricht mit der Aufschrift «Grazie Silvio» auf einem Turm des Fernsehsenders Mediaset neben einem grossen Plakat. 
Eine italienische Flagge auf Halbmast weht vor einer Nachricht mit der Aufschrift «Grazie Silvio» auf einem Turm des Fernsehsenders Mediaset neben einem grossen Plakat. 
Bild: Keystone/AP/Luca Bruno

Als Meloni im Sender Canale5 gefragt wurde, ob es die Regierung auch ohne den am Montag verstorbenen Politikprofi Berlusconi als «Klebstoff» zwischen den Parteien schaffe, nicht zu streiten, antwortete sie: «Das schulden wir ihm.» Einfach werde es aber nicht. «Er war der Kleber, aber auch der Erfahrenste von uns.» Berlusconi – einst selbst lange Regierungschef – um Rat fragen zu können, sei beruhigend gewesen, räumte Meloni ein.

Unsichere Zukunft von Forza Italia

Nun muss sie ohne ihren früheren Mentor auskommen – und vielleicht bald auch ganz ohne Forza Italia. «Eine Sache ist klar: Es stellt sich die Frage, wie lange Forza Italia ohne Berlusconi eine Zukunft haben wird», meint Nino Galetti, der Leiter des Römer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Schon seit vielen Jahren verliert die Partei Wähler und Abgeordnete – einzig Berlusconi hielt sie zuletzt dank seines Charismas und der Erinnerung an frühere Erfolge noch zusammen.

Politik-Experte Galetti sieht im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zwei Szenarien: Entweder Aussenminister Antonio Tajani schaffe es, die Partei vorerst zu retten. «Oder Forza Italia bricht rasch auseinander, weil viele Abgeordnete zu anderen Parteien überlaufen. Ein harter Kern dürfte bleiben, aber der ist dann politisch zunehmend irrelevant», so Galetti.

Von einem Auseinanderfallen der Partei Berlusconis könnte dann just Meloni profitieren, wenn sie es schafft, die Wähler für ihre Fratelli zu gewinnen. Die Chancen sind gut: Bei den jüngsten Parlamentswahlen nahm sie der Forza Italia bereits massenhaft Stimmen weg.